Jüdisches Museum

Creglingen: Neue Ausstellung zum NS-Widerstand eröffnet

Sie riskierten ihr Leben, um sich einem Unrechtsregime zu widersetzen: Das jüdische Museum nimmt 54 bekannte und weniger bekannte NS-Gegner in den Blick.

Von 
Arno Boas
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Im jüdischen Museum Creglingen ist bis zum 2. November die Ausstellung „Galerie der Aufrechten – bekannte und unbekannte Menschen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus“ zu sehen. Im Bild Mitglieder des Stiftungsvorstandes zusammen mit Hendrik Schuler, Vorstandsmitglied des Studentenwerks Weiße Rose in Weingarten (Dritter von rechts) und Birgit Brüggemann, Vorstandsmitglied des Denkstättenkuratoriums NS-Dokumentation Oberschwaben (Dritte von links). © Arno Boas

Creglingen. Der Widerstand gegen das Nazi-Regime hatte ganz unterschiedliche Gesichter. Bekannte und weitgehend unbekannte Menschen setzten im Dritten Reich ihr Leben aufs Spiel und bewiesen den „aufrechten Gang“. Ihnen setzt die gleichnamige Ausstellung „Galerie der Aufrechten – bekannte und unbekannte Menschen des Widerstands“ ein Denkmal. Zu sehen ist die eindrucksvolle Schau bis 2. November im jüdischen Museum in Creglingen.

Die Ausstellung des Studentenwerks Weiße Rose/Weingarten beinhaltet 65 Portraits von Menschen des Widerstands gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft – jeweils mit einem biographischen Text. 54 davon werden im jüdischen Museum gezeigt, und zwar aus Platzgründen in zwei Teilen: die ersten 27 Portraits bis 12. Oktober und die weiteren 27 bis zum 2. November. Bei der Ausstellungseröffnung zog Stephan Aupperle, Vorstandsmitglied der Stiftung jüdisches Museum, auch Parallelen in die Gegenwart. „Nie mehr ist jetzt. Jetzt ist auch die Zeit für den aufrechten Gang“. Es gelte aufzustehen gegen Unrecht, das heute passiere.

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Die Ausstellungsmacher haben die Widerständlerinnen und Widerständler – bewusst hat man auf den einengenden Begriff „Widerstandskämpfer“ verzichtet – in acht Gruppen eingeteilt. Es gibt das jüdische Widerstehen, den christlichen, geistigen, politischen und militärischen Widerstand sowie den Arbeiterwiderstand, den Rettungswiderstand und den Widerstand der Weißen Rose. Dazu neuntens eine Opfergruppe. Hier werden bisher weitgehend unbekannte Menschen speziell aus Oberschwaben und dem Bodenseeraum aus verschiedenen Opfergruppen gezeigt. Vor dem Rundgang durch die Ausstellung gingen Hendrik Schuler, Vorstandsmitglied des Studentenwerks „Weiße Rose“ und Birgit Brüggemann, Vorstandsmitglied des Denkstättenkuratoriums NS-Dokumentation Oberschwaben, näher auf die Ausstellung und ihre Intention ein.

Widerständler als Menschen wie Du und Ich präsentiert

Die Ausstellung gibt es seit 2016, und erst zum zweiten Mal wird sie in einem jüdischen Museum gezeigt. Sie geht zurück auf eine Initiative des 2016 verstorbenen Professors Wolfgang Marcus, der an der PH Weingarten Dozent für Philosophie und Vorsitzender des Studentenwerks Weiße Rose war. In den letzten Jahren seines Lebens stellte er die Ausstellung zusammen, indem er für ausgesuchte Widerständler Künstler und Sponsoren suchte. Rund 30 Künstlerinnen und Künstler haben sich nach Aussage Hendrik Schulers den Menschen des Widerstands genähert, indem sie nach historischen Fotos Portraits angefertigt haben. Maßstab für die „Aufrechten“ in der Ausstellung sei das „Hören auf das eigene Gewissen“ – unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt das Gewissen die Menschen zum Handeln gezwungen habe.

Die Widerständler werden nicht als entrückte Helden präsentiert, sondern als Menschen wie Du und Ich, was Empathie und Nähe schaffe, wie der Referent sagte. Und es fordere geradezu dazu auf, sich selbst Fragen zu stellen: „Wie aufrecht bist du in deinen privaten Beziehungen, in deinem Handeln in Beruf, Gesellschaft und Politik?“ Sei man bereit, auch einmal gegen den Strom zu schwimmen, „nein“ zu sagen? „So fordern uns die Widerständler zur Selbsterkenntnis und zum Eingeständnis unserer Anfälligkeit auf, ermutigen uns aber auch zum aufrechten Gang“, betonte Birgit Brüggemann.

Der Blick der Ausstellungsmacher geht auch immer in die Gegenwart. „Die Widerständler ermutigen uns, unter viel leichteren Bedingungen verantwortungsbewusst Zivilcourage zu praktizieren“, so die Referentin. Man könne sozusagen den „kleinen Widerstand“ einüben, damit nie wieder Verhältnisse einträten, die den „großen Widerstand“ nötig machten oder, um es mit den Worten einer italienischen Journalistin auszudrücken: „Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen“.

Aus Platzgründen folgt am 19. Oktober ein Wechsel der Exponate

Anschließend stellten die beiden Gäste aus Weingarten verschiedene Persönlichkeiten aus den unterschiedlichen Widerstandsgruppen vor, etwa den schwäbischen katholischen Bischof Johannes Baptista Sproll, die Pazifistin Gertrud Luckner aus Freiburg, den Zentrumspolitiker Eugen Bolz oder Hans und Sophie Scholl, prägende Gesichter der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“. Viele bezahlten ihren Widerstand mit dem Leben. Unter den Künstlern, die sich den Widerständlern gewidmet haben, ist auch Marlies Glaser, die bereits mit einem Werk im jüdischen Museum vertreten ist. Von ihr stammt das ausdrucksstarke Portrait des US-Amerikaners Arthur S. Obermayer, dem Initiator für die Einrichtung des Museums. Das farbenfrohe Bild wurde dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.

Weil das Museum nicht genug Platz für alle 54 Portraits gleichzeitig bietet, hat man sich zu einer Zweiteilung entschlossen, wie Geschäftsführer Martin Heuwinkel sagte. Nach den ersten 27 Portraits folgen ab 19. Oktober die restlichen 27. Martin Heuwinkel dazu augenzwinkernd: „Man sollte die Ausstellung deshalb zweimal besuchen“. Der Stiftungs-Geschäftsführer würdigte in diesem Zusammenhang die Landeszentrale für politische Bildung, die für die Anschaffung neuer Stellwände einen fünfstelligen Zuschuss bewilligt hat. Die neuen Wände ermöglichen dem Museum unter anderem eine bessere Präsentation seiner Wechselausstellungen.

Geöffnet ist das jüdische Museum in der Badgasse sonntags von 14 bis 17 Uhr. Gruppenführungen sind auf Anfrage möglich. Infos dazu auf der Homepage www.stiftung-jmc.de und unter Telefon 07933/7002521 (AB). Die nächste Veranstaltung des Museumsjahres 2025 wird am 12. November eine Lesung des freien Journalisten und Autors Frank Littek sein, der sein Buch „Retter in dunkler Zeit - Die umfassende Übersicht über deutsche Gerechte unter den Völkern“ vorstellen wird.

Redaktion Redakteur bei den FN

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