Lauda-Königshofen/Grünsfeld/Wittighausen. Die Streuobstbäume am Seilingsberg bieten in der Nachmittagssonne angenehmen Schatten. Doch die sind nicht das Ziel von Lorenz Flad und Alice Craemer vom Kommunalen Landschaftspflegeverband des Main-Tauber-Kreises. Sie wollen zu den historischen Trockensteinmauern. Bei den beiden laufen die Fäden zum Biotopverbund zusammen, für den die Städte Lauda-Königshofen und Grünsfeld mit der Gemeinde Wittighausen nun als eine der Pilotkommunen des Kreises eine Biotopverbundplanung in Auftrag gegeben haben.
Kernlebensräume finden
Das Land will solche Netzwerke der Natur schaffen, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Daran sollen sich alle Kommunen in Baden-Württemberg beteiligen. Pro Landkreis war eine Pilotkommune vorgesehen. Ein Großteil der 18 Städte und Gemeinden im Kreis signalisierte die Bereitschaft, bei einem solchen Konzept mitzumachen. Im Main-Tauber-Kreis gibt es aufgrund seiner Länge daher sogar drei Pilotkommunen: Neben Freudenberg und Niederstetten eben auch den Zusammenschluss von Lauda-Königshofen, Grünsfeld und Wittighausen. Bei den Pilotkommunen wird die Konzeption komplett gefördert, bei den übrigen zu 90 Prozent.
Biotopverbund startete mit drei Pilotkommunen
Der Biotopverbund ist im Bundesnaturschutzgesetz verankert. Dieses Gesetz sagt, dass auf mindestens zehn Prozent der Fläche des Landes ein Biotopverbund zu realisieren ist.
Im Main-Tauber-Kreis gibt es aktuell die drei Pilotkommunen Freudenberg, Niederstetten sowie der Verbund Lauda-Königshofen, Grünsfeld, Wittighausen. Ihre Konzeptionen werden zu 100 Prozent vom Land gefördert.Begonnen haben 2022 auch Großrinderfeld und Bad Mergentheim. 2023 sollen Wertheim und Tauberbischofsheim folgen.
Bis 2030 sollen laut Vorgaben des Landes 15 Prozent der Flächen des Offenlandes als Biotopverbund vernetzt sein. Der Biotopverbund Lauda-Königshofen, Grünsfeld, Wittighausen hat eine Kernfläche von 1176,88 Hektar, was 6,87 Prozent der Gemeindegebiete entspricht. Der Biotopverbund Main-Tauber-Kreis entspricht mit einer Kernfläche von 69 112,32 Hektar rund 6,82 Prozent der Landkreisfläche.
Als Biotopverbundbotschafterin beim Kommunalen Landschaftspflegeverband des Kreises kümmert sich Alice Craemer um die öffentlichen Veranstaltungen und die Koordination.
Für die sinnvolle Planung in Richtung angrenzender Kommunen oder Landkreise werden zur Auswertung bereits vorhandene Daten im Abstand von einem Kilometer zur Kommunengrenze zur Verfügung gestellt. Für Wittighausen würde das auch einen Blick nach Bayern bedeuten. dib
Über das Projekt „Pflege der Trockenhänge“ und der Gründung des Kommunalen Landschaftspflegeverbands 1999 hat Lorenz Flad in den vergangenen 30 Jahren schon mit allen Kommunen des Kreises zusammengearbeitet. Insgesamt über 1500 Hektar seien als Kalkmagerrasen und Wiesen freigelegt worden und seitdem in der Pflege. Nun soll diese Entbuschung intensiviert werden, um die Biotopvernetzung zu verbessern. Für die Kommunen bedeutet das Biotopverbundkonzept, dass sie Möglichkeiten für Ausgleichsmaßnahmen bei Bauprojekten und für ihr Ökokonto erhalten. Damit hätten die Kommunen einen Plan, welche Maßnahmen wo sinnvoll sind.
Der Ablauf der Biotopverbundplanung sieht vor, nach der Grundlagenauswertung die Kernlebensräume aufzunehmen. Im Moment werden diese Kartierungen durchgeführt. Kernlebensräume sind Bereiche, die schützenswerte Tierarten zur Fortpflanzung und zur Nahrungssuche nutzen. „Wir schauen, welche Lebensräume vorhanden sind und wo die Strukturen verbessert werden müssen“, sagt Landschaftsökologin Craemer, die seit Mai beim Kommunalen Landschaftspflegeverband ist. Und wo nichts sei, müsste etwas installiert werden, damit die Tiere ungehindert von einem Kernraum in den nächsten könnten. „Trittsteine“ nennen die Fachleute das. Solche Trittsteine können zum Beispiel artenreiche Säume in einer sonst ausgeräumten Ackerlandschaft sein. Auch an den Waldrändern können so etwas entstehen. Ziel sei es also, Strukturen zu schaffen, die den normalen Lebensräumen entsprechen. Damit erspart man auch beispielsweise Insekten wie Wildbienen oder Schmetterlingen lange Wege auf der Suche nach dem nächsten Biotop.
Im Kreis sind es vor allem trocken-heiße Lebensräume, die miteinander verbunden werden sollen – auch wenn die Fachleute mit dem Ist-Zustand noch einigermaßen zufrieden sind. Probleme bereiten eher die großen Felder. „Eine Verinselung der Populationen kann zum Artensterben führen, auch weil der genetische Austausch fehlt“, macht Lorenz Flad deutlich. Findet dieser Austausch nicht mehr statt, bereite schon die kleinste Störung im Lebensraum Probleme. „Ist der Genpool eingeschränkt, bleibt die Reproduktionsrate geringer. Bei einer Verbindung der Lebensräume kann sich die Art wieder regenerieren.“
Geplante Maßnahmen
Unterstützung erhalten die Kommunen und der Landschaftspflegeverband von spezialisierten Büros, die die Biotopverbundplanungen erstellen. Pro Gemeinde wird es eine angepasste Zielartenliste geben. Vor allem Insekten wie seltene Wildbienen, Tag- und Nachtfalter, aber auch Heuschrecken sind in unserem Landkreis von Bedeutung. Bei den Feldvögeln nennt Craemer Goldkehlchen, Neuntöter, Wachtel und Rebhuhn.
Der Seilingsberg ist ein schöner Steinriegelhang, der mit Schafen beweidet wird. Im Zuge der Pflege der Trockenhänge wurde er in der 1990er Jahren entbuscht. Das gleiche hat man mit dem gegenüberliegenden Blitzeberg vor. Die Büsche sollen verschwinden und die Landschaft wieder frei werden. Dabei helfen Huftiere, die auch Samen verbreiten. Schon im ersten Jahr werden sich Orchideen zeigen. Es dauert mehrere Jahre, bis sich die Artenvielfalt an Flora und Fauna wieder einstellt. Flad und Craemer wissen: „Wenn die Fläche nicht optimal gepflegt wird, beginnt sie wieder zu verfilzen.“ Dann gehen auch die Pflanzenarten zurück, die als Nahrungsgrundlage für zahlreiche Insektenarten dienen. „Pro Pflanzenart, die ausstirbt, sind zehn Tierarten betroffen“, sagen die beiden Experten.
Die Entbuschung des Blitzebergs bei Gerlachsheim ist eine der Maßnahmen, die in Kürze angegangen wird. Auch am Tauberberg und am Altenberg bei Lauda steht diese Arbeiten an. Am Seilingsberg sollen weitere 40 Ar Fläche für die extensive Beweidung freigelegt werden. Zudem sollen dort Jahrhunderte alte Trockenmauern saniert werden, ebenso wie am Grünsfelder Stammberg oder auch in Lauda-Königshofen. Auch in Grünsfeld ist Beweidung der Flächen geplant. In Wittighausen soll am Vilchbander Grund die Dauerpflege umgesetzt werden. Zudem kümmert man sich um die Feuchtgebiete.
Für Alice Craemer und Lorenz Flad ist wichtig, dass alle an einem Strang ziehen: Naturschützer und Landwirtschaft. Nicht nur Blühflächen, sondern auch eine extensive Landwirtschaft, etwa mit mehrjährigen Brachen, bei denen die Hälfte der Fläche im Wechsel eingesät wird, helfen Fauna und Flora. So könnten Insekten in den Überwinterungsstadien der Pflanzen auf den Brachen überleben. Und Flad betont: „Eine Umwandlung von Acker in Grünland wird den Landwirten vergütet und die Fläche muss nicht nach fünf Jahren umgebrochen werden, um den Ackerstatus zu behalten, wenn der Vertrag über die Landschaftspflegerichtlinie läuft.“
Die Möglichkeiten des Biotopverbunds sind vielfältig, die Planung für die Konzeption fortgeschritten. Nun geht es an die Umsetzung. „Daran werden wir wohl noch Jahrzehnte arbeiten“, so Biotopverbundbotschafterin Alice Cramer.
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