Prozess

Prozess wegen angeblicher Vergewaltigung: Glaubwürdigkeit des Opfers angezweifelt

Der Prozess wegen vermuteter dreifacher Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung erfuhr eine Wendung: Die psychologische Gutachterin hält die Aussagen des mutmaßlichen Opfers und ihres Sohnes nicht für hinreichend glaubwürdig.

Von 
Martin Bernhard
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Vor dem Landgericht Mosbach muss sich ein Buchener verantworten. Er soll seine ehemalige Lebensgefährtin drei Mal vergewaltigt und sie mehrfach gewalttätig behandelt haben. © Martin Bernhard

Buchen/Mosbach. Hat ein 49-Jähriger aus Buchen über Jahre seiner Partnerin Z. Gewalt angetan und sie mehrmals zum Analverkehr gezwungen? Dieser Frage geht derzeit die Erste Große Strafkammer des Landgerichts Mosbach unter der Vorsitzenden Richterin Dr. Barbara Scheuble nach (wir berichteten online). Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten B. zur Last, er habe von 2017 bis 2021 seine damalige Lebensgefährtin in drei Fällen in der gemeinsamen Wohnung vergewaltigt und sie in mehreren Fällen körperlich misshandelt und bedroht. Unter anderem soll er sie gewürgt und eine brennende Zigarette über ihr Gesicht gezogen haben. Außerdem soll er sie mit einer Axt bedroht haben. Seit 2018 besitzen die Geschädigte und der Angeklagte einen gemeinsamen Sohn, um dessen Sorgerecht sich Vater und Mutter streiten, seitdem sich das Paar 2021 getrennt hat.

Ohrfeige nicht bestätigt

Am Donnerstag vernahm das Gericht drei Zeugen: den 70-jährigen P., eine 45-jährige Polizistin und eine 57-jährige Altenpflegerin, die eine Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und seiner ehemaligen Lebensgefährtin am 13. August 2021 auf der Straße vor dem Buchener Krankenhaus beobachtet hatte. P. hatte den Angeklagten, der über keine Fahrerlaubnis verfügt, an jenem Tag mit seinem Auto zum Buchener Krankenhaus gebracht. Er konnte nicht bestätigen, dass der Beschuldigte das mutmaßliche Opfer dort bei einem Streit um den gemeinsamen Sohn geohrfeigt habe. Auch die 57-jährige Zeugin war sich in diesem Sachverhalt nicht sicher.

Die Polizistin hatte das Opfer am Tattag vernommen. Dabei schilderte die Ex-Partnerin des Angeklagten nicht nur das Geschehen am Krankenhaus aus ihrer Sicht, sondern berichtete auch von angeblichen Misshandlungen und Vergewaltigungen der vergangenen vier Jahre. Daraufhin wurde ein Verfahren wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung gegen den Beschuldigten eingeleitet. Er saß mehrere Monate in Untersuchungshaft.

Am Freitag wurde die richterliche Videovernehmung des mutmaßlichen Opfers, einer heute 43-Jährigen Mutter, vom 15. September 2021 gezeigt. Verteidiger Simón Barrera González beantragte, die Zeugin ergänzend dazu in der Hauptverhandlung zu vernehmen, da inzwischen das psychologische Gutachten zur Glaubwürdigkeit der Zeugin vorliege.

Dem Alkohol verfallen

In ihrer Aussage berichtete das mutmaßliche Opfer von einem gewalttätigen und dem Alkohol verfallenen Angeklagten, der sie Anfang 2017 dreimal anal vergewaltigt haben soll, und zwar im Schlaf-, im Wohn- und im Badezimmer. Er habe sie außerdem vor ihrem damals neunjährigen Sohn beschimpft und bedroht. Dieser habe sich immer wieder zwischen die beiden gestellt, um Schlimmeres zu verhindern. Bei einem Besuch des Neffen des Beschuldigten in Bödigheim habe B. sie gegen eine Mauer gedrückt und gewürgt. „Es kam immer wieder zu Eskalationen“, sagte Z. „Wenn er getrunken hatte, war er unberechenbar.“ Außerdem habe er ihr gedroht, sie umzubringen, falls sie ihn mit einem anderen Mann betrügen würde. Nachdem sie sich im Mai 2021 von B. getrennt hatte, kam es immer wieder zu Streit über das Aufenthaltsrecht des gemeinsamen zweijährigen Sohns. Dies führte auch zur Eskalation der Situation am 13. August 2021. Der Angeklagte soll ihr an diesem Tag in der Wohnung ein Handy an den Kopf geworfen haben. Eine Stunde später soll er sie vor dem Buchener Krankenhaus geschlagen haben. „Das mit dem Schlag ins Gesicht ging so schnell“, sagte sie. Sie gehe davon aus, dass es sich dabei um einen Faustschlag gehandelt habe.

Wegen Falschaussage verurteilt

Die psychologische Gutachterin, die sich mit der Glaubwürdigkeit der Aussagen von Z. und ihrem heute 17-jährigen Sohn  befasste, berücksichtigte auch die Vorgeschichte der angeblich Vergewaltigten. So habe diese bereits über eine Vergewaltigung aus dem Jahr 2002 oder 2003 widersprüchliche Angaben gemacht: Mal sei sie von einem, ein anderes Mal von zwei Tätern vergewaltigt worden. Außerdem sei Z. wegen Falschaussage in einem anderen Fall zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Im aktuellen Rechtsfall wurde Z. 2021 drei Mal und 2022 zwei Mal vernommen. In den Aussagen ließen sich immer wieder Widersprüche feststellen. Die Schilderungen über die Vergewaltigungen sind nach den Worten der Gutachterin „pauschal und klischeenah“. Die Aussagen zu den Gewaltdelikten verfügten dagegen über eine „Realitätsnähe“. Hier habe die Zeugin „ausreichend übereinstimmend“ berichtet. Doch auch hier stellte die Gutachterin widersprüchliche Angaben fest.

Aussagen hinterfragen

Auch die Aussagen des Sohns müsse man hinterfragen. „Dieser verfügt über eine bedingungslose Loyalität gegenüber der Mutter“, sagte die Sachverständige. Allgemein betrachtet, seien dessen Aussagen zwar stimmig gewesen. Der Junge könne aber keine konkreten Situationen schildern. „Gesehenes, Erlebtes und Erzähltes können nicht voneinander abgegrenzt werden“, stellte die Gutachterin fest. Staatsanwalt Dr. Florian Kienle fasste deren Schlussfolgerung in einem Satz zusammen: „Sie halten alle Aussagen nicht als ausreichend erlebnisorientiert, um sie als Grundlage für die Verhandlung zu nehmen.“ Das bestätigte die Gutachterin.

Der Prozess wird am 28. November, 9.30 Uhr, fortgesetzt. Ob dann ein Urteil gesprochen wird, steht noch nicht fest.

Redaktion

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