50 Jahre Gemeindereform (Teil 4)

Gemeindereform in Herbsthausen sorgt für Uneinigkeit

Von 
Joachim W. Ilg
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Seit dem 1. September 1973 ist Herbsthausen ein Stadtteil von Bad Mergentheim. Bei einer Bürgerbefragung gab es eine Mehrheit gegen die Eingemeindung. Der Gemeinderat entschied sich aber dafür.

Herbsthausen. Normalerweise ist es ja so: Die etwas Untergeordneten schauen zu den etwas Übergeordneten hinauf. Bei Herbsthausen ist es aber genau umgekehrt. Aus der Höhe von 425 Metern könnte der kleine Ort auf Bad Mergentheim hinunterschauen. Und obwohl es so ist, hat sich Herbsthausen 1973 „freiwillig nach Bad Mergentheim eingemeinden“ lassen, stellte Ortsvorsteher Bernhard Brand zwölf Jahre nach der Eingemeindung in einem Interview fest. Herbsthausen sei zwar der kleinste Stadtteil, „aber auch der mit den kleinsten Problemen“, verkündete er offensichtlich nicht ohne Stolz.

Die Infrastruktur des Dorfes sei in Ordnung, und ein „guter Steuerzahler“ sei ja auch mit von der Partie gewesen, wobei wir kein Geheimnis verraten, wenn wir hierbei an die Herbsthäuser Brauerei denken, deren Chronik bis ins Jahr 1581 zurückreicht.

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Seit der Eingemeindung seien Straßen verbessert worden. Der Friedhof sei erweitert und eine „ansprechende Leichenhalle“ erstellt worden. Allerdings sei man beim Thema „neues Baugebiet“ nicht weiter gekommen, zumal es „große Schwierigkeiten“ beim Erwerb von Baugelände gegeben habe, gab der Ortsvorsteher zu bedenken. Deshalb sei zu befürchten, „dass die Einwohnerzahl langsam, aber sicher abnimmt“.

Ein weiteres Problem sah Brand in der abnehmenden Zahl landwirtschaftlicher Betriebe, „weil wegen der schlechten Einkommenslage der Landwirte die Bauernsöhne andere Berufe ergreifen und deshalb oft keine Hofnachfolger mehr da sind“. Und: „Herbsthausen hat leider auch keinen Stadtrat mehr im Gemeinderat“, stellte Brand bedauernd fest, hoffte aber, „dass sich trotzdem die Probleme lösen lassen“.

Wie war es damals eigentlich zur Eingemeindung gekommen? Hier ein kurzer Rückblick.

Tauziehen beendet

Am 28. August 1973 war ein monatelanges Tauziehen in Sachen Gemeindereform im Raum Bad Mergentheim endgültig entschieden. An diesem Tag konnte der Bad Mergentheimer Bürgermeister Dr. Elmar Mauch die Eingemeindungsurkunden des Regierungspräsidiums für die Gemeinden Rot (wir berichteten) und Herbsthausen in Empfang nehmen. Beide Gemeinden verloren damit ihre Souveränität und wurden ab dem 1. September 1973 zu Stadtteilen Bad Mergentheims.

Bereits im Oktober 1972 hatten die Gemeinderäte von Rot und Herbsthausen sowie das Bad Mergentheimer Stadtparlament einer Eingliederung der beiden Orte zugestimmt. Die Gemeinderatsabstimmung in Herbsthausen endete nach intensiver Abwägung aller Aspekte mit einem knappen 4:3 für die Eingemeindung nach Bad Mergentheim, während die Bürgerbefragung im Februar ein mehrheitlich ablehnendes Votum ergeben hatte.

Bei der Anhörung gaben von 142 Wahlberechtigten 101 Bürgerinnen und Bürger ihre Stimmzettel ab. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 78 Prozent. Für einen Anschluss an Bad Mergentheim stimmten 43 Wahlberechtigte. Mit Nein stimmten 52.

Die Stadt Bad Mergentheim hatte mit der Eingliederung von Herbsthausen und Rot insgesamt zehn Dörfer unter ihre Fittiche gebracht. Laut der Zielplanung des Innenministeriums waren noch die Gemeinden Wachbach, Hachtel und Edelfingen zum 1. Januar 1975 zur Eingliederung vorgesehen, so dass Bad Mergentheim aufgrund der gestiegenen Einwohnerzahl dann zur Großen Kreisstadt aufstieg. Aus dem Bürgermeister wurde der Oberbürgermeister.

Die Gemeinden dagegen hatten ihre Gemeinderäte und Bürgermeister verloren und bekamen dafür einen Ortschaftsrat und einen Ortsvorsteher.

Aber der Verlust wurde im Laufe der Zeit mehr als aufgewogen, wenn man beispielsweise an Großprojekte denkt, die eine kleine Gemeinde kaum selbst stemmen konnte (siehe das Interview mit dem Herbsthäuser Ortsvorsteher Wilfried Zeihsel).

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