Hainstadt. So eine lange Menschenschlange vor der Mehrzweckhalle in Hainstadt, so merkte ein Mann an, habe er das letzte Mal bei einer Fastnachtsveranstaltung dort gesehen. Doch am Donnerstag war nicht „der Schmutzige“, sondern es war ein ganz normaler Donnerstag im Juni, an dem der Ortschaftsrat Hainstadt eine Sitzung anberaumt hatte. Dass das Interesse der Bevölkerung daran so groß war, lag an der Tagesordnung. Darauf stand unter anderem die „Straßenverkehrsplanung des Baugebiets „Marienhöhe“. Zu Beginn der Sitzung waren dann tatsächlich 94 der 100 möglichen Plätze besetzt.
Das Thema „Verkehr“ treibt vor allem die Hainstadter Bürger um, denn sie fühlen sich übergangen und benachteiligt. Sie vertreten die Meinung, dass sie bei der jetzt begonnenen Erschließung und späteren Bebauung des Wohngebiets übermäßig mit Schwerlastverkehr, vor allem in der Ziegeleistraße, belastet sind. Deshalb wurden in der Frageviertelstunde für Einwohner zahlreiche Bedenken geäußert, aber auch einige konstruktive Vorschläge zur Verbesserung der Lage gemacht. Doch nicht nur deshalb wurde aus der Viertelstunde eineinviertel Stunden, sondern auch, weil Bürger die Chance nutzten, Bürgermeister Roland Burger zahlreiche weitere Probleme und „Problemchen“ vorzutragen. Als zum Schluss hin die Emotionen ein wenig hochkochten und der Pfad des guten Tons verlassen wurde, beendete Ortsvorsteherin Regina Schüßler die Sitzung.
Nicht gegen Baugebiet, aber . . .
Schüßler hatte eingangs nochmals klargestellt, dass der Ortschaftsrat „in keinster Weise“ gegen das Baugebiet „Marienhöhe“ sei. Man hätte sich aber gewünscht, im Vorfeld besser in die Planungen der Verkehrsführung über die Ziegeleistraße eingebunden zu werden. Hier ergriff nun Bürgermeister Burger das Wort. Aufrichtig sagte er: „Wir erkennen an, dass die Information in Richtung Hainstadt nicht gut gelaufen ist. Wir hätten von der Verwaltung früher und besser informieren müssen. Ich will Abbitte leisten.“ Applaus gab es dafür zwar keinen, aber man merkte vielen Leuten doch an, dass sie erstaunt waren über solch offene Worte ihres Stadtoberhauptes.
Zu den Fakten: Der Schwerlastverkehr zur Erschließung des Baugebiets „Marienhöhe“ fährt fast ausschließlich durch die Hainstadter Ziegeleistraße dorthin und auch wieder zurück. Dort fahren aber schon deshalb mehr Lkw, weil Material zur Tonziegel-Firma „Braas“ geliefert und fertige Produkte wieder abtransportiert werden. Hubert Kieser, Technischer Dezernent und Fachbereichsleiter „Technische Dienste“ der Stadt Buchen, stellte die Ergebnisse einer Verkehrszählung zwischen dem 14. und 21. Juni in der Ziegeleistraße vor. Diese ergab: Täglich fahren dort durchschnittlich 677 Kraftfahrzeuge, 176 davon sind Lkw. Kieser stellte Vergleichsdaten einer Zählung aus dem Jahr 2019 gegenüber. Demnach liegt beispielsweise das durchschnittliche Verkehrsaufkommen zwischen Willy-Brandt-Platz und Kreisel an der Post bei 13 324 (363 davon Schwerlastverkehr). An weiteren Beispielen verdeutlichte er, dass die Zahlen in der Ziegeleistraße vergleichsweise niedrig sind. „677 klingt viel, ist aber für Verkehrsexperten wenig. Wir sind weit davon entfernt von deutlicher Mehrbelastung“, so Kieser.
Ampel für sichere Überquerung
Trotzdem hat sich die Buchener Stadtverwaltung dazu entschlossen, kurzfristige Maßnahmen zur Verkehrssicherheit in der Hainstadter Ziegeleistraße zu ergreifen: Seit dieser Woche gilt dort nur noch Tempo 30. Geplant ist zudem eine Ampelanlage, die zwischen Mehrzweckhalle und Abzweigung zur „Lebenshilfe“ eine sichere Überquerung der Straße für Schüler und Radfahrer gewährleisten soll. Die Anschaffung der Ampel dauere aber mindestens noch sechs Wochen, informierte Roland Burger.
Was bisher geschah
Ortschaft- und Gemeinderat Klemens Gramlich skizzierte kurz chronologisch auf, was sich in Sachen „Verkehr zu Marienhöhe“ getan hat
- 7. September 2020: Erste offizielle Anfrage im Gemeinderat Buchen, wie denn die Verkehrsführung zur „Marienhöhe“ sei. Antwort Bürgermeister Burger: „Erst im dritten und vierten Bauabschnitt.“ Am Donnerstag gestand das Stadtoberhaupt allerdings ein, dass er die „reguläre Verbindung“ gemeint habe, nicht den Verkehr für die Erschließung.
- 19. April 2021: Im Gemeinderat wird bekannt gegeben, dass es eine provisorische Baustraße geben werde.
- 10. Mai 2021: Der Ortschaftsrat Hainstadt formuliert einen Fragenkatalog.
- 27. Mai 2021: Der Ortschaftsrat fordert von der Verwaltung, in Sachen Baustellenverkehr aufgeklärt und einbezogen zu werden.
- 14. Juni 2021: In der Gemeinderatssitzung räumt Bürgermeister Burger ein, „dass die Sache nicht gut gelaufen sei. Man hätte früher auf den Ortschaftsrat zugehen sollen“. Danach habe es aber gute und sachliche Gespräche geführt. mf
Doch an der Ampel schieden sich schon die Geister bei den Zuhörern. Durch das ständige Anfahren der Lkw dort werden ein erhöhter Schadstoffausstoß und noch mehr Lärm befürchtet, hieß es. „Tempo 30“ wurde als „Alibi“ bezeichnet, zudem wurden die Ergebnisse der Verkehrsmessungen angezweifelt. Burger sagte: „Ich will keinem etwas überstülpen, sondern nur ein Angebot machen.“ Weitere Ideen wie eine Einbahnregelung in Richtung „Marienhöhe“ oder einen Kreisel am Ortseingang von Hainstadt (von Buchen kommend), um den Verkehr grundsätzlich zu bremsen, verwarf Burger gleich und begründete dies „aus Verwaltungssicht“. Das Stadtoberhaupt schloss mit den Worten: „Ich bitte Sie, mit der Situation umzugehen. Ich kann es nicht jedem recht machen.“ Ob die Hainstadter dieser Bitte entsprechen?
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