Hardheim. Seit einigen Wochen müssen Schülerinnen und Schüler des Walter-Hohmann-Schulverbunds ihre Handys vor Unterrichtsbeginn abgeben. Im Interview mit den Fränkischen Nachrichten erklärt Rektor Steven Bundschuh, warum er das Verbot ausgesprochen hat und was die Schüler inzwischen davon halten.
Herr Bundschuh, seit Anfang Dezember gilt im Walter-Hohmann-Schulverbund in Hardheim ein Handyverbot für die Schülerinnen und Schüler. Wie lange bleibt das noch bestehen?
Steven Bundschuh: Das Handyverbot bestand schon vorher. Nur haben wir nun zu noch strengeren Maßnahmen gegriffen. Diese bleiben nun konstant so bestehen. Es wird sich nichts daran ändern.
Wie wird das Verbot konkret gehändelt?
Bundschuh: Vor der ersten Stunde werden alle Handys und Smartphones von der Lehrkraft eingesammelt und nach Klassen sortiert bei der Schulleitung gelagert. Am Ende des Unterrichtstages werden die Handys von der Lehrkraft wieder im Sekretariat geholt und ausgegeben. Unser Ziel ist es, dass jeder Schüler schon bald ein Handyschließfach erhält und es dort morgens einschließen und mittags wieder herausholen kann.
Mit welchen Konsequenzen hat ein Schüler zu rechnen, wenn er jetzt mit dem Handy erwischt wird?
Bundschuh: Aktuell muss er nachsitzen oder einen Sozialdienst leisten, zum Beispiel als Hilfe für den Hausmeister. Aber, und da klopfe ich dreimal auf Holz, es waren bisher nur vier oder fünf Schüler von 300 Realschülern, bei denen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden mussten.
In Ihrem Brief an die Eltern, in dem Sie Ende November das Verbot angekündigt haben, schrieben Sie, dass „die aktuelle Situation so nicht mehr tragbar“ sei. Was konkret meinen Sie damit?
Bundschuh: In der jeder kleinen Pause haben wir sehr viele Schülerinnen und Schüler wahrgenommen, die heimlich versucht haben, ihr Handy in irgendeiner Form zu nutzen, obwohl das laut Schulordnung ausgeschaltet in der Schultasche sein müsste. Klar wissen wir, dass das immer wieder versucht wird. Doch es war nicht mehr tragbar, dass viele Schüler nur noch von dem Gedanken getragen waren: Wann kann ich wieder heimlich auf mein Handy schauen? Die Schülerinnen und Schüler sollen sich in den Pausen mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern unterhalten, Sachen für die nächste Stunde richten und Zeit miteinander verbringen.
Es wurden Bilder aus Umkleidekabinen und Toiletten verbreitet.“
In dem Brief steht zudem, dass Bild- und Videoaufnahmen aus Klassenzimmern, aus Umkleidekabinen und Toiletten online kursierten. Bewegten sich da einige Schülerinnen und Schüler, wissend oder unwissend, schon im kriminellen Bereich?
Bundschuh: Ja. Es wurden Sprachmemos von Lehrkräften gemacht und weitergeleitet. Es wurden Bilder aus Umkleidekabinen, Klassenzimmern, Toiletten oder der Mensa verbreitet – und das, obwohl die Nutzung des Handys während des Unterrichts untersagt ist. Viele Bilder waren verletzend, so dass es in Einzelfällen schon fast in den kriminellen Bereich ging.
Wie kam die Entscheidung zustande, dass die Schülerinnen und Schüler in Hardheim ihre Handys tatsächlich abgeben müssen? Haben Sie das allein entschieden und brauchten Sie dazu die Mehrheit der Schulkonferenz?
Bundschuh: Wir haben das im Kollegium besprochen und diskutiert. Die Entscheidung habe ich dann Kraft meines Amtes getroffen. Dieser Weg ist für mich ganz klar der sinnvollste für unsere Schülerinnen und Schüler. In Baden-Württemberg gilt die Verordnung, dass jeder sein Handy in die Schule mitnehmen darf, damit man auf dem Schulweg die Eltern erreichen kann. Was dann in der Schule passiert, ist unsere Sache. Aber wir stellen natürlich schon immer sicher, dass die Kinder jederzeit ins Sekretariat kommen können, um, falls nötig, mit den Eltern Kontakt aufzunehmen.
Wie waren die Reaktionen der Eltern und Schüler darauf?
Bundschuh: Es gab einige sachliche Nachfragen, sowie Reaktionen pro und kontra. Unsachliche Reaktionen gab es kaum. Auch das zeigt uns, dass wir richtig gehandelt haben.
Waren die Reaktionen der Eltern oder der Schüler heftiger?
Bundschuh: Die Schülerinnen und Schüler waren anfangs natürlich nicht glücklich darüber, aber mittlerweile haben sie die Situation und die Problematik realisiert und ich meine, auch sie finden diesen Schritt tatsächlich richtig. Auch alle Reaktionen unserer Eltern konnten besprochen werden.
Lassen die Schülerinnen und Schüler ihr Handy nun auch mehr daheim oder bringt doch noch jeder seines mit?
Bundschuh: Mehr und mehr Schülerinnen und Schüler lassen ihr Handy tatsächlich daheim. Das finde ich sehr erfreulich. Selbst in der zehnten Klasse hat nicht jeder sein Handy dabei.
Haben Sie sich mit anderen Rektoren-Kollegen im Vorfeld des Verbots über die Situation ausgetauscht?
Bundschuh: Nein. Ich glaube, dass man bei gewissen Themen auch mal selbst entscheiden und Maßnahmen ergreifen muss. Und ich bin der Überzeugung, dass dieser Weg hier in Hardheim der richtige ist.
Wir sprechen von einer mehr und mehr digitalisierten Welt auf der einen Seite. Auf der anderen Seite verbietet man Schülern die Handynutzung während der Schulzeit. Welche Haltung haben Sie in diesem Konflikt?
Bundschuh: Wir haben in der fünften und sechsten Klasse das Fach „Medienbildung“ und gehen dort alle relevanten Themen diesbezüglich an – obwohl dieses Fach in der Art nicht verpflichtend ist zu unterrichten. Für Recherchen können wir hier im Hardheimer Schulzentrum jederzeit die zwei PC-Räume, Convertibles oder Tablets nutzen. Die Schülerinnen und Schüler brauchen dazu also nicht zwingend ihr Handy.
Im Kollegium? Natürlich wissen alle um ihre Vorbildfunktion.“
Wie ist die Meinung im Lehrerkollegium zum Handyverbot? Die Lehrer sollten ja Vorbilder sein und können beispielsweise nicht mit gezücktem Handy über den Gang schlendern?
Bundschuh: Natürlich wissen alle um ihre Vorbildfunktion. Ich kann konkret für mich sprechen: Ich nehme mein Smartphone nie mit in den Unterricht. Natürlich gibt es Lehrkräfte, die ihr Handy im Unterricht nutzen – aber das dann ausschließlich für Unterrichtszwecke, und das dürfen sie auch.
Wir sprechen beim Thema Handyverbot wieder von einer Situation, die von außen, quasi als zusätzlicher Erziehungsauftrag in die Schulen hineingetragen worden ist. Ist die Anleitung für eine korrekte und verantwortungsvolle Handynutzung nicht eigentlich Sache der Eltern?
Bundschuh: Wir leben doch in einer Zeit, in der wir Eltern unsere Kinder überbehüten. Da nehme ich mich als jungen Familienvater nicht aus. Aber das gilt nach meiner Wahrnehmung vor allem für die analoge Welt. Sobald das Kind aber ein Smartphone hat, lassen viele es allein damit. Doch wir müssen Nutzungszeit und Inhalte beobachten und das, was das Kind dort eigentlich macht. Das ist schwer, weil oft beide Elternteile arbeiten. Aber es ist definitiv in erster Linie Sache von uns Eltern, die Kinder in Sachen Handynutzung gut anzuleiten und zu führen.
Hat die Schule überhaupt keine Verantwortung oder nur die, dass die Handys „richtig“, also vor allem für Recherchezwecke, eingesetzt werden?
Bundschuh: Es ist auch unsere Aufgabe, den richtigen Umgang zu schulen. Eltern und Schule – jeder muss für seinen Part verantwortlich sein, und am besten müssen beide Seiten korrelieren. Kürzlich hatten wir dazu auch einen Informationsabend für Eltern.
In den Pausen wird mehr miteinander gesprochen. Das ist sehr positiv.“
Haben Sie seit dem Handyverbot schon einen verbesserten sozialen Umgang der Schüler untereinander ausgemacht?
Bundschuh: Das kann man pauschal nicht sagen. Die Rückmeldung der Lehrer ist aber die, dass sie ein anderes, ein positiveres Raumklima im Unterricht wahrnehmen. In den Pausen wird mehr miteinander gesprochen. Das ist sehr positiv.
Dann müsste man das Handyverbot ja gar nicht mehr rückgängig machen…
Bundschuh: Ja, das stimmt. Wir werden das nicht ändern.
Dann könnte Hardheim in dieser Sache eine Art Vorreiterrolle zu spielen.
Bundschuh: Darum geht es mir in keiner Weise. Mir geht es vielmehr darum: Ich bin der Überzeugung, dass diese Vorgehensweise jetzt der richtige Weg für unsere Kinder hier an der Schule ist. Das Handy muss weg sein, damit sich die Schülerinnen und Schüler unterhalten, spielen und auf die nächste Stunde vorbereiten können. Und: Es ist durch Studien nachgewiesen, dass sich die Anzahl der psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zugenommen hat. Das liegt nach meiner Überzeugung auch an dem Zwang, dauernd online und erreichbar sein zu müssen, dauernd die neuesten Videos schauen zu müssen. Das macht einen doch fertig – einen Erwachsenen und einen Jugendlichen sowieso. Im Gehirn verkümmern die Bereiche, in der es um soziale Kontakte geht. Und wenn Kinder erst einmal krank sind, ist es schon zu spät. Es darf gar nicht so weit kommen.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Handyverbot: Vorbilder fehlen