Landtagspräsidentin auf Gedenkstättenreise

Creglinger Museum macht jüdisches Leben sichtbar

Auf ihrer zweitägigen Gedenkstättenreise durch Baden-Württemberg stattete Landtagspräsidentin Muhterem Aras auch dem jüdischen Museum Creglingen einen Besuch ab.

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Arno Boas
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Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Zweite von rechts) besuchte auf ihrer Gedenkstättenreise auch das jüdische Museum in Creglingen. Sie ließ sich von Martin Heuwinkel (rechts) über die Geschichte der jüdischen Gemeinde informieren. Mit dabei (von links) Bürgermeister Uwe Hehn, Armin Waldbüßer (MdL, Bündnis 90/Die Grünen), Rainer Moritz (Kreisrat, Die Grünen), Gerd Bayer (Grünen-Kandidat für die Landtagswahl) und Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (MdL, Landtagsvizepräsident, CDU). © ARNO BOAS

Creglingen. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Bündnis 90/Die Grünen) würdigte auf ihrer jährlichen Gedenkstättenreise das „unglaubliche ehrenamtliche Engagement“ der Verantwortlichen und das Konzept des jüdischen Museums, mit dem man auch junge Menschen anspreche. Nach rund 90-minütiger Führung durch das dreistöckige Museum in der Badgasse zeigte sich die Politikerin beeindruckt: „Es gelingt Ihnen wunderbar, die jüdische Kultur sichtbar zu machen“.

Bürgermeister Uwe Hehn, der auch stellvertretender Vorsitzender der Stiftung jüdisches Museum ist, begrüßte die Landtagspräsidentin, die unter anderem von ihrem Stellvertreter Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (MdL, CDU), dem Betreuungsabgeordneten Armin Waldbüßer (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) aus Obersulm und Vertretern der Landeszentrale für politische Bildung begleitet wurde. Das Museum spiegle die gesamte jüdische Geschichte in Creglingen wider, hob der Bürgermeister hervor. Uwe Hehn würdigte in diesem Zusammenhang das „große Engagement“ der Museumsverantwortlichen.

Muhterem Aras zeigte sich beeindruckt vom „zivilgesellschaftlichen Engagement“, das in den rund 80 Gedenkstätten des Landes geleistet werde – oftmals gegen Widerstände. Die Verantwortlichen würden einen langen Atem beweisen und beharrlich teils jahrzehntelang mit großer Leidenschaft für ihre Einrichtungen kämpfen. Ihre Reise diene auch dem Zweck, zuzuhören, um zu erfahren, „wie wir Sie unterstützen können“.

„Großartiges Signal“

Die Gedenkstättenlandschaft hat sich nach Aussage der Landtagspräsidentin seit 2010 nachhaltig verändert. Der Landtag habe die finanziellen Mittel seither verzehnfacht und für eine adäquate Ausstattung der Gedenkstätten gesorgt. Im Landtag setze sich eine große Mehrheit der Parteien für die Weiterentwicklung der Gedenkstättenarbeit ein, was ein „großartiges Signal“ gegen Rassismus und Antisemitismus bedeute.

Vorstandsmitglied Ulrich Schönberger und Geschäftsführer Martin Heuwinkel stellten das Museum im Detail vor. 1618 wurde mit Simson aus Reinsbronn der erste Jude in Creglingen sesshaft. Der Vorgängerbau des Gebäudes wurde 1818 abgerissen, der Neubau ging 1903 in jüdischen Besitz über. Hier wohnte unter anderen der Pferdehändler Hermann Stern, der am 25. März 1933 eines der beiden Todesopfer des ersten jüdischen Pogroms nach der Machtergreifung der Nazis wurde. „Dieser Ort ist eng mit dem Beginn und dem Ende der jüdischen Gemeinde verbunden“, betonte Martin Heuwinkel. Er stellte zudem besondere Exponate des Museums vor, wie etwa die Zither und das Klavier des Oberlehrers Josef Pressburger. Auch über das Schicksal wichtiger Mitglieder der jüdischen Gemeinde informierte der Geschäftsführer die Gäste aus Stuttgart. Er sparte zudem nicht den Streit aus, den es zur Jahrtausendwende im neu gegründeten Vorstand der Stiftung jüdisches Museum gegeben hatte.

Ulrich Schönberger beleuchtete die Geschichte der jüdischen Gemeinde nach 1933, die im Jahr 1939 endete, als die Stadtverwaltung Creglingen als „judenfrei“ meldete. Der Bruch in der bis dahin weitgehend konfliktfreien Beziehung zwischen jüdischer und christlicher Gemeinde folgte am 25. März 1933, als SA aus Heilbronn unter Beteiligung örtlicher Nazis 16 jüdische Männer aufs Rathaus brachte und dort schwer misshandelte. Die Folgen waren gravierend und für zwei der Männer – Hermann Stern und Arnold Rosenfeld – tödlich.

Vom Engagement beeindruckt

Während tags darauf der Niederstettener Pfarrer Hermann Umfrid in seiner Sonntagspredigt die Aktion verurteilte, war vom Creglinger Stadtpfarrer nichts dergleichen zu hören, wie Ulrich Schönberger berichtete. Auch nach dem Krieg dauerte es lange, bis sich die Creglinger ihrer Verantwortung stellten. Umso beeindruckter zeigte sich die Landtagspräsidentin über die Tatsache, dass sich Creglingen intensiv mit seiner jüdischen Geschichte auseinandersetze. Das Museum mache das jüdische Leben sichtbar. „Jüdinnen und Juden haben dieses Land bereichert“, betonte die Landtagspräsidentin. Dass die Gemeinde sich mit der Einrichtung identifiziere, sei bemerkenswert und längst nicht überall so. „Die Kommune in Creglingen hat das Museum zu ihrer Sache gemacht“, freute sich die Politikerin.

Vor Creglingen hatte die Politikerin am Freitag in der Synagoge in Michelbach/Lücke und in der Gedenkstätte „Die Männer von Brettheim“ Station gemacht. Im Gepäck hatte sie für ihre Creglinger Gastgeber unter anderem zwei Bücher: „Recht gegen Rechts“ und eine Biografie über den Staatsanwalt Fritz Bauer, der maßgeblicher Initiator der Frankfurter Auschwitz-Prozesse war. „Er war eine faszinierende Persönlichkeit“, betonte Muhterem Aras. Die Biografie sei ein Mutmacherbuch. Zum Geschenk gehörten auch Brillenputztücher mit dem Konterfei des zu seiner Zeit auch umstrittenen Juristen. Brillenputztücher sollen für einen ungetrübten Blick sorgen – der wäre so manchem Populisten dringend zu wünschen – damals wie heute.

Redaktion Redakteur bei den FN

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