Amtsgericht Bad Mergentheim

Tödlicher Unfall bei Creglingen führt zu Haftstrafe

Extremer Leichtsinn führt zu Tod und Haft: So ließe sich der nun abgeschlossene Prozess am Amtsgericht Bad Mergentheim zusammenfassen. Ein 27-Jähriger muss ins Gefängnis, weil er die Todesfahrt ermöglichte.

Von 
Simon Retzbach
Lesedauer: 
Der Unfall im September 2022 bei Creglingen endete mit einem Toten und einem Schwerverletzten. Der Besitzer des Autos wurde nun verurteilt. © Sascha Bickel

Bad Mergentheim/Creglingen. „Führenlassen eines Kfz ohne Fahrerlaubnis“, so der eher harmlos klingende Vorwurf gegen den 27-Jährigen aus Creglingen. Insgesamt fünf Mal soll er zwei Jugendlichen (eine 17-Jährige und ein 20-Jähriger) seinen Opel für Fahrten zur Verfügung gestellt haben. Dabei sei ihm laut Staatsanwaltschaft bewusst gewesen, dass beide nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis waren.

Verhängnisvolle Autofahrt

Verhängnisvoll endete die fünfte Fahrt nahe Creglingen in der Nacht auf den 8. September 2022. Mit hoher Geschwindigkeit fuhr der Opel aus einer scharfen Kurve und prallte frontal gegen einen Baum. Am Steuer saß der 20-Jährige. Er überlebte den Zusammenprall nicht, ein damals 15-jähriger Beifahrer erlitt schwere Kopfverletzungen.

So wird aus dem „Führenlassen eines Kfz ohne Fahrerlaubnis“ ein brisanter Prozess. Der Angeklagte räumt die Taten ein. Er habe seine Schlüssel auf Nachfrage der beiden Jugendlichen wiederholt herausgegeben. Auf die Frage nach dem Warum von Richterin Susanne Friedl antwortet der 27-Jährige lapidar: „Das war halt blöd, so habe ich Freunde gesucht.“ Eine Aussage, die Friedl so nicht stehen lässt. „Sie sind doch keine 14 Jahre alt“, bringt sie ihr Unverständnis zum Ausdruck.

Als Zeugen treten neben einem ermittelnden Polizeibeamten auch eine 17-Jährige und der verletzte Unfallbeifahrer auf. Durch ihre sowie die Aussagen des Angeklagten gelingt es, die verhängnisvolle Fahrt zumindest teilweise zu rekonstruieren. Diese ließ im September 2022 laut dem damaligen FN-Bericht „Viele Fragezeichen“ offen.

An besagtem Abend war zuerst eine vierköpfige Gruppe um den Angeklagten in dessen Opel unterwegs. Neben ihm selbst waren der 20-Jährige, die 17-Jährige und der 15-Jährige im Auto. Vor allem die beiden jungen Männer tranken Alkohol in erheblichem Maße, und auf Bitte des späteren Unfallfahrers händigte der Angeklagte die Schlüssel aus. Alkoholisiert und wesentlich zu schnell, der Beifahrer berichtet von bis zu 140 Stundenkilometern, fährt die Vierergruppe durch Creglingen und einen Stadtteil.

Mehr zum Thema

Tödlicher Unfall

Creglingen: Ein Toter und ein Schwerverletzter nachts neben dem Feldweg

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren
Polizei

Tödlicher Unfall wirft Fragen auf

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren

Beifahrer leidet bis heute unter den Folgen

An einem Stopp steigen der Angeklagte und die junge Frau aus, weil ihnen die enorme Geschwindigkeit nicht geheuer ist. So verbleiben der 20-Jährige und der jugendliche Beifahrer im Wagen, als sie sich zur letzten Fahrt aufmachen.

Unweit des städtischen Recyclinghofs auf einem Feldweg zwischen Creglingen und Münster wird dem Duo dann eine scharfe Rechtskurve zum Verhängnis. Der Wagen fährt mit etwa 70 Stundenkilometern in eine Kurve und prallt frontal gegen einen Baum.

Der schwer verletzte Beifahrer kann sich zwar selbstständig aus dem Fahrzeug befreien, leidet aber bis heute unter den Folgen der erlittenen Gehirnblutungen. An den direkten Unfall hat er keine Erinnerungen mehr, erst das Gespräch mit den Rettungskräften ist wieder präsent. Die junge Frau bestätigt in ihren Aussagen die geschilderten Abläufe. Sie sei zusammen mit dem Angeklagten später zu Fuß auf die Suche nach dem Fahrzeug gegangen. Als man es gefunden habe, war aufgrund technischer Probleme kein direkter Notruf möglich, erst vom heimischen Festnetz aus. Auf der Fahrt dorthin habe der Angeklagte die 17-Jährige ermahnt, im Falle einer Befragung auszusagen, dass der Unfallfahrer sich die Schlüssel selbst genommen habe. Ein an den Ermittlungen beteiligter Polizist sagte zudem aus, dass der Angeklagte in seinem Anruf bei der Polizei von einem gestohlenen Auto gesprochen habe.

Da sowohl die Zeugin als auch der Beschuldigte die Übergabe der Schlüssel bestätigten und sich teilweise sogar selbst belasteten, schien der Vorwurf der Anklage bestätigt. Susanne Friedl war mehrmals sichtlich irritiert vom Verhalten der Beteiligten: „Ich hoffe, dass Sie daraus gelernt haben. Sie haben verdammtes Glück gehabt und hätten auch tot sein können“. Der 27-Jährige und sein Verteidiger hatten dem letztlich wenig entgegenzusetzen. Auch die vorgebrachten psychischen Probleme, wegen derer sich der Angeklagte seit geraumer Zeit in stationärer psychiatrischer Behandlung befindet, überzeugten Richterin und Staatsanwaltschaft nicht.

Insgesamt neun Vorstrafen

Insgesamt neun Vorstrafen hat der Arbeitslose seit 2012 angesammelt, die letzte (nicht rechtskräftige) Verurteilung ist erst ein halbes Jahr alt. Diebstahl, Brandstiftung, Sachbeschädigung und auch einschlägige Verkehrsdelikte stehen in seiner Akte vermerkt, wiederholt gab es Bewährungsstrafen.

Grund genug für die Staatsanwaltschaft, mit einem Strafmaß von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung nun die Haftstrafe zu fordern. „Es war außerordentlich verantwortungslos von allen Beteiligten und brachte Tod und nachhaltige Schäden“, so die Anklagevertreterin. Die Verteidigung gibt ohne Forderung eines konkreten Strafmaßes zu bedenken, dass der Angeklagte bei der Tat nicht dabei gewesen sei und letztlich wie so oft einfach nicht habe Nein sagen können. „Den Tod hat er nicht gewollt, das Ereignis wirft ihn selbst aus der Bahn“, schildert Rechtsanwalt Frank Gangl. Er tue aufgrund seiner psychischen Probleme Dinge, die sich rational nicht erklären ließen.

Susanne Friedl schloss sich in ihrem Urteil der Staatsanwältin an und fand deutliche Worte. Ein Jahr und sechs Monate muss der Angeklagte wegen fünfmaligem vorsätzlichen Zulassens des Führens eines Kfz ohne Fahrerlaubnis in Haft. „Ich kenne ihn schon eine ganze Weile. Es fehlt das Verantwortungsbewusstsein und er begeht immer wieder Straftaten. Zwar trägt er keine direkte Verantwortung für den Tod jungen Fahrers, aber es war einfach leichtfertig. Es war keine spontane Tat und Sie wissen, dass das nicht okay ist. Die Hoffnung auf eine positive Entwicklung ist nach mehreren Urteilen jetzt am Ende“, erklärt sie ihr Entscheidung. Die Haftstrafe solle endlich fühlbare Folgen haben. Ein weiteres Verfahren wegen Körperverletzung gegen seine Ex-Verlobte wurde auf deren Wunsch eingestellt.

Redaktion

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke