Konzert mit Olaf Ruhl

Jüdisches Museum Creglingen mit Liedern zur Shoah in Saison gestartet

Streifzug durch jiddisches Liedgut. Melodien voll Melancholie und tiefgründiger Kraft.

Von 
Arno Boas
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Die maßgeblichen Personen haben auch für 2025 ein interessantes Programm zusammengestellt. Im Bild bei der Saisoneröffnung von links Vorstandsmitglied Ulrich Schönberger, Sabine Aupperle in Vertretung ihres Mannes Stefan, Vorstandsmitglied Ingrid Thomé-Reinhard, Vorstandsvorsitzende Sabine Kutterolf-Ammon und Geschäftsführer Martin Heuwinkel. © Arno Boas

Creglingen. Mit einem Streifzug durch jiddisches Liedgut ist das jüdische Museum am Vorabend des Jahrestags des jüdischen Pogroms vom 25. März 1933 in die neue Saison gestartet. Der Theologe und Musiker Olaf Ruhl gastierte zum zweiten Mal in Creglingen und widmete sich in dem Konzert Liedern zur Shoah.

Eigentlich sollte der Auftakt in das neue Museumsjahr am 25. März stattfinden – jenem Tag, an dem vor 92 Jahren in Creglingen ein SA-Schlägertrupp 16 jüdische Männer misshandelte – Hermann Stern und Arnold Rosenfeld so schwer, dass sie an den Folgen ihrer Verletzungen starben. Terminüberschneidungen führten dazu, dass das Konzert bereits am 24. März im Museum stattfand - vor kleinem Publikum, das sich von Olaf Ruhls eindringlicher Stimme, unterstützt von Gitarre und Akkordeon, in die Kunst jiddischen Liedguts einführen ließ.

Die Vorsitzende der Stiftung jüdisches Museum, Sabine Kutterolf-Ammon, erinnerte in ihrer Begrüßung an jene unheilvollen Ereignisse im Jahr 1933, die das weitgehend konfliktfreie Zusammenleben von christlicher und jüdischer Gemeinde abrupt beendeten. 1933 lebten 17 jüdische Familien mit 73 Personen in Creglingen. Seit dem Mittelalter ist die jüdische Gemeinde nachweisbar gewesen, ihre Mitglieder waren im kommunalen Leben integriert. Zumindest schien es so, wie Sabine Kutterolf-Ammon sagte. Denn mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 änderte sich das schlagartig. Am 25. März 1933 fuhren Angehörige der Heilbronner SA-Standarte 122 unter Leitung des für seine Brutalität gegenüber Regimegegnern und Juden bekannten Fritz Klein ins Taubertal. Der Auftrag lautete, in jüdischen Haushalten nach Waffen zu suchen.

Am frühen Morgen erreichte der Lastwagen Creglingen – bei den folgenden Hausdurchsuchungen wurde fast niemand angetroffen, weil sich die Mehrzahl der Gemeinde in der Synagoge zum Gottesdienst befand. Fritz Klein befahl dem Geistlichen Harry Katzenstein, den Gottesdienst sofort zu beenden. Der SA-Mann verlas die Namen der Männer – vermutlich hatte er die Namensliste zuvor vom Creglinger Ortsgruppenleiter Stahl erhalten – und ließ 16 von ihnen aufs Rathaus bringen, wo sie verhört werden sollten.

Der Musiker Olaf Ruhl präsentierte im jüdischen Museum sein Programm mit Liedern zur Shoah - eindringlich, melancholisch und mit einer subtilen Form tiefgründigen Humors. © Arno Boas

Das „Verhör“ hatte furchtbare Folgen, denn die beteiligten SA-Leute schienen sich, wie Sabine Kutterolf-Ammon sagte, in einen „Blutrausch“ zu steigern. So habe sich das Rathaus an jenem Tag in eine „üble Folterstätte“ verwandelt, in der die Männer systematisch misshandelt worden seien. Zwei Männer überlebten die Folter nicht. Der 67-jährige Pferdehändler Hermann Stern starb noch am selben Tag, der 52-jährige Arnold Rosenfeld eine Woche später im Würzburger Luitpoldhaus. Diese „furchtbare Tat“ vor nunmehr 92 Jahren sei für die Stiftung Anlass gewesen, den Musiker Olaf Ruhl nach 2018 bereits zum zweiten Mal nach Creglingen einzuladen, wie Sabine Kutterolf-Ammon betonte.

Man wolle an diesem schicksalsträchtigen Tag daran erinnern, was damals „mitten unter uns geschehen ist“ und man wolle dazu ermuntern, schon früh die Zeichen zu erkennen und Signale richtig zu deuten, dass niemals mehr Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts zu Tode gefoltert werden dürften. Die Lieder des Künstlers Olaf Ruhl zur Shoah hätten Verfolgung, Tod und Leid zum Thema, „singen aber auch von Widerstand und der Liebe zum Leben“.

Zum Jahrestag des jüdischen Pogroms vom 25. März 1933 hat Olaf Ruhl sein Programm „Von ‚An allem sind die Juden schuld!‘ bis ‚Ver vet blaybn – got vet blaybn!‘ - Lieder zur Shoah“ im Gepäck. Olaf Ruhl braucht nicht viel, um Wirkung zu erzielen. Seine Stimme, die Gitarre oder das Akkordeon reichen, um die Zuhörer zu fesseln. Es sind Melodien voller Melancholie, Texte voller Verzweiflung, aber auch getragen von Hoffnung und Liebe.

In einigen Liedern animiert der Künstler sein Publikum zum Mitsingen – etwa bei dem Lied „Donna, Donna“, das durch Joan Baez und Donovan weltbekannt wurde und das jiddischen Ursprungs ist. Davon wusste der damals 20-jährige Student nichts, als er im Jahr 1984 das Lied auf seiner Gitarre spielte. Eine Zimmernachbarin machte ihn darauf aufmerksam, dass das Lied unter dem Titel „Dos kelbl“ (das Kalb) 1940 in New York von Sholom Secunda nach dem Text von Aaron Zeitlin komponiert wurde.

„Donna, Donna“ – Olaf Ruhl singt es auf Englisch und Jiddisch – ist ein wehmütig-trauriges Lied, denn im Mittelpunkt steht ein Kalb, das zur Schlachtbank geführt werden soll. Das Lied weckte Ruhls Leidenschaft für jiddische Kultur und Musik, die ihn zeitlebens nicht mehr loslassen sollte. Er vertiefte seine musikalischen und sprachlichen Kenntnisse unter anderem in Kursen und Workshops beim Yiddish Summer Weimar und durch Gesangsunterricht.

Olaf Ruhl beendet sein Konzert mit dem Lied „Ver vet blaybn“ (Was wird bleiben?) von Abraham Sutzkever, geboren 1913 in Smorgon (Weißrussland), gestorben 2010 in Tel Aviv. Darin heißt es (nach einer Übersetzung von Hubert Witt) zum Schluss „Mehr als all die vielen Sterne über dieser Welt / jener Stern wird bleiben, der in eine Träne fällt. / Auch ein Tropfen Wein wird bleiben, hier in seinem Krug. / Wer wird bleiben? Gott wird bleiben. Ist dir's nicht genug?“ Bleiben wird dank Olaf Ruhl in jedem Fall die Erinnerung an die jiddische Kultur, an ihre tiefgründige Kraft, ihre Schwermut, aber auch ihren subtilen Humor.

Jüdisches Museum

  • Das jüdische Museum in der Badgasse in Creglingen ist sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet .
  • Gruppenführungen sind auf Anfrage möglich.
  • Näheres unter Telefon 07933/7002520.
  • Am Donnerstag, 10. April, um 19.30 Uhr wird die Wechselausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ eröffnet. abo

Redaktion Redakteur bei den FN

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