Engagement

Flüchtlinge haben neue Heimat im Pfarrhaus Königshofen gefunden

Das Pfarrhaus in Königshofen ist seit einigen Monaten wieder bewohnt. Junge Flüchtlinge aus Eritrea haben hier eine neue Heimat gefunden.

Von 
Diana Seufert
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Königshofen. Die Arbeit geht Günter Deppisch nicht aus. Der Becksteiner hat zusammen mit seiner Frau Annette im letzten Jahr das alte Pfarrhaus in Königshofen erworben und schafft seitdem Wohnraum für junge Geflüchtete. Derzeit leben fünf Männer dort, die ihr Heimatland Eritrea aufgrund der politischen Situation verlassen haben. Vor allem die Unterdrückung und die Zwangseinziehung vieler junger Männer zum Militär- und Kriegsdienst seien Fluchtgründe, so Deppisch.

„Wir wollten den jungen Männern eine neue Heimat geben“, betont Deppisch, der sich seit mehr als 40 Jahren im Pfarrgemeinderat engagiert. Für ihn gehört die gelebte Nächstenliebe zum christlichen Weltbild. Dass sich die Geflüchteten in Königshofen wohl fühlen, freut ihn sehr. „Sie sollen auf eigenen Beinen stehen“, wünscht er sich. Zwei junge Männer hätten bereits eine eigene Wohnung gefunden, dafür seien zwei weitere eingezogen.

Begonnen hat sein Engagement in der Flüchtlingshilfe durch seine Tochter. Als Lehramtsstudentin hatte sie vor ihrem Referendariat einige Monate frei und half ehrenamtlich bei der Jugendhilfe Creglingen in der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Vor allem die Sprachkurse lagen ihr am Herzen. Fünf Jugendliche als Eritrea haben Günter und Annette Deppisch danach weiterbetreut, sie bei Behördengängen begleitet oder mit ihnen Deutsch gelernt. „Sie haben ihren Abschluss in der Schule gemacht und wir haben ihnen geholfen, einen Ausbildungsplatz zu finden“, erzählt der 67-Jährige voller Stolz, als spräche er über seine eigenen Kinder.

Einziger Interessent für das Haus

Da die Jugendlichen ab einem Alter von 21 Jahren eine neue Wohnung benötigt hatten, machte sich Deppisch mit ihnen an diese Herausforderung. Annoncen in der Zeitung wurden gelesen, bei Immobilienfirmen nachgefragt: „Sobald die Sache konkret wurde, haben aber viele Vermieter einen Rückzieher gemacht“, bedauert der engagierte Christ, der auch bei sich zuhause einen jungen Mann aufgenommen hatte. Da machte Deppisch aus der Not eine Tugend. „Ich wusste, dass das Pfarrhaus in Königshofen zum Verkauf stand.“ Die Seelsorgeeinheit hatte ein Gutachten erstellen lassen, Deppisch war der einzige Interessent für das Gebäude. Er zahlte den angegebenen Kaufpreis – und hatte eine Bleibe für seine Schützlinge.

Seit April 2020 gehört ihm das alte Gebäude direkt neben der Pfarrkirche St. Mauritius, das zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre leer stand. „Wir haben Zimmer für Zimmer umgebaut und die sanitären Anlagen saniert“, erinnert sich Deppisch. Viel Zeit und Geld sei investiert worden, um den jungen Männern ein neues Zuhause zu bieten. Was geht, will man selbst machen, die Gruppe hilft nach ihren Möglichkeiten mit. „Sie können dort wohnen, solange sie möchten“, so der Hausherr. Er weiß, warum er dieses Angebot macht. „Die meisten werden in kleine Zimmer gesteckt und müssen ständig umziehen.“ Nicht erst seit dem Attentat von Würzburg sei dieser Umstand in den Fokus gerückt, wie er erklärt. Innenminister Horst Seehofer hatte im Juni nach der Messerattacke mehr Integration angemahnt.

„Die Jungs“, wie er die Bewohner mit der dunklen Hautfarbe väterlich nennt, „sollen zusammen wohnen und so auch ihr Zusammenhalt gefördert werden.“ Gleichzeitig hat Deppisch ihnen deutlich gemacht, dass den Menschen auch in einem reichen Land wie Deutschland nichts geschenkt werde. Die Hausordnung, die er aufgestellt hat, muss eingehalten werden – und das wird von ihm auch kontrolliert. Dazu kommt auch die Arbeit im großen Pfarrgarten, der von der Gruppe in Schuss gehalten werde. „Sie genießen aber auch ihre Freizeit im Garten und mögen das Obst, das so langsam reif wird.“

Nun soll im Dachgeschoss eine weitere Wohnung entstehen. Der Technische Ausschuss der Stadt Lauda-Königshofen hatte bei seiner jüngsten Sitzung das Einvernehmen für die Baumaßnahme erteilt. Das Ziel von Deppisch ist klar: „Die jungen Männer wollen vielleicht mal eine Familie gründen. Dann wird Platz benötigt.“

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Etwas zurückgeben

Warum engagiert sich das Ehepaar? „Wir hatten die Möglichkeit, in unserem Leben etwas zu erreichen. Uns ist es immer gut gegangen. Das wollen wir nun anderen zurückgeben“, ist die Intension von Günter und Annette Deppischs Einsatz. Der Lohn sei, dass aus den jungen Männern „etwas wird und sie ihren Weg gehen“. Auf dem wollen sie alle unterstützen.

Dass seine Schützlinge im ehemaligen Pfarrhaus und in der Region mehr als nur eine neue Bleibe gefunden haben, freut Günter Deppisch. Und er ist stolz, dass zwei von ihnen nach der Ausbildung sofort von ihren Arbeitgebern übernommen wurden. Ein dritter werde in Kürze fertig und habe bereits die Zusage zur Weiterbeschäftigung. Auch den Führerschein haben schon einige gemacht – und das Geld dafür und für ihr Auto selbst gespart. Auch das hätten sie erst lernen müssen, spricht Deppisch von einer anderen Mentalität. Gefeiert werden solche Meilensteine gemeinsam – nicht nur bei den verschiedenen Treffen, sondern auch in einem eritreischen Restaurant in Heidelberg, das ihnen ein Stück Heimat geben soll.

„Die jungen Männer fassen hier Fuß. Es ist toll nach all dem, was sie in ihrer Heimat und auf der Flucht über das Mittelmeer erlebt haben.“ Er könne sich auch vorstellen, dass einige von ihnen wieder nach Afrika zurückgehen, wenn sich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse verbessert haben. Die meisten haben noch Verwandte und Familie dort.

Deppisch kennt die Situation in der Region, die er schon zusammen mit Pfarrer Ralph Walterspacher und dessen Vater Herbert für die Stiftung „Pro fratre et amico“ besucht hat. Die beiden Geistlichen der Seelsorgeeinheit Lauda-Königshofen sind froh über den Einsatz des Becksteiners. Auch Pfarrer Schretzmann, den Deppisch erst vor wenigen Tagen besucht hat, freue sich, dass ins Pfarrhaus nach seinem Auszug 2014 wieder Leben einkehrt, berichtet der Becksteiner.

Gerne hätte Günter Deppisch den Königshöfern bei einem kleinen Begegnungsfest mit Speisen aus Eritrea den offenen Austausch mit den Neubürgern ermöglicht. Doch Corona hatte einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Ich will die Gruppe im Ort integrieren und zeigen, dass sie ganz normale junge Leute sind.“

Redaktion Hauptsächlich für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim im Einsatz

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