Buchen. Carsten Diemer ist seit 1. Juni der neue Leiter des Polizeireviers Buchen. Er trat die Nachfolge von Werner Broßmann an. Nun nahm er die Einladung der FN-Redaktion an, für ein ausführliches Gespräch in den Redaktionsräumen in der Marktstraße vorbeizuschauen. Darin erklärt er die „Lage“ in Buchen und was seine dringlichsten Aufgaben sind. Zudem deutet er an, dass es bei den Polizeiposten temporär zu Veränderungen kommen kann.
Herr Diemer, Sie sagten bei Ihrer Amtseinführung: „Der Wechsel nach Buchen war mein festes Ziel.“ Warum wollten Sie unbedingt nach Buchen versetzt werden?
Carsten Diemer: Bevor ich ins Polizeipräsidium nach Heilbronn wechselte, war ich schon einmal in Buchen. Ich fand es schon immer erstrebenswert in meinem Heimatkreis Revierleiter zu werden. Nun bekam ich mit 46 Jahren diese Möglichkeit und habe sie ergriffen.
Sie waren Leistungssportler, haben 15 Jahre in der Gewichtheber-Bundesliga gehoben und waren auch Deutscher Meister. Welche Eigenschaften des Sportlers Diemer helfen dem Revierleiter Diemer?
Diemer: Auch wenn Gewichtheben eine Schnellkraftsportart ist, bin ich ziemlich ausdauernd. Wenn ich dienstlich und privat etwas möchte, dann habe ich einen langen Atem und kann beharrlich sein. Im öffentlichen Dienst dauern bekanntlich manche Dinge etwas länger, aber ich habe Stehvermögen. Insgesamt bin ich immer noch dabei, das Revier und die Kollegen richtig kennenzulernen – und das ist umgekehrt genauso.
Wir müssen die zuletzt gestiegenen Zahlen an Straftaten wieder senken.
Worin sehen Sie die größte Herausforderung in Ihrer neuen Position? Ist es die große Fläche, die Sie mit Ihren Beamten „betreuen“?
Diemer: Die Fläche ist gewiss eine Herausforderung, ja. Aber in erster Linie möchte ich, dass sich die Menschen hier weiter sicher fühlen. Und dazu müssen und werden wir die zuletzt gestiegenen Zahlen der Straftaten wieder senken. Das wird uns auch gelingen, da bin ich mir sicher. Nichtsdestotrotz bleibt die tägliche Arbeit herausfordernd, sie reicht unter Umständen von der Katze auf dem Dach bis zum Tötungsdelikt. Aber ich kann auf motivierte Kollegen in meinem Team zählen. Ausschlaggebend ist übrigens nicht die Fläche an sich, sondern die Tatsache, wie groß die Arbeitsbedarfe in den verschiedenen Gebieten sind – und diese sind zum Beispiel im Raum Adelsheim/Osterburken andere als in Buchen.
Um die Präsenz in der Fläche besser gewährleisten zu können, gibt es unter anderem die Polizeiposten in Adelsheim, Walldürn und Hardheim. Bleiben die auch künftig in dieser Form bestehen?
Diemer: Darüber gilt es tatsächlich nachzudenken. Wir werden aus verschiedenen Gründen eine personelle Umwälzung in bestimmten Posten haben. Hier müssen Dinge neu gedacht und geregelt werden, damit die Posten eine adäquate Tagesstärke aufweisen können – allein schon aus Gründen der Eigensicherung, die es bei der Polizei zu beachten gilt. Dazu kann es unter Umständen nötig sein, temporär den einen oder anderen Posten geschlossen zu halten.
Wie ist das Polizeirevier Buchen personell ausgestattet?
Diemer: Wir sind 65 Personen. Es könnten immer ein paar mehr sein, klar, aber diese Anzahl ist aktuell ausreichend, um unseren Aufgaben nachzukommen.
Zur Person: Carsten Diemer
Alter: 46.
Wohnort: Obrigheim.
Im Polizeidienst: Seit 24 Jahren.
Berufliche Stationen: Dienstgruppenleiter in den Revieren in Mosbach und Buchen, sieben Jahre Teil der Stabsstelle „Öffentlichkeitsarbeit“ am Polizeipräsidium Heilbronn, zuletzt deren Leiter.
Familie: verheiratet, zwei Söhne (neun und 13 Jahre alt).
Hobbys: Reisen, Sport.
Ehrenamt: Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber.
Sonstiges: Carsten Diemer war 21 Jahre lang Gewichtheber in Obrigheim, davon 15 Jahre in der Ersten Bundesliga. mb
Wie ist der Altersdurchschnitt?
Diemer: 37,4 Jahre. Ich bin etwas erschrocken, da ich schon deutlich älter bin als der Schnitt (lacht). Es gibt Reviere, da ist der Altersdurchschnitt deutlich höher als bei uns. Das heißt: Wir sind sehr gut aufgestellt. Die Tatverdächtigen werden statistisch gesehen immer jünger. Deshalb ist es von großem Vorteil, wenn unsere Beamten diesen sozusagen auf Augenhöhe begegnen können.
Wie schwierig ist es für die Polizei gerade, adäquaten Nachwuchs zu gewinnen?
Diemer: Das ist eine gewaltige Aufgabe, und deshalb gibt beim Polizeipräsidium Heilbronn auch Einstellungsberater. Das sind mehrere Kollegen, die sich ausschließlich darum bemühen, dass sich Leute bei uns bewerben. Bei uns kommt erschwerend hinzu, dass wir uns nicht am freien Markt bedienen können; vielmehr müssen alle Neulinge eine spezielle Ausbildung oder ein Studium durchlaufen. Unseren Nachwuchs gibt es eben nicht bei der Jobagentur.
Mit welchem Hauptargument würden Sie heue einen jungen Menschen für die Polizei begeistern?
Diemer: Es wird keinen Beruf geben, der so abwechslungsreich ist wie unserer. Kein Arbeitstag gleicht dem vorigen.
Konflikte ausländischer Bürger? Dieser Anteil ist eine relevante Größe.
Kommen wir zum Thema Sicherheit und den jüngsten Zahlen aus der Kriminalstatistik 2023 (Anm. d. Red.: Wir berichteten bereits darüber). Diese zeigt für den Bereich des Polizeireviers Buchen, dass die Gewaltkriminalität um 73, die Straßenkriminalität um 30 und die Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum sogar um 100 Prozent gestiegen sind. Worauf ist die deutlich erhöhte Tendenz zur Gewaltkriminalität zurückzuführen?
Diemer: Ganz einfach ausgedrückt: Es wird schneller und mehr zugeschlagen. Wir merken das auch bei Gewalt gegen Polizeibeamte. Dass Kollegen mal pampig angesprochen werden, ja gut, das kommt vor. Aber es kommt auch immer wieder vor, dass Beamte verletzt werden. Insgesamt ist es so: Die Menschen neigen dazu, immer mehr zu diskutieren; und diese Diskussionen enden immer öfter in einer körperlichen Auseinandersetzung. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Dazu kommt, dass die Menschen schneller als früher Delikte anzeigen. Das ist auch gut so. Als Beispiel: Wenn es vor 20 Jahren einen Konflikt auf dem Schulhof gab, dann ist er auch dort gelöst worden, und es war erledigt. Jetzt ist es viel öfter so, dass die Polizei dazu benutzt wird, um solche Konflikte zu lösen. Bei dem Gros der Konflikte kennen sich die Menschen, und meist haben sie sich auch nicht das erste Mal gekappelt.
Fällt darunter auch häusliche Gewalt?
Diemer: Ja. Das ist ein ganz großes Feld, auch hier sind die Zahlen deutlich gestiegen. Das Schwierige an diesem Problem ist, dass es kaum bis gar nicht durch Prävention zu lösen ist. Die Kollegen werden in gewisse Familien viele Male gerufen, weil es immer wieder etwas gibt. Durchbrechen können wir diese Spirale aber nicht; das können nur die Betroffenen. Ohne all die Zahlen herunterspielen zu wollen, zeigen diese Beispiele aber, warum sie teilweise sehr hoch sind. Denn: Auch wenn Strafanträge zurückgezogen werden, bleiben die Taten in der Statistik.
Wie groß ist hier der Anteil an Konflikten ausländischer Bürger?
Diemer: Dieser Anteil ist tatsächlich eine relevante Größe. Vorweg: Es gibt Delikte, die deutsche Staatsbürger gar nicht begehen können, zum Beispiel ausländerrechtliche Verstöße. Und: Es sind viele Delikte, die innerhalb von Unterkünften von Asylsuchenden verübt werden. Aber dadurch fühlen sich auch Leute im Umfeld solcher Unterkünfte immer wieder bedroht – wenn Bewohner in Streit geraten, rumbrüllen oder sich vielleicht sogar prügeln. Aber klar: Menschen mit Migrationshintergrund begehen auch Straftaten anderer Art. Außerdem gibt es ausländische Banden, die hier durchziehen und Straftaten begehen, zum Beispiel Einbrüche.
Gibt es in Buchen Hotspots für Gewaltdelikte?
Diemer: Nein. Es gibt Bereiche, in denen sich unterschiedliche Taten häufen, zum Beispiel an der „alla-Hopp-Anlage“: Da gibt es Sachbeschädigungen, Streit und vielleicht auch noch ein Drogendelikt. Aber es ist an keinem Ort in Buchen besorgniserregend.
Gibt es etwas Buchen-spezielles? Eine bestimmte Art der Kriminalität oder eine gewisse Szene, die sich hier breitmacht?
Diemer: Nein. Wir haben, wie die übrige Polizei im Land auch, einen größeren Aufwand bei der Umsetzung des neuen Konsum-Cannabisgesetzes. Es wurde ja so dargestellt, dass es durch die neue Gesetzgebung irgendwie kontrollierbar ist und Märkte austrocknen würden. Aber: Die Schwarzmärkte gibt es immer noch, die „Social Clubs“ sind noch nicht etabliert, und auf der Straße wird immer noch Cannabis verkauft. Jetzt geht es um die Menge, die eine Person mit sich führt; die muss gewogen werden und wir müssen schauen, ob beispielsweise eine Kindereinrichtung in der Nähe ist. Was ganz klar Fakt ist: Es sind mehr Autofahrer unter Drogeneinfluss unterwegs, und unsere Aufgabe ist es auch, den Straßenverkehr zu schützen. Was uns zudem fordert, ist die Onlinekriminalität – aber auch das ist kein Buchen-spezifisches Problem. Wir haben im Ermittlungsdienst je einen Kollegen, die nahezu keine anderen Fälle bearbeiten, außer aus der Online-Kriminalität.
Heißt das, dass sich die Buchener in Ihrer Stadt und den Stadtteilen noch sicher fühlen können?
Diemer: Da bin ich mir ganz sicher. Es ist insgesamt sehr unwahrscheinlich, als unbeteiligte Person Opfer einer Körperverletzung zu werden. Jedes zweite Opfer hat eine formale Beziehung zur Täterin beziehungsweise zum Täter.
Jeder kann auch selbst beeinflussen, ob er Opfer einer Straftat wird.
Und Eltern können Ihre Kinder in der Dämmerung immer noch beruhigt auf die Straße lassen?
Diemer: Ich komme zwar aus Obrigheim, aber ich habe zwei Kinder und lasse die ganz ruhigen Gewissens auf die Straße. Ich denke, der Neckar-Odenwald-Kreis insgesamt ist hier vergleichbar. Ich möchte die Eltern aber damit nicht frei von jeder Verantwortung sprechen.
Die Anzahl der Diebstähle im Bereich des Reviers Buchen ist auch um 40 Prozent gestiegen. Sind das überwiegend Ladendiebstähle?
Diemer: Die Zahl ist breitgefächert. Es sind auch Ladendiebstähle, ja, doch die liefern uns seit jeher eine hohe Aufklärungsquote. Aber es sind auch Diebstähle von E-Bikes oder aus Wohnungseinbrüchen darunter. An dieser Stelle möchte ich gerne einen Appell an die Menschen hier richten: Jeder kann es auch selbst beeinflussen, ob er Opfer einer Straftat wird.
Wie meinen Sie das?
Diemer: Man sollte beispielsweise die Fenster lieber schließen als gekippt halten oder eine Lampe mit Bewegungsmelder anbringen. Das E-Bike sollte besser in einem ordentlich abgeschlossenen Schuppen stehen als unabgeschlossen hinterm Haus. Wenn ich mein Auto abschließe, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass der Geldbeutel daraus geklaut wird. Oft wäre uns viel geholfen, wenn die Menschen ihr Hab und Gut besser schützen würden.
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