Regulierungen in der Landwirtschaft - Erweiterungs-Genehmigung im FFH-Gebiet Taubertal wird versagt / Neustart in Sachsen-Anhalt

Drei Creglinger Familien wandern aus

Reinhold Markert, Vorstandsvorsitzender der Molkereigenossenschaft Hohenlohe-Franken Schrozberg, durfte einen Wunsch-Stall nicht bauen. Die Familie siedelt nach Sachsen-Anhalt um.

Von 
Birgit Trinkle
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Heimat ade: Enkelin Laura, Gerlinde und Reinhold Markert, Dominik und Stefanie Bender (vorne). © Hota

Creglingen. Creglingen. Reinhold Markert zieht mit seiner gesamten Familie und den meisten Tieren nach Sachsen-Anhalt um. Als er in seinem Heimatort einen Stall bauen wollte, erfuhr der Vollblutlandwirt und langjährige Vertreter der Schrozberger Milchbauern, dass die betreffende Fläche am FFH-Gebiet Taubertal liegt und dort eine seltene Orchidee aufgrund der zu erwartenden Emissionen bedroht wäre. Die Genehmigung wurde daraufhin verweigert.

Gleich drei Familien verlassen nun Creglingen-Schön und damit die Region Hohenlohe: Reinhold und Gerlinde Markert, Tochter Stefanie Bender mit ihrem Mann Dominik und ihrer Tochter Laura sowie Christian Markert mit Juliane. Seit dem ersten Januar nennen sie alle offiziell Zahna-Elster in Sachsen-Anhalt ihr neues Zuhause. Seit der neue Hof Ende Juni gekauft wurde, ist die Familie am Creglinger Standort mit der Betriebsauflösung beschäftigt.

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Wurzeln werden gekappt

In Creglingen ist die ursprünglich aus Schmerbach kommende Familie seit langem daheim; mit der Umsiedlung nach Schön auf der anderen Seite der Tauber ging 1988 eine beachtliche Betriebserweiterung einher: Markerts hatten an zwei Standorten 200 Milchkühe plus Nachzucht und bewirtschafteten 50 Hektar Grünfläche sowie 200 Hektar Ackerfläche. Reinhold Markert: „Der Betrieb ist in den letzten Jahren ständig gewachsen und die Kinder sind mit eingestiegen.“ Arbeitswirtschaftlich sei alles immer schwieriger geworden, auch wenn mit Fahrsiloanlage und einer mit Gülle und Mist betriebenen 75-Kilowatt-Biogas-Anlage neue Wege beschritten wurden.

Das Vorhaben, einen modernen Milchviehstall mit Tierwohlstandards für 300 Milchkühen zu bauen, stand aber am gewünschten Standort – mit dem möglichst wenig landwirtschaftliche Fläche versiegelt werden sollte – unter keinem guten Stern: 450 Meter vom Schutzgebiet entfernt wäre der Ammoniakausstoß dieses Stalls zu hoch, so hieß es.

„Hier oder nicht“

Sieben Ämter, berichtet Markert, hätten sich am 27. Januar 2020 in Tauberbischofsheim am großen Tisch versammelt, um den angedachten Stall mit befestigtem Allwetter-Auslauf, mit Futtervorlage im Freien und einem Weidezugang zur zusätzlichen Bewegung durchzusprechen. Das klare Nein des Umweltamtes sei einhergegangen mit dem Vorschlag, den Standort zu verlagern. Markert: „Das wäre grundsätzlich möglich gewesen, aber die Alternative war ein nicht erschlossenes, vollkommen unversehrtes Grundstück, was aus unserer Sicht weder ökonomisch noch ökologisch vertretbar gewesen wäre.“

Juliane und Christian Markert mit Hund Barney in Zahna. © Birgit Trinkle

Am Wunschstandort gab’s Möglichkeiten für Futter- und Mistlagerung, Wasser- und Stromanschlüsse, zudem hätte sehr wenig Fläche zusätzlich befestigt werden müssen. Ein von der Familie in Auftrag gegebenes Gutachten habe aber ergeben, so Markert, dass dieses Vorhaben chancenlos sei, wenn das Umweltamt den durchaus vorhandenen Spielraum nicht ausreize. Was dem Milchbauern besonders übel aufstieß: „Wir hätten Punkte gesammelt, wenn wir auf die Tierwohlmaßnahmen verzichtet hätten. Der Auslauf verursacht am meisten Ammoniakausstoß. Aber das war für uns ausgeschlossen, da unsere Tiere bereits einen Allwetter-Auslauf gewohnt sind. Es war also nicht möglich, gleichzeitig die neuen Tierwohlvoraussetzungen und die Vorgaben des Umweltamtes einzuhalten.“

Ein Millionenprojekt

Dann habe sich die gesamte Familie zusammengesetzt und beschlossen, nicht wertvolle Ackerfläche „in der Dummheit zu versiegeln, dafür sind wir zu sehr Landwirte“. Einhelliger Beschluss: „Hier oder nicht.“ Dass Markerts mit der Tierhaltung aus dem Ort raus mussten war freilich auch klar, ebenso, dass eine Verkleinerung nicht ging, nicht wenn drei Familien im Vollerwerb von diesem Betrieb leben sollten. „Nicht noch mehr Geld für Gutachten ausgeben“ war wohl ebenfalls Konsens im Familienrat. Vor allem war Markerts bewusst, dass sie diesen Stall vielleicht mit allen Rechtsmitteln durchsetzen konnten, dann aber garantiert nicht erneut erweitern. An einem solchen Standort 2,3 Millionen Euro investieren? Auf gar keinen Fall. „Aus unternehmerischer Sicht ist es unsinnig, einen Standort ohne Entwicklungsmöglichkeit zu forcieren.“

Und da kamen dann die so genannten neuen Bundesländer ins Spiel. Der Gedanke war nicht neu. Markert: „Hätten wir 1988 nicht den Hof in Schön gekauft, diese Entscheidung wäre wohl schon 30 Jahre früher gefallen.“ So machte sich die Familie also auf die Suche nach einem neuen Daheim – ausgebildete Landwirtschaftsmeister und die Agraringenieurin mit ihren Familien. Fündig wurde man in der Nähe der Lutherstadt Wittenberg. „Wir haben dort ganz andere Entwicklungsmöglichkeiten“, sagt Markert.

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In Eigentum und Pacht werden künftig 2300 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche auf sieben bis acht Kilometern und drei zusammenhängenden Gemarkungen bewirtschaftet. Die bestehende Milchviehanlage für bis zu 300 Milchkühe und ein Standort für die Rindermast im Nachbarort sind bereits genehmigt. Was Markert auch sehr wichtig war: Die Vorbesitzer seien Gesellschafter im Rentenalter, die nicht an einen Konzern verkaufen, sondern das in 30 Jahren Aufgebaute in ihrem Sinne weitergeführt sehen wollten. Markert: „Das war eine Chance für uns“; das Verhältnis hervorragend. Der Hof in Schön wird derzeit verkauft.

So sehr er sich zu Beginn dieser Entwicklung geärgert habe – „am Anfang hat’s sehr weh getan“ – mittlerweile zieht Reinhold Markert eine überraschende Bilanz: „Wenn ich heute alles rückgängig machen und in Creglingen bauen könnte, ich weiß nicht, ob ich zugreifen würde.“

Blick nach Schrozberg

Reinhold Markert ist bis März/April 2023 Vorstandsvorsitzender der Molkereigenossenschaft Hohenlohe-Franken. Wie es dann weitergeht, ob er sich erneut zur Wahl stellen will, dazu äußert er sich nicht. Die räumliche Trennung in diesem Bereich tue ihm „im Herzen weh“, so Markert, immerhin seit 20 Jahren Vorstandsvorsitzender, der seit 1996 in Schrozberg dabei ist, der den Neubau begleitet und vor allem die ausschlaggebenden Entwicklungen in die Regionalität und in den ökologischen Landbau angestoßen und mit vorangetrieben hat: „Ich stehe für die gesamte Genossenschaft, für beide Produktionslinien, für das Konventionelle und für Demeter.“

Der Bürgermeister der Stadt Creglingen, Uwe Hehn, bedauert die Entwicklung im Fall der örtlichen Familien. Die verweigerte Baugenehmigung hänge mit dem Anfall von Luftstickstoff durch den neuen Stall zusammenGrenzwerte könnten nicht eingehalten werden. Die Markerts seien nicht die einzigen Betroffenen: „Leider hat man bei der Ausweisung von FFH-Gebieten den Landwirten verschwiegen, dass eine größere Erweiterung der Betriebe oder Stallneubauten im weiteren Umkreis aufgrund der Grenzwerte für Stickstoff und Luftstickstoff nicht mehr möglich ist.“

In solchen Gebieten ist für das Bauen nicht mehr die Baubehörde oder das Landwirtschaftsamt die maßgebende Behörde, sondern die untere Naturschutzbehörde, in diesem Fall die des Landratsamtes Main-Tauber-Kreis. In einem ähnlichen Fall, so Hehn, sei man bis ins Umweltministerium gegangen, ohne Erfolg; Versprechen des Landwirtschaftsministers zählten da nichts. „Wir als Gemeinde hätten das Bauvorhaben befürwortet, sind aber leider nicht maßgebend“, so der Bürgermeister.

Markus Moll, Presssesprecher des Landratsamts Main-Tauber, weiß ebenfalls von der Besprechung mit Markerts und ihren Architekten. Die erste Planung sei aus Gründen den Naturschutzes nicht machbar gewesen. Das Amt habe aber „in konstruktiver Weise Varianten aufgezeigt, mit denen ein Stallbau möglich gewesen wäre“.

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