50 Jahre Gemeindereform (Teil 10) - Ortsvorsteherin sieht Markelsheim in der Großen Kreisstadt „gut aufgehoben, denn die Bedürfnisse des Ortes werden ernst genommen“

Markelsheim: „Freibad haben wir nicht bekommen“

Auch in Markelsheim gab es zahleiche Eingemeindungs-Gegner. Sie hatten Zweifel, ob die versprochenen Maßnahmen auch verwirklicht werden.

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Joachim W. Ilg
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Markelsheim. Am 7. Dezember 1971 herrschte in der Markelsheimer Gemeinderatssitzung eine angespannte Atmosphäre. Zahlreiche Bürger waren zur Sitzung gekommen und verharrten regungslos, als es nach Abschluss der Eingemeindungs-Debatte zur Abstimmung kam. Neun Stimmen gab es für, zwei Stimmen gegen den Zusammenschluss mit Bad Mergentheim. Damit war die Entscheidung gefallen. Bei der Bürgeranhörung am 28. November waren 669 Stimmberechtigte anwesend. 45,7 Prozent stimmten für, 53 Prozent gegen die Eingemeindung, die zum 1. Januar 1972 vollzogen wurde. Bürger und Gemeinderat waren gespalten.

Eingemeindungsgegner hatten Zweifel, ob versprochene Maßnahmen wie zum Beispiel der Ausbau des Straßennetzes oder der Bau eines beheizbaren Freibades verwirklicht werden. „Das versprochene geheizte Freibad, Baubeginn etwa 1976 mit ca. 500 000 DM Baukosten, haben wir zwar nicht bekommen, aber das wäre heutzutage vermutlich mehr Fluch als Segen – und wir haben ja die Tauber“, sagt die heutige Ortsvorsteherin Claudia Kemmer. Mit ihr unterhielten wir uns über ihre Sicht auf die Verbindung mit Bad Mergentheim.

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Ist Markelsheim in der Großen Kreisstadt gut aufgehoben?

Claudia Kemmer: Ich sehe Markelsheim gut aufgehoben, denn die Bedürfnisse des Ortes werden ernst genommen. Die Betreuung der Kinder aus Apfelbach und Markelsheim im Kindergarten und in der Grundschule wurde erhalten und ausgebaut. Die Erweiterung des Baugebiets „Fluräcker“ hat begonnen.

Der staatlich anerkannte Erholungsort und Weinsüden-Weinort Markelsheim hat durch den Weinbau und den Tourismus sicher eine Sonderstellung in der Stadtfamilie und ist mit rund 2100 Einwohnern der größte Stadtteil. Durch das Kultur- und Tourismusamt Bad Mergentheim werden wir hier sehr gut unterstützt und gefördert.

Welche Vorteile, welche Nachteile sehen Sie?

Kemmer: Die strukturierte Stadtverwaltung sehe ich als Vorteil. Als Ortsvorsteherin kann ich sagen, dass es eine gute Zusammenarbeit zwischen Ortschaftsrat, Gemeinderat und Verwaltung mit Oberbürgermeister Udo Glatthaar gibt. Dass die Meinung des Ortschaftsrates beachtet wird, ist wichtig. Ich gebe aber zu, dass es bei einzelnen Themen durchaus erhöhten Gesprächsbedarf gibt.

Markelsheim hat mit dem Rathaus ein eigenes Standesamt, das von Brautpaaren sehr gerne nachgefragt wird, was mich als Eheschließungsstandesbeamtin natürlich sehr freut. Von Vorteil wäre, wenn wir eine Veranstaltungsstätte für Feiern und Events hätten.

Gibt es Reibungspunkte?

Kemmer: Die „Mutter“ Bad Mergentheim muss für sich und 13 Kinder sorgen. Klar, dass das nicht immer einfach ist. Doch die Ansprüche der Stadtteile sind gerechtfertigt. Das wissen auch alle Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher und haben Verständnis für die Belange der anderen. Leider sehen das nicht alle Gemeinderäte so.

Haben Sie Änderungswünsche?

Kemmer: Änderungswünsche fallen mir nicht ein. Aber ich habe den Wunsch, dass die Vereinbarungen, die im Eingemeindungsvertrag getroffen wurden, eingehalten werden. Unter anderem wurde festgehalten, dass es für Markelsheim und Apfelbach drei Gemeinderäte gibt. Diese unechte Teilortswahl finde ich wichtig. Auch die Beibehaltung der Verwaltungsstellen, wie zum Beispiel in Markelsheim, darf nicht immer wieder in Frage gestellt werden. Im Gegenteil, hier würde ich mir wünschen, dass noch mehr verwaltungstechnische Aufgaben bearbeitet werden können. Das ist aufgrund der technischen Ausstattung zurzeit leider nicht möglich. Die Mitarbeiter der Verwaltungsstelle unterstützen auch den jeweiligen Ortsvorsteher, der sein Amt nebenberuflich wahrnimmt. Ohne diese Unterstützung könnte ich zum Beispiel die Tätigkeit als „Ehrenbeamtin auf Zeit“ nicht ausüben.

Gibt es einen Grund zum Feiern von „50 Jahre Gemeindereform“?

Kemmer: Sicher – und zwar für die Stadtteile und die Kernstadt. Bad Mergentheim kann mit unserem guten Wein und den wunderschönen Weinbergen werben und profitiert auch von unseren aktiven Vereinen. Dafür sorgt die Kernstadt für die Infrastruktur, die allen zur Verfügung steht.

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