Bad Mergentheim/Ellwangen. Tatort war die Boxberger Straße in Bad Mergentheim. Im September vergangenen Jahres wurde sie zum beliebten „Schleichweg“ auf die Landesstraße 2248 Richtung Dainbach/Schweigern. Denn zu diesem Zeitpunkt war die reguläre Strecke auf den Drillberg für Bauarbeiten (neue Ampel an der Würth-Lkw-Zufahrt) vorübergehend voll gesperrt. Damit der Busverkehr nicht über die recht weiträumige Umleitung via Edelfingen und Königshofen fahren musste, öffnete die Stadt die eigentlich mit einer Schranke gesperrte Boxberger Straße, sodass eine direkte Durchfahrt von Bad Mergentheim auf die L 2248 möglich war. Dies galt jedoch explizit nur für den Busverkehr.
Aufgrund zahlreicher Verstöße kontrollierte das Ordnungsamt der Kurstadt hier verstärkt und stellte in der Pkw-Fahrt eines Mannes einen Verstoß gegen die geltenden Regeln fest. Bei der Kontrolle soll er sich nach Angaben der insgesamt vier Mitarbeiter „unkooperativ“ gezeigt haben, den Motor trotz Aufforderung nicht abgestellt und das Fenster nur minimal geöffnet haben.
Da er sich nicht ausweisen konnte, verständigten die Mitarbeiter des Ordnungsamtes die Polizei. Zwischenzeitlich hatte sich eine Politesse vor das Auto des Angeklagten gestellt. Irgendwann soll der Mann dann unvermittelt losgefahren sein. Nur durch einen Sprung zur Seite habe sich die Frau retten können.
Besonders schwerer Widerstand und ein tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte lautet dementsprechend der Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft Ellwangen dem 51-Jährigen machte. Erstinstanzlich wurde er vom Amtsgericht Bad Mergentheim deshalb zu acht Monaten Freiheitsstrafe (ausgesetzt zur Bewährung) verurteilt. Ein Urteil, das nach Ansicht des Angeklagten unverhältnismäßig hart ausfiel. Er legte Berufung gegen das Urteil ein. Denn eine solche Haftstrafe hätte Folgen für seine Selbstständigkeit. Der gelernte Kfz-Meister ist Eigentümer mehrerer Autohäuser. Eine Straftat mit entsprechendem Urteil könnte seine Zuverlässigkeit im rechtlichen Sinne gefährden. Das bedeutet: Es könnte zu einer Gewerbeuntersagung, also dem Ende der Geschäftstätigkeit, kommen.
Urteil als Problem für den Beruf
Dies gilt für einmalige Straftaten, wenn sie sehr schwerwiegend ist und branchenrelevant sind. Und genau das liegt hier vor: Der Zwischenfall ereignete sich im Rahmen einer Probefahrt, die der Kfz-Meister mit einem Kundenfahrzeug durchführte. Das Auto gilt in diesem Kontext als „gefährliches Werkzeug“ und rechtfertigt die Einstufung als besonders schwerer Fall.
Kurzum: Ein solches Urteil wäre für den Unternehmer ein großes Problem. Selbst ohne den Entzug der Gewerbeerlaubnis könnte er mit dem Eintrag der Strafe ins polizeiliche Führungszeugnis keine roten Nummernschilder mehr erhalten, die unter anderem für Probefahrten erforderlich sind.
Nach Hinweisen von Richter Martin Honold auf eher geringe Erfolgsaussichten einer vollständigen Berufung beschränkte sich der Angeklagte schließlich mit seiner Berufung auf das Strafmaß. Das Ziel: Eine Geldstrafe, die noch gering genug ist, um nicht im polizeilichen Führungszeugnis aufzutauchen. Nur so bestünde auch weiterhin die Möglichkeit, die so wichtigen roten Nummernschilder zu erhalten.
Diese Beschränkung der Berufung bedeutet jedoch auch, dass der Angeklagte den Tatablauf grundsätzlich eingesteht. Dennoch beurteilte der Mann die Situation ganz anders: „Ich wollte nicht durch die Schranke fahren, sondern wenden. Ich fahre diese Strecke öfter, weil sie ideal für Motortests ist. Aus meiner Sicht war beim Losfahren niemand vor dem Auto, es war nicht meine Absicht, abzuhauen oder jemanden zu verletzen.“
Dennoch hätte er rückblickend vieles anders gemacht, beteuerte er. Ein derart hartes Urteil würde jedoch seinem Ruf schaden, zumal der Mann auch ehrenamtlich aktiv ist. Auch ein Fahrverbot wäre „sehr hart“, jedoch das geringere Übel im Vergleich zu drohenden Konsequenzen nach dem ersten Urteil. Als „nicht ganz ideal“ bezeichnete auch Verteidiger Falk-Gerrit Nolte das Verhalten seines Mandanten. Dennoch sei das erstinstanzliche Urteil „übermäßig hart“. Der Angeklagte sei Arbeitgeber für zahlreiche Mitarbeiter und sei nicht vorbestraft. Die roten Kennzeichen seien von besonderer Bedeutung für den Autohändler.
Zu bestimmten Reparaturen (und entsprechenden Probefahrten zur Diagnostik) ist demnach auch nur der Angeklagte als einziger Kfz–Meister im Betrieb in der Lage. Daher wäre selbst ein Fahrverbot hart, aber zusammen mit einer Geldstrafe als Sanktion ausreichend und angemessen. 90 Tagessätze zu je 130 Euro, insgesamt knapp 12 000 Euro, sowie ein viermonatiges Fahrverbot hielt Nolte für angemessen.
Tat „keine Lappalie“
Dem schlossen sich auch Staatsanwältin Stuwe und Richter Honold an. Dabei kommen dem Angeklagten spezielle Regeln zugute. Denn eigentlich liegt die Mindeststrafe für einen besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bei sechs Monaten. Eine derart niedrige Geldstrafe wäre so eigentlich nicht möglich. Doch die Beschränkung der Berufung und Anerkennung des Tatablaufs wirken rechtlich gesehen wie ein Geständnis. Dieses fehlte vor dem Amtsgericht Bad Mergentheim noch.
Das Geständnis kommt dem Angeklagten nun ebenso zugute wie seine fehlenden Vorstrafen und gezeigte Reue. Der Richter erkannte in seinem Urteil zwar an, dass es sich bei der Tat des Angeklagten um einen besonders schweren Fall handelte. Er wandte jedoch mit dieser Begründung lediglich den Strafrahmen eines normalen Falls an.
Dieser liegt mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe niedrig genug, um ihn durch eine Geldstrafe von neunzig Tagessätzen zu ersetzen. „Auch wenn das Strafmaß eher am unteren Rand liegt, war die Tat keine Lappalie. So etwas geht nicht. Die Mitarbeiter des Ordnungsamts müssen diese Kontrollen machen können, ohne um ihr Leben zu fürchten. Daher ist ein längeres Fahrverbot dringend geboten. Der Angeklagte soll aber nicht an seinem beruflichen Fortschritt gehindert werden“, begründete Honold seine Entscheidung. Eine Revision gegen das Urteil ist noch möglich.
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