Bad Mergentheim/Wachbach. Mitte Juli veranstaltete der deutsche Ableger der Nachtwölfe auf einem Campingplatz in Bad Mergentheim eine „Sommerparty“. Wer sind die Nachtwölfe, die seit 2022 auf der EU-Sanktionsliste stehen?
Etliche Polizeitransporter parken am Rande eines Campingplatzes nahe Wachbach. Der 20. Juli ist ein heißer Sommertag: Während Polizisten einen erträglichen Ort im Schatten suchen, laufen die Motoren einiger Transporter, um die Polizeihunde mit frischer, kühler Luft zu versorgen.
Am Wochenende feiern die Nachtwölfe eine "Sommerparty" - nur für geladene Gäste
An diesem Juli-Wochenende feierte der deutsche Ableger der Nachtwölfe, eines berüchtigten Motorradclubs aus Russland, auf dem Campingplatz eine mehrtägige „Sommerparty“. In ihrer Einladung haben sie betont, die Party sei eine „Privatveranstaltung“. Willkommen seien „nur geladene Gäste“.
„Wir wollen sehen, wer zur Veranstaltung kommt“, sagte ein Sprecher der Polizei. Um die Teilnehmenden und deren Fahrzeuge nach Waffen zu durchsuchen, finden Kontrollen an der Ab- und Zufahrt statt. Hintergrund ist eine Auseinandersetzung vom 13. Juli zwischen Bandidos und Outlaws, zweier verfeindeter Motorradclubs, an einer Tankstelle in Marktheidenfeld.
"Sommerparty" der Nachtwölfe: Auch Teilnehmer aus der Region
An der „Sommerparty“ nehmen mehr als 100 Menschen teil. Einige Teilnehmer kommen aus der Region. Doch die meisten Fahrzeuge tragen ortsfremde Kennzeichen. Pforzheim, Meißen, Rüdesheim, Zeulenroda. Gegen Abend, als die Temperaturen sinken, beendet die Polizei ihren Einsatz. Um 19.30 Uhr reisen die Transporter in einer Kolonne ab. Dann sind die Nachtwölfe unter sich.
Bereits im Oktober 2023 soll eine Party der Nachtwölfe auf einem Grillplatz im Bad Mergentheimer Stadtteil Edelfingen stattgefunden haben. Damals schrieben sie in der Einladung, man erhebe „keine Ansprüche“ und wolle „kein Gebiet“.
An Krim-Annexion beteiligt: Wer sind die Nachtwölfe?
Keine Ansprüche, kein Gebiet? Das ist äußerst fraglich: Denn die Nachtwölfe, die 1989 in Moskau gegründet wurden, vermengen Nationalismus mit christlicher Orthodoxie und propagieren ein großrussisches Reich. Zum Beispiel beanspruchen sie das Gebiet der ukrainischen Krim. Im Frühjahr 2014 waren sie an der Besetzung und Annexion der Halbinsel am Schwarzen Meer beteiligt, indem sie durch die Straßen patrouillierten und Passanten an selbst eingerichteten Posten auf Waffen kontrollierten.
Daraufhin verlieh Putin dem Anführer und Gründer der Nachtwölfe, Alexander Saldostanov, die „Medaille für die Rückholung der Krim“. Saldostanov durfte gar, als die Olympischen Winterspiele 2014 in Russland stattfanden, die Fackel tragen. Bis heute unterstützt er mit seinen Nachtwölfen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Daher setzte die EU sowohl den Motorradclub als auch Saldostanov im Juli 2022 auf ihre Sanktionsliste. So wird Saldostanov, der einige Jahre in Deutschland lebte, die Einreise in die EU verboten.
Nachtwölfe: Motorradclub hat enge Beziehungen zu Putin
In seiner Begründung schreibt der EU-Ministerrat, der Nachtwölfe-Chef sei ein „wichtiger Unterstützer der russischen Regierung“ und pflege „enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin“.
Alexander Saldostanov fördere, so heißt es weiter, die russische Staatspropaganda, „indem er das Recht der Ukraine auf Staatlichkeit öffentlich leugnet und die ‚Entnazifizierung’ und die ‚Ent-Ukrainisierung’ des Landes fordert und den Gedanken propagiert, dass die Ukraine integraler Bestandteil Russlands sein sollte.“
Bereits 2014 veranstalteten die Nachtwölfe eine Show mit 100.000 Menschen in der Krim-Metropole Sewastopol – in der sie die Annexion der ukrainischen Halbinsel feierten.
Auf VK, Russlands Facebook-Pendant, stellt Saldostanov seine Kriegsverherrlichung zur Schau. Ein Video, das er am 18. Juli 2024 postete, zeigt russische Soldaten beim Abfeuern eines Artilleriegeschosses. Einer der Soldaten, offenbar der Kommandeur der Truppe, trägt eine schwarze Lederkutte der Nachtwölfe. Seine olivgrüne Schildkappe zeigt ein großes „Z“. Der Buchstabe ist ein Symbol des russischen Militärs, in der Öffentlichkeit wird mit ihm die Unterstützung für die russische Invasion zum Ausdruck gebracht. Das Video macht deutlich: Die Nachtwölfe sind in Russlands Krieg gegen die Ukraine involviert – und ihr Anführer macht keinen Hehl daraus.
Nachtwölfe stehen auf der EU-Sanktionsliste
Seit mehreren Jahren fahren die Nachtwölfe anlässlich der Kapitulation der deutschen Wehrmacht und dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 von Russland nach Berlin. Am 9. Mai, der nach Moskauer Zeit den „Tag des Sieges“ markiert, treffen die Biker am „Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park“ ein, einer Gedenkstätte mit imposantem Friedhof zu Ehren der gefallenen Soldaten der Roten Armee.
Als die Nachtwölfe im Jahr 2015 ihre erste „Siegestour“ durchführen wollten, versuchten die Bundesregierung und mehrere Regierungen osteuropäischer Staaten, die Einreise zu verhindern. In Deutschland wurde das Einreiseverbot mit der „Bedrohung für die öffentliche Sicherheit“ begründet. Allerdings hatte das Berliner Verwaltungsgericht die Einreiseverbote nach Deutschland aufgehoben.
Anfang 2023 wurde Nachtwölfe MC Germania gegründet
Seitdem die Nachtwölfe auf der EU-Sanktionsliste stehen, findet die alljährliche „Siegestour“ ohne russische Mitglieder des Motorradclubs statt. Unter den Teilnehmenden der diesjährigen Tour waren auch deutsche Nachtwölfe. Erst Anfang 2023 wurde der Nachtwölfe MC Germania gegründet. Vor der Gründung des deutschen Ablegers waren sie in einem transnationalen Chapter organisiert. Das geht aus der Antwort einer Kleinen Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Oliver Hildenbrand im Stuttgarter Landtag hervor.
Mitglieder der Nachtwölfe leben im Raum Bad Mergentheim
Veröffentlichte Fotos der „Siegestour“ zeigen, wie Nachtwölfe mit einer Russlandflagge in der Gedenkstätte posieren. Nach der Fahrt klagten die deutschen Nachtwölfe auf ihrer Facebook-Seite, die Polizei habe versucht, „uns zu brechen“. Man habe bloß in Zehnergruppen an das Mahnmal herantreten dürfen. Kampfeslustig stellten sie klar: „Wir werden uns niemals brechen lassen!“
Laut Polizei sollen Mitglieder der Nachtwölfe MC Germania im Raum Bad Mergentheim leben. Das erklärt, warum die „Sommerparty“ auf einem Campingplatz der Kurstadt stattfindet. Eines der Mitglieder, das in der Region wohnt, nahm Anmeldungen zur Party entgegen und betreut offenbar die Facebook-Seite des deutschen Chapters.
Äußerungen, die das Mitglied im Netz tätigt, lassen Einblicke in den Anti-Amerikanismus der Nachtwölfe gewähren. Einmal behauptete der Nachtwolf, Deutschland sei ein „vom Ami besetztes Land“, und appellierte: „Wacht auf!“ Ein andermal postete er eine Weltkarte mit Stützpunkten des US-Militärs und fragte: „Wer ist denn hier der Kriegstreiber?“
Derweil bringen die deutschen Nachtwölfe auf dem Campingplatz eine Russlandflagge an.
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