Prozess am Landgericht

Vergewaltigungsprozess: Rätselhafte Strategie des Verteidigers

Obwohl ein Freispruch wegen mangelnder Glaubwürdigkeit der Zeugen im Raum steht, befasst sich der Rechtsanwalt Simón Barrera González intensiv mit der Anklageschrift. Seinem Mandant wird geworfen, seine frühere Lebensgefährtin vergewaltigt zu haben.

Von 
Martin Bernhard
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Einen ungewöhnlichen Verlauf nimmt der Prozess gegen einen Buchener, der wegen dreifacher Vergewaltigung und Körperverletzung angeklagt ist. © Martin Bernhard

Buchen/Mosbach. Welche Strategie verfolgte der Verteidiger am Donnerstag beim dritten Verhandlungstag vor dem Landgericht Mosbach? Denn eigentlich könnte es kaum besser laufen für seinen Mandanten. Dem 49-Jährige Buchener wird vorgeworfen, er habe von 2017 bis 2021 seine damalige Lebensgefährtin in drei Fällen in der gemeinsamen Wohnung anal vergewaltigt und sie in mehreren Fällen körperlich misshandelt und bedroht. Unter anderem soll er sie gewürgt und eine brennende Zigarette über ihr Gesicht gezogen haben. Außerdem soll er sie mit einer Axt bedroht haben. Seit 2018 besitzen die Geschädigte und der Angeklagte einen gemeinsamen Sohn, um dessen Sorgerecht sich Vater und Mutter streiten, seitdem sich das Paar 2021 getrennt hat. Die meisten der angeblichen Taten können nur das Opfer und ihr damals zwischen neun und 13 Jahre alter Sohn bezeugen (wir berichteten).

Doch eine psychologische Gutachterin hatte am zweiten Verhandlungstag die Glaubwürdigkeit dieser beiden Zeugen infrage gestellt. Staatsanwalt Dr. Florian Kienle hatte damals die Schlussfolgerung der Sachverständigen in einem Satz zusammengefasst: „Sie halten alle Aussagen nicht als ausreichend erlebnisorientiert, um sie als Grundlage für die Verhandlung zu nehmen.“ Das hatte die Gutachterin am 15. November bestätigt. Da sich damit der weitaus größte Teil der Vorwürfe wohl nicht beweisen lässt, steht ein Freispruch dafür im Raum. Für die eine oder andere Körperverletzung und für Drohungen vor anderen Zeugen ist wohl eher eine geringe Strafe zu erwarten.

Trotzdem sezierte der Verteidiger am dritten Verhandlungstag am Donnerstag im Auftrag seines Mandanten die Anklageschrift. Nach etwa 50 Minuten kritisierte Leitender Oberstaatsanwalt Kienle die „Weitschweifigkeit“ der Ausführungen des Rechtsanwalts und schlug diesem vor, sich auf eine Stunde zu beschränken. Denn es sei ja auch ein Freispruch möglich. Doch das fasste Anwalt Simón Barrera González als Angriff auf und warf dem Oberstaatsanwalt vor, seinem Mandanten das Recht auf juristisches Gehör streitig machen zu wollen. „Machen Sie weiter“, sagte daraufhin Vorsitzende Richterin Dr. Barbara Scheuble .

Rassismus vorgeworfen

Und so ging der Rechtsanwalt mehr als drei Stunden lang auf Sachverhalte ein, die allein wegen der als inzwischen nicht glaubwürdig eingestuften Zeugenaussagen Eingang in die Anklageschrift gefunden hatten. Dabei warf er immer wieder latent und ausgesprochen dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Rassismus und Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund vor. Unter anderem sprach er von „tendenziösen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft“ Man hätte in der Anklageschrift, die das Gericht zur Hauptverhandlung zugelassen hatte, den Eindruck erweckt, dass sein aus Marokko stammender Mandant seine Lebensgefährtin wie ein „Pascha“ behandelt habe. Trotz vieler Streitigkeiten zwischen dem angeblichen Opfer und dem Angeklagten habe dieser sich immer wieder um Deeskalation bemüht. Der Verteidiger kritisierte klischeehafte Beurteilungen der Ermittlungsbehörden, äußerte sich aber selbst klischeehaft: „Im ländlichen Raum gibt es in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund Vorurteile.“

Alle drei Verhandlungstage waren von einer äußerst konfrontativen Prozessführung durch Verteidiger Simón Barrera González geprägt. So musste die Verhandlung am ersten Verhandlungstag sieben Mal unterbrochen werden, weil der Verteidiger schriftliche Anträge verfassen musste. Die meisten davon richteten sich gegen das Verhalten des Oberstaatsanwalts. Dieser hatte mehrfach die Zulässigkeit von Fragen des Verteidigers angezweifelt und deshalb den Verteidiger während seiner Fragen unterbrochen. Außerdem warf Barrera González der Vorsitzenden Richerin Scheuble Befangenheit vor. Dieser Antrag wurde abgelehnt.

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Doch auch in der Verhandlung am Donnerstag stellte Barrera González einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin. „Die Vorsitzende hat gelacht als ich behauptete, sie habe mit zornrotem Gesicht ohne erkennbaren Grund die Verhandlung geleitet“, begründete er den Antrag. Vom Presseplatz im Zuschauerraum war kein Lachen zu hören oder zu sehen gewesen. „Der Antrag ist – wie alle bisherigen Anträge auch, – gestellt, um das Verfahren zu verschleppen“, sagte Kienle. „Es hat niemand geschrien oder gelacht.“ Doch mit dem Stellen dieses Befangenheitsantrags war klar, dass es an diesem Tag nicht zu einer Entscheidung kommen werde. Denn über den Antrag muss das Landgericht ohne Teilnahme der betroffenen Richterin entscheiden. Und erst danach kann das Verfahren fortgesetzt werden.

Der nächste Verhandlungstag ist für den 12. Dezember, 9 Uhr, angesetzt. Eigentlich sollte dann ein Urteil gesprochen werden. Doch bei diesem Verfahren kann man sich da nicht sicher sein ...

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