Hardheim. Als die Sitzung im Gasthaus „Zum Ochsen“ beginnt, erhebt sich Fritz-Peter Schwarz von seinem Platz. Er zuppelt sein Sakko zurecht und sagt: „Liebe Kollegin und liebe Kollegen, ich begrüße euch zu unserer Sitzung im April!“ Er macht die Gekommenen mit der Tagesordnung vertraut und setzt sich wieder. „Hat ganz schön Stil“, denken sich die beiden FN-Vertreter, die dieses Mal an der Zusammenkunft ehemaliger Hardheimer Gemeinderäte teilnehmen dürfen. Ganz so etikettiert bleibt es nicht. Das Treffen gewinnt von Minute zu Minute an Lockerheit. Nun, schließlich heißt die Zusammenkunft ja offiziell auch: kommunaler „Stammtisch“.
Und das verbirgt sich dahinter: Der kommunale Stammtisch ist ein loser Zusammenschluss von Altgemeinderäten, die mindestens zwei Wahlperioden, also zehn Jahre, Gemeinderat waren. „Scheiden Gemeinderäte, die die Vorgaben erfüllen, aus dem Gemeinderat aus, werden sie von uns eingeladen. Wenn einer nicht möchte, wird das akzeptiert. Das kommt aber ganz selten vor“, erklärte Klaus Rubel schon im Vorfeld der Veranstaltung Ende April. Das erste Treffen fand auf Initiative von Alt-Bürgermeister Heribert Fouquet, Fritz-Peter Schwarz, Josef Ruppert und Klaus Rubel am 13. März 2016 im „Ochsen“ statt. Seither traf man sich über 55 Mal. „Wir sind kein Gegenpart zum aktuellen Gemeinderat und tragen unsere Diskussionsergebnisse auch nicht an das derzeitige Gremium“, informierte Rubel und fügte an: „Wir diskutieren über allgemeine Themen, aber auch über Gemeindethemen.“
Alt-Gemeinderäte üben Kritik an der „Ampel“-Politik
So auch an jenem Mittwoch, an dem die FN-Redakteure mit von der Partie sind. Los geht es mit der Bundespolitik. Die meisten äußern ihr Unverständnis über das Regieren „der Ampel“. Nun, das überrascht nicht ganz, denn traditionsgemäß stellen die CDU-Gemeinderäte die größte Fraktion in den Hardheimer Gremien – also dann logischerweise auch bei den Alt-Gemeinderäten… Frotzeleien der „Andersparteilichen“ bleiben nicht aus. Man kennt sich. Es wird viel gelacht.
Der kommunale Stammtisch der Alt-Gemeinderäte
- Seit der Gründung im März 2016 hielt der kommunale Stammtisch über 55 Sitzungen ab. Abwechselnd tritt man sich sich in Hardheim, Schweinberg und Bretzingen.
- Immer wieder treffen sich die Alt-Gemeinderäte zu Führungen oder Besichtigungen. So haben sie unter anderem das Hardheimer Krankenhaus, das Geriatriezentrum in Walldürn, die Verbandskläranlage und verschiedene Firmen wie Eirich, Leiblein und Göbes besucht.
- Das frühere CDU-Führungsteam um Klaus Rubel, Josef Ruppert und Fritz-Peter Schwarz teilt sich die Arbeit auf. Rubel kümmert sich um die Organisation und Einladung, Ruppert um die Tagungsstätte und Schwarz übernimmt die Begrüßung bei den Treffen.
- Diese Alt-Gemeinderäte waren beim kommunalen Stammtisch Ende April dabei: James Bachmann, Annette Berberich; Bertram Beuchert, Helmut Bopp, Erich Dörr, Torsten Englert, Arnold Knörzer, Willi Klindworth, Willibald Mohr, Klaus Rubel, Josef Ruppert, Fritz-Peter Schwarz. mg
Bei der Diskussion fällt auf, dass die Gesprächskultur eine andere ist als heute. Die Alträte haben sich „ihre“ Redeweise bis heute bewahrt. Es ist eine interessante Zeitreise: Meinungen werden klar und deutlich artikuliert und dann auch vertreten, intensive Widerworte werden geduldet. Anders als heute, wo die meisten Diskussionen auf kommunaler Ebene doch von stets (vorgegaukelter) Harmonie getragen werden. „Wir hatten aber noch nie Streit“, sagt Fritz-Peter Schwarz. Es geht um die Sache. Manchmal wird es dabei auch laut, doch das liegt weniger an den massiven Meinungsverschiedenheiten, sondern eher am Alter – manche der Alt-Gemeinderäte haben nämlich mit der Schwerhörigkeit zu kämpfen.
Das sagen die Alt-Gemeindeäte zu drei brisantesten Hardheimer Themen
Rasch geht es dann von der Bundes- zur Kommunalpolitik. Die FN fragen nach den brisantesten Themen in der Erftalgemeinde:
Erfapark: Auf die Frage, ob das denn noch was werde, nach der Insolvenz des Investors Schoofs Immobilien GmbH Frankfurt, schütteln fast alle ehemaligen Gemeinderäte mit dem Kopf. „Die Schilder an den Bauzäunen am neuen Rewe- und Aldi-Markt wurden mittlerweile abgehängt“, begründet Helmut Bopp sein Kopfschütteln. Man hätte erst anfangen sollen, wenn alle Genehmigungen da gewesen wären, ist Klaus Rubel überzeugt. Er denkt deshalb, dass aus der Revitalisierung nichts mehr werde. Fritz-Peter Schwarz hingegen ist als einer von wenigen optimistisch: „Der Investor hat so viel Geld investiert, um an das Gelände zu kommen. Trotz des laufenden Verfahrens geht es ja in kleinen Schritten voran, wie man in Mosbach und Amorbach gesehen hat. Deshalb wird das Projekt Erfapark – sofern sich ,Schoofs’ insgesamt wieder fängt – 2025 abgeschlossen sein.“
„Tempo 30“ in der Ortsdurchfahrt: Helmut Bopp ist als direkter Anwohner an der Wertheimer Straße im Ortskern täglich vom Verkehrslärm betroffen. Er ist für eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 Kilometer pro Stunde – von 20 bis 6 Uhr. „Diese Version sollte die Gemeinde favorisieren“, ist er überzeugt. Tagsüber könnte man kaum 50 Stundenkilometer auf der B 27 fahren. „Der Verkehrsfluss am Tag regelt sich sowieso automatisch. 30 Stundenkilometer würde da tagsüber für noch mehr Chaos sorgen“, meint Helmut Bopp. Diese Meinung teilen auch fast alle Alt-Gemeinderäte – nicht aber Arnold Knörzer. „Zwischen 30 und 50 Stundenkilometer ist kaum ein Unterschied hörbar.“ Für ihn seien die Folgen, die eine Temporeduktion mit sich ziehen würde, drastischer. Beispielsweise würden sich Busfahrpläne ändern, und man bräuchte mehr Busfahrer, um die längeren Fahrzeiten abzudecken. „Die ganze Diskussion um die Geschwindigkeitsbegrenzung macht nur Sinn, wenn sie auch kontrolliert werden“, fasst Josef Ruppert zusammen.
Krankenhaus: Um die Zukunft des Hardheimer Krankenhauses ist einigen Alt-Gemeinderäten bange. „Man muss das richtig definieren“, sagt Torsten Englert. „Es wird in zehn Jahren kein Krankenhaus mehr im Sinne eines Krankenhauses sein“, ist er überzeugt. Der Begriff Ärztehaus oder Nahversorgungszentrum treffe es besser. „Hardheim wird sicher nicht das bleiben, was es derzeit ist“, drückt es Fritz-Peter Schwarz aus. Er hoffe und kämpfe dafür, dass das Krankenhaus bleibe. „Es wird aber in anderer Form erhalten bleiben“, ist er überzeugt.
Die Diskussion ist lebhaft, immer wieder kommen neue Themen und Ideen zur Sprache. Zwischendrin wird auch viel gelacht. Aber wo sehen die ehemaligen Kommunalpolitik noch Potenzial in Hardheim? „In den Ortsteilen gibt es noch so viel alte Bausubstanz, die nicht mehr genutzt wird. Hier wäre eine Innerortssanierung sinnvoll, die von der Politik unterstützt wird“, erklärt Josef Ruppert. Potenzial sieht Helmut Bopp im alten Feuerwehrgerätehaus, sobald die Feuerwehr in ein neues Gebäude umgezogen ist. „Da könnte man eine Art Bürgerzentrum daraus machen“, so seine Idee.
Der Abend dauert deutlich länger als geplant. Die Alt-Gemeinderäte sind in ihrem Element und es zeigt sich, über welch großen Erfahrungsschatz sie verfügen – einen Erfahrungsschatz, der gewiss auch heute Hilfestellungen geben könnte...
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