Hardheim. Herr General Breuer, als Sie am vergangenen Mittwoch um 18.45 Uhr über Ihrer ehemaligen Kaserne in Hardheim eingeschwebt sind: Was haben Sie da gedacht?
General Carsten Breuer: Ich hatte sofort die Bilder meiner Zeit als Bataillonskommandeur hier in Hardheim vor Augen. Ich bin an einem dieser Tag vor inzwischen 18 Jahren mit einem Hubschrauber aus der Kaserne zur Erkundung geflogen. Dazu standen die Geparden alle aufgereiht auf dem Übungsplatz – das war ein bewegendes Bild. Die Geparden habe ich jetzt vermisst (lacht), aber ansonsten hat sich mit diesem Flug für mich ein schöner Kreis geschlossen.
Was empfinden Sie, wenn Sie an Ihre Dienstzeit als Kommandeur des Panzerflugabwehrkanonenbataillons 12 in der Hardheimer Carl-Schurz-Kaserne denken?
Breuer: Ich empfinde eine große Dankbarkeit. Es war eine interessante und fordernde Zeit. Aber es war vor allem eine Zeit, die mich mit der Region und den Menschen tief verbunden hat. Deshalb habe ich auch die Möglichkeit eines Vortrages im Schulzentrum Hardheims gern ergriffen. Wir haben damals viel gemeinsam bewegen können, auch weil ich von den Menschen hier immer Verständnis und Unterstützung für die Belange der Bundeswehr erfahren habe. Das war damals so, und das ist auch heute der Fall für die Soldatinnen und Soldaten, die hier ihren Dienst tun. Hardheim ist schon etwas Besonderes.
Inwiefern?
Breuer: Die Hardheimer stehen für unsere Streitkräfte ein. Das habe ich immer wieder gemerkt – von den Bürgermeistern, über den Gemeinderat bis hin zum BdS (Anm. d. Red.: Bund der Selbstständigen), der sich durch tolle Aktionen eingebracht hat. Und das in bewegten Zeiten: Ob die Zeichen auf Schließung oder Nicht-Schließung des Standorts standen, das Flugabwehrbataillon raus, die SOCC-Kompanie rein, das Panzerbataillon rein – immer stand die Bevölkerung hinter ihrer Bundeswehr. Die Soldatinnen und Soldaten erfahren in der Region eine hohe Wertschätzung. Mit der Stationierung des Panzerbataillons 363 ist der Standort jetzt so stabil, wie er sein muss.
Gibt es etwas, was Sie hier in Hardheim gelernt, mitgenommen oder erfahren haben, was Ihnen heute in der Funktion als Generalinspekteur noch dient und hilft?
Breuer: Ja. Ich habe hier gesehen, wie fest eingebettet Streitkräfte in der lokalen Bevölkerung sein können. Das war für mich ein besonderes Merkmal meiner Zeit in Hardheim. Für die Aufgaben, die jetzt auf die Bundeswehr zukommen, ist dieser Zusammenhalt umso wichtiger. Wenn wir über Kriegstüchtigkeit und eine wehrhafte Gesellschaft sprechen, dann ist ein wesentlicher Gesichtspunkt der Zusammenhalt von Militär und Zivilgesellschaft. Das haben wir im Zuge vieler Katastropheneinsätze oder während der Corona Pandemie bereits erlebt. Jetzt sind wir für unseren Verteidigungsauftrag darauf angewiesen, dass wir Unterstützung auch aus den Kommunen erhalten.
Im Rahmen dieses Verteidigungsauftrags war das Hardheimer Panzerbataillon 363 nun in Litauen. Wie beurteilen Sie dessen Einsatz dort?
Breuer: Der Einsatz in Litauen ist aus sicherheitspolitischer Perspektive kaum zu überschätzen und das Hardheimer Bataillon hat Beeindruckendes geleistet. Ich beurteile den zurückliegenden eFP-Einsatz nicht nur auf der Grundlage von Berichten. Ich selbst konnte mir vor Ort in Litauen ein Bild machen. Das Panzerbataillon 363 hat sich in hervorragender Art und Weise präsentiert. Die Soldatinnen und Soldaten haben mit ihren Übungen überzeugend Präsenz an der Nato-Ostflanke gezeigt. Sie sind professionell an den Auftrag herangegangen und haben jedem potenziellen Aggressor bewiesen, dass wir es ernst meinen. Gleichzeitig war das Bataillon ein guter Botschafter in die litauische Gesellschaft hinein. Das haben mir auch der litauische Staatspräsident und der Verteidigungsminister bestätigt. Sie waren beeindruckt davon, wie „363“ seine Aufgabe gemeistert hat – wie natürlich auch alle übrigen deutschen Soldaten.
Hat sich das Bataillon für weitere internationale Aufgaben empfohlen, vielleicht auch mit Blick auf die deutsche Brigade, die in Litauen aufgestellt werden soll?
Breuer: Das Bataillon hat seine Visitenkarte in Litauen abgegeben und einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Die Kernbataillone für die Aufstellung der Brigade Litauen sind bereits festgelegt. Es handelt sich um das Panzergrenadierbataillon 144 aus Oberviechtach und das Panzerbataillon 203 aus Augustdorf. Sie bilden den Nukleus, dazu kommen weitere Truppenteile und zum Teil Neuaufstellungen. Ich kann mir aber nach meinen Gesprächen hier mit den Soldatinnen und Soldaten durchaus vorstellen, dass der eine oder andere wieder nach Litauen gehen will, weil die Zeit für ihn oder sie so bereichernd war.
Gibt es in Deutschland für diese neue Brigade überhaupt genügend Soldaten?
Breuer: Ja. Anfang April soll das Vorkommando dieser Brigade mit 21 Soldatinnen und Soldaten nach Litauen verlegen. Zum vierten Quartal wird das Vorkommando zu einem Aufstellungsstab anwachsen. Dieser Aufstellungsstab umfasst 118 Dienstposten, von denen vor zwei Wochen bereits 113 besetzt werden konnten. Und: Wir hatten über 900 Bewerbungen. Die ersten Soldatinnen und Soldaten des Aufstellungsstabes werden dann auch mit Familien nach Litauen ziehen.
Sie haben die Zuhörer Ihres Vortrags in Hardheim mit der Frage konfrontiert: „Können wir Krieg?“ (Anm. d. Red.: Wir berichteten am 22. März). Sie selbst haben die Aufgabe so beantwortet: „Ja, die Soldaten können Krieg, wenn sie den Auftrag dazu erhalten.“ Wie meinen Sie das konkret?
Breuer: Wenn ich gefragt werde, ob wir Deutschland verteidigen können, dann beantworte ich das mit einem klaren Ja. Wir würden im Bündnis mit dem Personal und der Ausstattung in den Kampf gehen, über die wir derzeit verfügen. Wir werden jeden Meter des Nato-Territoriums verteidigen, und zwar so, dass Putin erst gar nicht auf die Idee kommt, unser Gebiet anzugreifen. Und wir würden diesen Kampf erfolgreich führen können. Aber klar ist: Wir können und müssen besser werden. Die Bundeswehr befindet sich in einer Phase weitreichender Veränderungen. Viel Material, das wir für effektivere Streitkräfte benötigen, ist bestellt, aber noch nicht produziert und ausgeliefert. Einen Panzer produzieren sie eben nicht in 14 Tagen, wir haben ein Zeitfenster von fünf bis acht Jahren, das wir dringend nutzen müssen.
Bei dieser Thematik kommt die Diskussion um die Wehrpflicht wieder auf. Sie halten sich hier etwas bedeckt und sprechen lieber von Aufwuchsfähigkeit. Was meinen Sie genau damit und wie würde Ihr Weg zurück zu einer Wehr- oder Dienstpflicht aussehen?
Breuer: Ich blicke auf dieses Thema von einem militärischen Standpunkt. In einem ersten Schritt müssen wir feststellen, wie viele Soldaten wir benötigen, um einen eventuellen Angriffskrieg abwehren zu können. Wir leiten diese Zahl im Wesentlichen aus zwei Auftragsfeldern ab: Da sind einmal die durch uns zugesagten Kräfte für die Nato Verteidigungspläne. Zum anderen sind es die Soldatinnen und Soldaten, die in Deutschland die Sicherung und den Betrieb der logistischen Drehscheibe ermöglichen. Beide Auftragsfelder benötigen ein breites Spektrum von Fähigkeiten. Wir brauchen einerseits Sicherungskräfte, die nach relativ geringer Ausbildungszeit ihre Aufgaben erfüllen können. Andererseits benötigen wir für viele Tätigkeiten hoch ausgebildete Soldatinnen und Soldaten. Aus diesen Faktoren leiten wir die notwendige Aufwuchsfähigkeit ab. Darauf basierend können wir verschiedene Modelle zur Deckung der formulierten Bedarfe diskutieren und dazu gehört neben einer starken Reserve eben auch die Möglichkeit einer Art Wehrpflicht. Dass wir eine höhere Aufwuchsfähigkeit benötigen, steht für mich außer Frage.
Eine der Kernaufgaben des Generalinspekteurs ist es, die Streitkräfte zu planen und weiterzuentwickeln. Wie lautet in diesem Zusammenhang da gerade genau Ihr Auftrag?
Breuer: Wir strukturieren derzeit die Bundeswehr um und richten sie konsequent auf Landes- und Bündnisverteidigung aus. Wir schauen uns die bisherigen Strukturen dafür genau an und beurteilen, ob sie für diese neue Ausrichtung taugen oder ob wir sie noch verbessern können. Darüber hinaus müssen wir analysieren, wie ein Krieg in der Zukunft aussehen kann. Da geht es zum Beispiel um Drohnen, um Künstliche Intelligenz oder um Quantencomputing, also um alle Trends und Entwicklungen, die ein möglicher Gegner nutzen kann, um uns zu schaden. Wir müssen uns Gedanken machen, was wir dem entgegensetzen können.
Wo steht die Bundeswehr in fünf Jahren?
Breuer: Die Bundeswehr wird in fünf Jahren deutlich besser ausgerüstet sein und noch professioneller ihren Verteidigungsauftrag wahrnehmen können.
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