Bad Mergentheim/Niederstetten. Der Angeklagte ist kein Unbekannter für das Amtsgericht Bad Mergentheim. Bereits im Januar wurde er im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten im Bereich der Kryptowährungen wegen Betrugs verurteilt. Er soll seine damaligen Partnerinnen in betrügerischer Absicht dazu bewegt haben, große Kredite für den Kauf neuer Hochleistungsrechner aufzunehmen. Mit diesen Rechnern wurde dann das sogenannte Bitcoin-Mining, also das Erzeugen der Digitalwährung, betrieben. Auch ein teilweiser Freispruch half wenig: Ein Jahr und zwei Monate betrug das Strafmaß, welches mittlerweile vom Landgericht Ellwangen in zweiter Instanz bestätigt wurde (eine Revision läuft noch).
Nun ging es in einem weiteren Prozess am Amtsgericht Bad Mergentheim wieder um die Bitcoins, jedoch nicht nur: Immerhin neun Diebstähle, teils in Verbindung mit Einbrüchen, soll der 31-Jährige Angeklagte ebenfalls begangen haben. Im Raum Bad Mergentheim, im Bauhof Niederstetten, in Creglingen an der Bergkirche Laudenbach, in Blaufelden und sogar im Raum Ochsenfurt soll der Mann im Sommer 2022 aktiv gewesen sein. Neben dem Diebstahl von Kraftstoffen waren es vor allem verschiedene Werkzeuge, auf die er es abgesehen hatte. So entstand nach Darstellung der Staatsanwaltschaft ein Schaden von mehreren tausend Euro. Nach Hinweisen seiner damaligen Lebensgefährtin stellte die Polizei Verbindungen zu verschiedenen Einbrüchen in der Region her und rückte mit starken Kräften zu einer Razzia am Wohnsitz des Angeklagten im Raum Niederstetten aus (wir berichteten).
Hier kamen die Bitcoins wieder ins Spiel. Denn im Zuge der Razzia fanden die Polizisten nicht nur Diebesgut, sondern auch ein unzulässiges Stromkabel, das einen Serverraum mit bis zu 22 Rechnern illegal mit Strom versorgte. So entstand ein Schaden von 46 000 bis 60 000 Euro durch „abgezweigten“ Strom.
Schwierige Zuordnung von vermeintlichem Diebesgut
In der Verhandlung am Amtsgericht zeigte sich vor allem, wie mühsam die Diebstähle aufzuklären waren. Nicht jedes Werkzeug ist registriert und kann seinem tatsächlichen Eigentümer zugeordnet werden. Denn nur weil dem einen etwas fehlt und der andere einen solchen Gegenstand in seinem Besitz hat, muss es ja nicht gestohlen sein. Letztlich gelang es dennoch, rund „ein Drittel“ der gefundenen Gegenstände ihren Eigentümern zuzuordnen. Und auch der Stromdiebstahl ließ sich zweifelsfrei nachweisen. Einem Zeugen gegenüber soll der Angeklagte sogar erwähnt haben, er habe das „so gemacht, dass es nichts kostet.“
Solche Aussagen gegenüber Dritten waren es, die dem 31-Jährigen schließlich zum Verhängnis wurden. Zu sorglos erwähnte er offenbar verschiedene Taten gegenüber Menschen aus seinem Umfeld. So kamen die Ermittlungen der Polizei nach entsprechendem Hinweis schließlich ins Rollen und die Razzia brachte mit dem Stromdiebstahl, juristisch korrekt „Entziehung elektrischer Energie“, noch ein weiteres Delikt zutage.
Hier machte sich der Angeklagte augenscheinlich eine Lücke im Stromsystem geschickt zunutze. Denn es wird zwar die verbrauchte Summe Strom eines Haushalts am Zähler erfasst, nicht jedoch die vom Versorger abgegebene Strommenge an einen Haushalt. Wer also – wie der Angeklagte es tat – gewissermaßen den Strom vor dem Zähler „abzapft“, fällt nicht zwangsläufig auf. Es sei denn, die Polizei durchsucht mit starken Kräften den gesamten Wohnsitz.
Verteidigung zweifelt an Aussagen und Messungen
Trotz dieser augenscheinlich klaren Indizien meldete Verteidiger Michael Reichelt zahlreiche Zweifel an. Denn bei keinem der Diebstähle wurde sein Mandant auf frischer Tat ertappt. Dass man die Gegenstände in seinem Anwesen fand, reichte dem Anwalt nicht aus. Mehrere Menschen hätten Zugang zu den Räumen. Auch die Aussage der Ex-Partnerin sei unglaubwürdig und weise Widersprüche auf. Sie wolle den Angeklagten „final drankriegen“, weil sie über den Freispruch in ihrem Fall aus dem Januar sauer und auf Rache aus sei. „Wir müssen uns an die Fakten halten“, so Reichelt in seinem Plädoyer. „Wer hat die Diebstähle begangen? Wir können es nicht sagen“, befand er. Die Zuordnung der Geräte zu Eigentümern sei oft nur vermutet worden. Auch die Messungen und damit verbundene Schätzung des Schadens durch den Stromdiebstahl sei „zweifelhaft“. Daher forderte er einen Freispruch für seinen Mandanten.
Dieser Auffassung folgten Richterin Susanne Friedl und die Schöffen jedoch nicht. Für achtfachen Diebstahl (ein Fall wurde eingestellt) und den Entzug elektrischer Energie wurde der Niederstettener zu insgesamt drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. „Es stellt sich die Frage: Kann man die Taten dem Angeklagten zurechnen?“, so Friedl in der Urteilsbegründung. Der Angeklagte ist seit 2008 wegen vergleichbarer Taten am Gericht bekannt. Vor allem aber die Zeugenaussagen und die „Fleißaufgabe“ der Polizei, die Diebstähle in mühsamer Kleinarbeit zu identifizieren und zuzuordnen, waren laut Friedl ausschlaggebend für das Urteil. Zweifel an den Zeugenaussagen hatte sie nicht. Es habe Bestätigungen von mehreren Seiten gegeben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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