Creglingen/Ellwangen. Es geht um das „unerlaubte Überlassen eines Kfz“. Ein Straftatbestand, der wohl öfter mal vorkommt. Ein Fall, der jedoch nur selten derart verheerende Auswirkungen hat wie im September 2022. Hier endete die unerlaubte Fahrt für einen damals 22-Jährigen tödlich. Wahrscheinlich aufgrund zu hoher Geschwindigkeit prallte er im Raum Creglingen gegen einen Baum und erlag seinen schweren Verletzungen noch an der Unfallstelle.
Da der tödlich verletzte Fahrer keine Fahrerlaubnis hatte, stand der Halter des Fahrzeugs, ein 28-jähriger Creglinger, vor Gericht. Er soll von diesem Umstand gewusst haben und dem jungen Mann dennoch mehrmals sein Auto für Fahrten zur Verfügung gestellt haben. Das Amtsgericht Bad Mergentheim hatte ihn erstinstanzlich wegen dieser und weiterer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Schon damals hatte der Mann seine Schuld eingestanden.
Da er gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, kam es nun erneut zu einem Prozess am Landgericht Ellwangen. Hier ging es ihm nun weniger um den Tatablauf oder die Schuldfrage als vielmehr darum, die sogenannten Rechtsfolgen (also das konkrete Urteil) zu ändern. Der 28-Jährige strebte eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Eine schlechte Idee, versuchten ihm Verteidiger Frank Gangl, Staatsanwalt Armin Burger und Richter Martin Honold zu erklären. „So eine Unterbringung dauert oft sehr viel länger als die zu erwartende Haftstrafe. Danach könnten sie sich immer noch einweisen lassen“, versuchte Staatsanwalt Burger den Mann zu überzeugen. Doch vergebens. Der Creglinger war fest entschlossen, an seiner Berufung festzuhalten.
Psychische Erkrankung als neuer Aspekt
In der Verhandlung betonte der 28-Jährige dann einen Aspekt, der in der Verhandlung am Amtsgericht Bad Mergentheim noch keine Rolle gespielt hatte. „Ich habe Stimmen gehört. Sie haben mir gesagt, ich soll sie [= den tödlich Verunglückten sowie einen ebenfalls schwer verletzten Beifahrer; Anm. d. Red.] fahren lassen, sonst passiert meiner Familie etwas“, beschrieb der Angeklagte die Geschehnisse an besagtem Abend.
Nun galt es also für Richter Martin Honold, die möglichen Auswirkungen der psychischen Krankheiten einzuschätzen. Denn sofern die Schilderungen korrekt sind, könnte der Angeklagte (teilweise) schuldunfähig sein. Doch die befragten Zeugen hatten an diesem Abend einen „normalen“ Eindruck vom Angeklagten, eine Zeugin setzte die „psychischen Probleme“ des Angeklagten sogar in ironisch-zweifelnde Anführungszeichen.
Psychiatrischer Gutachter zu den Stimmen: „So noch nie gehört“
Auch der psychiatrische Gutachter Dr. Thomas Heinrich zweifelte die Schilderungen der „handlungsleitenden“ Stimmen zum Tatzeitpunkt an. „Die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie ist plausibel, die Stimmen erscheinen in diesem Kontext jedoch sehr ungewöhnlich. Das habe ich so noch nie gehört“, erklärte er. Dass diese Stimmen Dritte (die Familie des Angeklagten) und nicht ihn selbst „bedrohen“, passe nicht zum klassischen Krankheitsbild. Heinrich diagnostizierte jedoch neben der paranoiden Schizophrenie ein „Intelligenzniveau im Grenzbereich“ und hielt eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit grundsätzlich für möglich.
Darauf aufbauend plädierte Verteidiger Gangl erneut darauf, seinem Mandanten das Gefängnis zu ersparen. „Das ist der falsche Ort für ihn, er braucht Hilfe“, so der Anwalt. Staatsanwalt Burger sah das gänzlich anders. „In der ersten Instanz war die Motivation für das Überlassen des Autos noch die Suche nach Freunden, jetzt soll es plötzlich eine Krankheit sein? Das nehme ich ihm nicht ab“, machte er klar und verwies auf die tatsächlich anderslautende Darstellung im Bad Mergentheimer Prozess.
Der Angeklagte hatte seine Bewährung „zigfach“ gebrochen
Schon 2021 habe es aufgrund der vielfachen Vorstrafen eine „Gnadenentscheidung“ mit Aussetzung der Strafe zur Bewährung gegeben. Diese Bewährung sei jedoch „zigfach“ gebrochen worden, eine erneute Bewährung daher nicht angemessen. Er plädierte darauf, die Berufung zu verwerfen und das Urteil aus der Vorinstanz aufrecht zu erhalten.
Dem folgten Richter Honold und die Schöffen. Sie verwarfen die Berufung und sahen auch keine Gründe für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Da allerdings mittlerweile noch eine weitere Vorstrafe zur langen Akte des 28-Jährigen hinzukam, erhöhte das Landgericht die Gesamtfreiheitsstrafe um zwei Monate auf nun ein Jahr und acht Monate, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
Das Strafmaß für das Überlassen des Kfz senkte das Gericht allerdings. Während Amtsrichterin Susanne Friedl hierfür noch die Höchststrafe von einem Jahr verhängte, verurteilten Honold und die Schöffen den Mann hier zu acht Monaten. Die paranoide Schizophrenie sei eine sehr schwere Erkrankung und „eine verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen“, fasste Honold zusammen. Von den Stimmen, die der Angeklagte während der Tat gehört haben will, war er jedoch auch nicht überzeugt. Gegen dieses Urteil kann der Angeklagte noch Revision, also eine Prüfung auf Rechtsfehler, beim Oberlandesgericht Stuttgart einlegen.
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