Gemeinnütziger Verein

Main-Tauber-Kreis: Warum der "Weiße Ring" wichtig ist

Wolfgang Eble, Leiter der Außenstelle Main-Tauber, gibt im FN-Gespräch Einblicke in die Arbeit des gemeinnützigen Vereins "Weißer Ring", der sich auch um die obdachlose Frau aus Unterbalbach kümmert.

Von 
Klaus T. Mende
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Auch im Main-Tauber-Kreis gibt es eine Außenstelle des „Weißen Rings“. Leiter Wolfgang Eble hebt deren Bedeutung für die Opfer von Kriminalität hervor. © Klaus T. Mende

Main-Tauber-Kreis. Etwas mehr als zwei Monate ist es gerade mal her, seitdem bislang (noch) unbekannte Täter im Bereich des alten Sportplatzes in Unterbalbach eine obdachlose Frau derart schwer verletzten, dass sie mutmaßlich dauerhaft querschnittsgelähmt bleibt (wir berichteten). Umso wichtiger ist es in solch einem Fall, dass es eine Einrichtung wie den „Weißen Ring“ gibt, der sich um Opfer von Kriminalität kümmert. Doch was verbirgt sich genau dahinter? Wolfgang Eble, Leiter der Außenstelle Main-Tauber, gibt im FN-Gespräch Einblicke in die Arbeit dieses gemeinnützigen Vereins, dessen Bundesgeschäftsstelle sich in Mainz befindet.

„Wir sind unabhängig und wollen mit unserem Tun kein Vermögen anhäufen, sondern Opfern helfen“, erklärt Eble, der von vier weiteren Mitstreitern tatkräftig unterstützt wird. Jahr für Jahr finanziere sich der Verein aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen, testamentarischen Verfügungen oder Geldbußen – wichtige Einnahmen, mit denen bedürftigen Menschen unter die Arme gegriffen werden könne. Es sei jedoch ein weit verbreiteter Irrglaube, dass der „Weiße Ring“ ausschließlich Gewaltopfern helfe. „Wir unterstützen grundsätzlich Kriminalitätsopfer – die gesamte Bandbreite des Strafgesetzbuchs.“ Die klassischen Fälle seien versuchte Tötungsdelikte, Körperverletzung, Raubüberfälle, Sexualdelikte, jedoch auch mal Diebstahl oder Betrug.

30 bis 40 Fälle im Jahr im Kreis

Die Förderung der Opfer – die Außenstelle Main-Tauber helfe pro Jahr 30 bis 40 Mal, hinzugesellten sich noch viele telefonische Beratungen – sei gewissermaßen zweigliedrig, wie der ehemalige Leiter der Polizeidirektion Tauberbischofsheim weiter mitteilt. Einerseits gebe es „schnelle Hilfen“ – nämlich Summen bis zu 300 Euro. Dieses Geld werde eingesetzt für anwaltliche Beratungsschecks, psycho-traumalogische Erstberatungen, Tatortreinigung oder Namensänderung. „Hier müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht überprüft werden.“

Dann seien da Opferhilfen finanzieller Art, die teils mehrere tausend Euro betragen können. „Diese müssen wir in Mainz aus dem großen Topf beantragen. Hierfür gibt es Kriterien, an denen wir uns orientieren, dabei spielen Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Opfers eine Rolle“, meint der gebürtige Ulmer gegenüber unserer Zeitung. So könne eine selbst genutzte Immobilie bewohnt werden, dennoch der Betroffene wirtschaftlich bedürftigsein. Unterm Strich müsse „eine Kausalität vorhanden sein, dass die wirtschaftliche Notlage durch eine Straftat hervorgerufen wurde“.

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„Außenstellen in Ballungsräumen haben wesentlich mehr Fälle als wir hier im ländlichen Raum“, betont Wolfgang Eble. „Es könnten aus meiner Sicht schon ein paar mehr sein. Denn es gibt viel mehr Delikte mit Opfern, die uns gemeldet werden könnten.“ Die meisten Angelegenheiten kämen über die Polizei, mit der es eine Vereinbarung gebe. „Wir haben ein Opfertelefon mit einer bundesweiten Rufnummer. Hier können Betroffene anrufen. Sie werden an die zuständige Außenstelle weitergeleitet – also zu mir.“ Des Weiteren verfüge der Verein über eine Onlineberatung mit der Möglichkeit, anonym miteinander zu chatten. „Wir arbeiten darüber hinaus zusammen im Netzwerk mit ,Frauen helfen Frauen’, Caritas, Diakonie und weiteren solchen Organisationen.“ Auch über diese Schiene gebe es immer wieder mal eine Anfrage, ob der „Weiße Ring“ sich einschalten könne.

„Wir sind die ,Indianer’, welche die Opfer betreuen und die Fälle bearbeiten“, wirft der langjährige Polizeibeamte ein. Für strategische Dinge – etwa Präventionsaktivitäten – sei die Bundesgeschäftsstelle zuständig. Wichtig sei allerdings auch Lobbyarbeit, um bei Gesetzesänderungen aktiv eingreifen zu können – wie etwa beim sozialen Entschädigungsrecht, das ab 1. Januar 2024 umgesetzt wird. „Da hat der ,Weiße Ring’ im Verbund mit weiteren Organisationen sehr stark auf die Politik eingewirkt, um Nachteile aus dem ersten Gesetzesentwurf zu bereinigen“, was schlussendlich gelungen sei und Verbesserungen für potenzielle Kriminalitätsopfer gebracht habe.

Einfühlungsvermögen nötig

Wer ehrenamtlich für den „Weißen Ring“ tätig sein möchte, benötige eine Kombination aus „dickem Fell“ und Einfühlungsvermögen. „Ich war über 40 Jahre Polizeibeamter, für mich ist das kein neues Metier“, sagt Wolfgang Eble. Andere Interessenten würden aber keinesfalls ins kalte Wasser geworfen. Mit potenziellen Mitstreitern führe er zunächst ein ausführliches Gespräch, dem sich eine Hospitationsphase anschließe, in der man bei zwei oder drei Fällen begleitend mit von der Partie sei. um zu eruieren, ob dies etwas für einen sei. Es folgten Grund- und Aufbauseminare, dazu regelmäßige Schulungen, unter anderem an der „Weißer-Ring“-Akademie, in deren Verlauf man sich auch auf bestimmte Themenfelder spezialisieren könne.

Man werde „nicht so einfach auf die Opfer losgelassen“, denen gegenüber große Empathie von Vorteil wäre, „ohne sich dabei aber vereinnahmen zu lassen“. Als gemeinnützige Einrichtung „leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe und keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, bei der wir dem Opfer alles abnehmen“. Dies wäre auch kontraproduktiv, denn der Betroffene müsse lernen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Im Grunde seien die ehrenamtlich Tätigen für die Kriminalitätsopfer eine Art Lotse in dem „Beratungsstellen-Dschungel“. „Wir weisen den Weg und arbeiten zum Beispiel auch mit Therapieeinrichtungen zusammen, um schneller einen Platz zu generieren.“

„Die Aufgabe machen wir gern“

„Wir wollen keinen Dank dafür – das Ganze sehen wir als Aufgabe, die wir gerne machen“, lässt der Außenstellenleiter weiter wissen. Man freue sich, einem Menschen aus einer materiellen Notlage helfen zu können. „Und oft ist das Opfer froh, dass es mit jemandem reden kann, der Zeit hat. Uns interessieren nicht die Täter, wir denken nur an die Betroffenen und wollen für sie da sein.“

„Es gibt Menschen, die unsere Unterstützung brauchen, die sich aber nicht melden – aus Scham oder aus Unkenntnis“, stellt Wolfgang Eble noch fest. „Jedes potenzielle Opfer kann sich an uns wenden. Dann klären wir ab, inwieweit Hilfsbedarf besteht. Wir vom ,Weißen Ring’ sind zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet.“

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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