Reportage

Wenn Fastnacht anstrengend ist, aber trotzdem Spaß macht

Die FN haben das Hardheimer Ritterpaar begleitet und erfahren, dass hinter Fastnacht nicht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit steckt. Die närrischen Belastungen von Lisa und Steffen Gehrig erfahren in diesen Tagen, so oder ähnlich, alle Prinzenpaare im Narrenring Main-Neckar.

Von 
Michael Fürst
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Angesprochen: Bei fast jedem öffentlichen Auftritt gibt das Hardheimer Ritterpaar Lisa und Steffen Gehrig ein eigens getextetes Sprüchchen zum besten. Hier wird beim Kappenabend in Steinfurt keck gereimt. Das Ritterpaar ist in diesen Tagen im Dauereinsatz. © Michael Fürst

Hardheim. Jetzt macht Steffen Gehrig doch mal dicke Backen – so um kurz nach 22.30 Uhr. Als er sich an diesem Abend zum vierten Mal umzieht, hat sich bei der Hose irgendetwas verwurstelt. Leicht genervt verzieht er das Gesicht – und entwurstelt die Hose. Im engen Feuerwehrgerätehaus von Steinfurt ändert er gerade wieder seine Rolle. Vom Ritter Wolf wird er zum Tänzer der „Erftalhüpfer“, dem Hardheimer Männerballett. Und das zum zweiten Mal an diesem Abend. Vor wenigen Minuten noch hat er zusammen mit seiner Frau Lisa, alias „Margarethe von Hardheim“, beim hiesigen Kappenabend ein keck gereimtes Grußwort gehalten. Und in 20 Minuten steht der Auftritt des Männerballetts an. Puh!

Doch das ist noch lange nicht alles: Vor diesem Doppelauftritt in Steinfurt war das Ritterpaar zusammen mit Wolfgang „Sloggy“ Seeber und Silke Malcher als Abordnung der FG „Hordemer Wölf“ beim Empfang der FG „Götzianer“ Hettigenbeuern vor deren Prunksitzung zugegen. Zwei, drei Termine an einem Freitag- und/oder Samstagabend – das ist für Lisa und Steffen Gehrig in den vergangenen Wochen zum närrischen Normalpensum geworden. Doch das Hardheimer Ritterpaar ist nicht allein auf weiter Flur.

Angeschrieben: „Wo sind meine Leut’ vom Männerballett? Gleich geht’ los!“ © Michael Fürst

Es steht stellvertretend für sämtliche Prinzenpaare des Narrenrings Main-Neckar. Sie sind nicht erst ab heute, dem Schmutzigen Donnerstag, voll gefordert, wenn es ins fastnachtliche Finale geht. Bei ihrer Brauchtumspflege erleben sie: Aktiver Fastnachter sein, heißt nicht nur „lustig, lustig, trallalalala“. Nein, es ist mitunter harte Arbeit –- manchmal bis zur körperlichen Erschöpfung.

Denn es ist ja bei Weitem nicht so, dass Steffen und Lisa Gehrig in diesen Tagen nur und ausschließlich als Ritter Wolf und seine Margarethe unterwegs sind. Nein. Steffen ist, wie eingangs bereits ersichtlich, seit acht Jahren auch aktiver Tänzer im Männerballett „Erftalhüpfer“. Und Lisa, früher selbst grazile Gardetänzerin, ist seit vielen Jahren schon zusammen mit Corinna und Lena Beyer Trainerin der Schautanzgruppe der „Hordemer Wölf“. Volle Lotte Fastnacht. In doppelter Doppelmission sozusagen. Training, Auftritt, Training, Training, Auftritt, Auftritt. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Ach so ja, und einen Beruf hat man ja auch noch –- den der Ritter sogar im Dreischichtbetrieb ausübt. Steffen Gehrig muss die Bedeutung des Wortes Schlaf in diesen Tagen im Duden nachschlagen… Er hat sie kurzzeitig vergessen.

Sie fühlen sich geehrt

„Wir haben schon gewusst, was da auf uns zukommt. Aber als wir gefragt wurden, haben wir eigentlich nicht mit der Zusage gezögert. Man fühlt sich geehrt, wenn man gefragt wird, ob man das Ritterpaar machen möchte“, erzählt Lisa Gehrig. Es war ein Sonntag im Oktober, als FG-Präsident Daniel Weber und FG-Vorsitzender Michael Grimm mit einer Flasche Sekt vor der Haustüre standen. Den Gehrigs war schnell klar, warum die beiden Ehrenämtler kamen. Mit ihrer spontanen Zusage haben sich Steffen und Lisa Gehrig aber auch schon weit aus dem Fenster gelehnt. Sie wussten nämlich, dass die „doppelte Doppel-Fastnacht“ nur dann möglich ist, wenn sich nicht nur deren beide Eltern, sondern auch Freunde und Verwandte bereiterklären würden, umfangreich bei der Kinderbetreuung zu helfen. Emma ist fünf Jahre alt, Brüderchen Lio anderthalb. Die beiden sind ja auch noch da.

Abgetanzt: Steffen Gehrig beim Männerballett in Aktion. © Michael Fürst

Und der Kleine war an einem Mittwochabend Anfang Februar recht verstört, als Ausgewählte aus Familie und Freundeskreis im Haus eintrafen, um das eigens gedichtete Lied für die Hardheimer Prunksitzung („Atemlos – Fasenacht!“) abzunehmen. Steffen Gehrig hatte sich nach seiner ritterlichen Zusage nämlich zum Ziel gesetzt: „Da muss etwas Besonderes her. Wir wollen der erste singende Ritterpaar sein.“ Also schwang er sich an jenem Abend die Gitarre um den Hals und trällerte zusammen mit Frau Lisa sowie den Pagen Celina Ebert und Tochter Emma sein Liedchen. Lio fing das Plärren an und klammerte sich an Mamas Beine. „Was soll das denn?“, mag der verängstigte Junior gedacht haben. Aber nicht lange. Bei der dritten Wiederholung wippte er schon locker im Takt mit. Der Fastnachtsvirus hatte auch den Dreikäsehoch infiziert. Seine Schwester war da schon weiter: „Ich freue mich, wenn ich das erste Mal bei einem Umzug im Ritterwagen stehen darf“, sagte Emma damals. Ihre funkelnden Augen verrieten ihr Wohlgefühl. Jüngst, beim Umzug in Schweinberg, ging der Traum dann in Erfüllung. Und, ach so, natürlich: Die Kleine tanzt auch noch in der Bambini-Garde der „Wölfe“. Fastnacht total bei den Gehrigs.

Die gesangliche Generalprobe für die wahre Generalprobe der Hardheimer Prunksitzung war aber nicht das einzige Mal, dass sich die Fastnacht aktiv im Hause der Gehrigs breit machte. In Ermangelung von Gastronomie im Erftalort kam es immer wieder vor, dass nach Veranstaltungen, bei denen die „Hordemer Wölf“ mitgewirkt hatten, zu später Stunde Einkehr beim Ritter Wolf und seiner Margarethe gehalten wurde. Nach der Narrenringsitzung in Hainstadt bevölkerten etwa 40 Fastnachter Küche, Wohn- und Esszimmer. Wo sich andere schützend vor ihre Einrichtung gestellt hätten, damit ja nichts zu Bruch geht, stimmte Ritter Wolf eine „Humba“ an. Alle hüpften. Der Estrich bebte. „Es sind nur zwei Gläser kaputt gegangen“, lautete Steffen Gehrigs nüchterne Bilanz am Tag darauf.

Abgeordnet: Das Ritterpaar der „Hordemer Wölf“ beim Empfang der FG „Götzianer“ in Hettigenbeuern. Deren Präsident Steffen Farrenkopf (l.) freut sich über den Besuch. © Michael Fürst

Ein Glas in Form einer Bierflasche wird dem Ritter Wolf auch in Steinfurt gereicht, nachdem er die Hose entknotet hat und sein Männerballettkostüm angelegt ist. Der Schluck Gerstensaft tut gut. Zu Beginn dieses Abends hatte Opa Elmar die Kinder abgeholt. Die Täschchen waren fein gerichtet, abgesprochen die Abhol- und Übergabezeiten am nächsten Tag. So eine Kampagne als Ritterpaar-Trainerin-Tänzer mag genauestens organisiert sein. Doch was bringt sämtliche Planung, wenn dann einer aus der Familie krank wird? Und dann der nächste. Und so weiter. Auch das geschah. Alle vier lagen ein paar Tage flach. Deshalb bekommt Opa Elmar auch noch erklärt, wann die Kinder welches Medikament einnehmen müssen.

Dann geht es los: Silke Malcher, eine erfahrene Abordnungs-Auto-Lenkerin, fährt gen Hettigenbeuern. Von Stimmung im Auto kann da keine Rede sein. Es herrscht Ruhe. Konzentration statt Konfetti-Gebrabbel. „Weiß jemand, wo die Halle ist?“, durchbricht Silke Malcher das traute Schweigen. „Am Sportplatz“, brummt Ritter Wolf.

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Beim Empfang der „Götzianer“ verstärkt die Hardheimer Abordnung das FG-Ehrenmitglied Wolfgang „Sloggy“ Seeber. Er hat ein paar schmissige Worte parat. Ritter Wolf dieses Mal nicht so viele. Vielleicht liegt das auch daran, dass der Sauerstoffgehalt in dem kleinen Räumchen, in dem sich 17 mehr oder minder große FG-Abordnungen versammelt haben, gen null gesunken ist. Ein Sektchen belebt da die Geister. Steffen Gehrig schaut nervös auf sein Handy. Gleich sind die „Erftalhüpfer“ dran, und die Jungs noch nicht da. Es wird doch nicht… Nein, alles in Butter. Die Männertänzer kommen rechtzeitig, und nachdem sich Gehrig vor wenigen Stunden bereits vom Zivilisten zum Ritter Wolf gemacht hat, zieht er sich nun rasch ein zweites Mal um. Nach dem gelungenen und mit einer „Applaus-Rakete“ bedachten Auftritt schlüpft er dann wieder zurück in die Ritter-Klamotten. Ab ins Auto. Ortswechsel.

Stimmung im Auto

31 Minuten dauert die Fahrt von Hettigenbeuern nach Steinfurt. Und die ist schon deutlich stimmungsvoller als die „Gurkerei“ ins Morretal. Silke Malcher lässt die Fastnachtsstimmungslieder über ihre Auto-Lautsprecherboxen donnern. Alle singen mit. Fastnacht kann anstrengend sein, aber sie macht trotzdem immer wieder Spaß.

Auf dem Kappenabend werden die Gehrigs schon erwartet. Auf rotem Teppich schreiten sie auf die Bühne und geben ihr wohlgereimtes Grußwort zum Besten. Den Leuten gefällt’s. Und dann wieder raus aus dem Veranstaltungsraum. Es folgt das vierte Umziehen des Abends, das mit der verknoteten Hose. Lisa „Margarethe“ Gehrig steht ein paar Meter daneben. Die Textil-Probleme ihres Gatten kriegt sie gar nicht mit. Sie schnackt und scherzt nämlich intensiv mit FG-Mitgliedern. Sie ist erleichtert, dass das Grußwort geklappt hat. „Man bekommt mit jedem Auftritt ein bisschen mehr Routine. Nervös ist man aber trotzdem jedes Mal“, sagt sie.

Applaudiert: Auch Tochter Emma ist begeistert von Papas Tanzeinlagen. © Michael Fürst

Auch der zweite Ballett-Auftritt gelingt. Zur Belohnung kredenzen die Trainerinnen Daniela Jodlowski und Sandra Erhard ihren Tänzern ein Schnäpschen. Dann zieht sich Steffen Gehrig wieder um. Das fünfte Mal an diesem Abend. Und in der Kluft des Ritter Wolf geht es zusammen mit seiner Margarethe und den Hardheimer FG-Narren dann noch kurz in die Bar. Man muss sich schließlich auch da mal sehen lassen. Aber nicht zu lang, denn morgen früh muss Lisa Gehrig schon wieder mit ihrer Schautanzgruppe los. Nachdem Silke Malcher das Ritterpaar um kurz vor 1 Uhr eingesammelt hat und alle recht müde heimwärts fahren, kommt die alles entscheidende Frage: „Würdet ihr das noch einmal machen?“ Die Antworten fallen knapp aus: „Freilich“, sagt der Ritter. „Auf jeden Fall“, schießt es aus Margarethe heraus.

Vermutlich würde die Antwort bei sämtlichen Prinzenpaaren des Narrenrings ähnlich ausfallen….

Ressortleitung Reporterchef und Leiter der Sportredaktion

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