Kriminalität

Großeinsätze und filmreife Szenen: Welche Rolle Drogen in der Region Tauber-Odenwald spielen

Nicht erst die jüngste Razzia in Bad Mergentheim zeigt: In Sachen Rauschgift ist auch in der Region so einiges los. Eine kurze Übersicht.

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Simon Retzbach
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Großeinsatz in Bad Mergentheim: Die Polizei stellte kürzlich Drogen und Waffen sicher. © Klaus T. Mende

Tauber-Odenwald. Auf dem Land ist die Welt noch in Ordnung. Könnte man meinen. Ist aber zumindest nur teilweise so. Die Nachbarschaft in der Bad Mergentheimer Münzgasse dürfte nach den Vorkommnissen Ende Juli anders denken. Ebenso Nutzer einer Schrebergartensiedlung in Igersheim. Sie bilden nur zwei Beispiele, man könnte an dieser Stelle weitere nennen. Was sie gemeinsam haben? Sie bekamen mit, wie in unmittelbarer Nachbarschaft Polizeieinsätze wegen Drogenhandels im größeren Stil stattfanden.

Insbesondere der jüngste Einsatz in der Bad Mergentheimer Innenstadt war ungewöhnlich und kommt eher selten vor. Es handelte sich um eine Durchsuchung nach dem Polizeirecht, wie der Durchsuchungsbeschluss durch das Amtsgericht Bad Mergentheim belegt. Das heißt konkret: Die Polizei kann mit richterlicher Genehmigung ein Objekt durchsuchen, wenn sie den begründeten Verdacht hat, dass sich dort verbotene Dinge befinden. Im Gegensatz zum herkömmlichen Durchsuchungsbeschluss, der bei konkretem Verdacht gegen eine Person unterzeichnet werden kann, ist ein Durchsuchungsbeschluss nach dem Polizeirecht unabhängig von einem Verdacht gegen bestimmte Personen. Das zeigt: Die Beamten hatten das Haus als „Hotspot“ schon länger auf dem Schirm, eine solche Durchsuchung würde sonst wohl nicht genehmigt.

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Die Polizei Heilbronn nennt zwar keine konkreten Mengen und spricht nur allgemein von „diversen Betäubungsmitteln, darunter Kokain, Amphetamin und Marihuana.“ Hinter den Kulissen erfahren die FN jedoch, dass dort bereits im Vorfeld zur Razzia Mengen im Kilogrammbereich sichergestellt wurden. Einen solchen Großfund hatte die Polizei bereits vor sechs Jahren gemacht, damals in der Türkengasse, also nur unweit vom jetzigen Ort des Geschehens entfernt.

Man kann also festhalten: In Sachen Rauschgift gibt es auch in der Region kein „ländliches Idyll“. Es gibt aber zumindest teilweise gute Nachrichten: Wenngleich die Zahl der Drogentoten in Baden-Württemberg im Vorjahr massiv angestiegen ist (von 141 im Jahr 2023 auf 195 in 2024), liegt diese im Main-Tauber- und Neckar-Odenwald-Kreis laut Innenministerium Baden-Württemberg bei null. Auch neue synthetische Drogen wie etwa „Görke“ (ein synthetisches Cannabinoid), die durch extrem hohe Dosierung und unauffälligen Konsum mittels E-Zigaretten großes Gefährdungspotenzial besitzen, spielen laut Auskunft der Polizei Heilbronn in der Region „keine Rolle.“

Doch wer wissen will, welche Rolle Rauschgift in der Region spielt, kann beim Blick in Gerichtsakten fündig werden. Denn Prozesse um Rauschgift gab und gibt es immer wieder – und die eher unspektakulären Fälle von Kleinstmengen zum Eigenbedarf sind hier außen vor.

Ein Zollbeamter öffnet ein Paket mit Kokain (Symbolbild). Rund sechs Kilo mit einem Verkaufswert von rund einer halben Million Euro fand die Polizei in einer Zufallskontrolle bei Wertheim - der wohl größte Fund in der Region seit langem. © picture alliance/dpa

Den wohl wertvollsten Fund der letzten Jahre hatten die Ermittler ganz im Norden des Main-Tauber-Kreises, am Wertheimer Almosenberg. Im Rahmen einer Buskontrolle Ende September 2023 fanden sie sechs Kilogramm Kokain im Rucksack eines Mannes, der per Flixbus von Budapest auf dem Weg nach Frankfurt war. Rund eine halbe Million Euro Verkaufswert hatte der Fund. Übergeben wurden dem Mann die Drogen nach einer filmreifen Schnitzeljagd quer durch die ungarische Hauptstadt auf der Rückbank eines schwarzen Fahrzeugs im Hinterhof eines Wohnhauses – so zumindest die Schilderung damals. Für eine Belohnung von 3.000 Euro sollte er das Kokain in einem Rucksack nach Frankfurt transportieren. Die Fahrt endete in Wertheim und damit vor dem Landgericht Mosbach. Statt 3.000 Euro gab es sieben Jahre Haft für den Mann.

Drogen im Kellerlabor und ein unglückliches Händchen beim Verkauf

Ebenfalls filmreif war das Vorgehen einer Viererbande, die einem Kellerlabor in Lauda-Königshofen im großen Stil Drogen produziert und anschließend an Kunden in der Region verkauft haben soll. Die einen hatten Kunden im Main-Tauber- und Neckar-Odenwald-Kreis, die anderen verkauften bis in den Raum Heilbronn. Die Polizei kam den Männern auf die Spur, als einer der mittlerweile Verurteilten ausgerechnet auf der Bad Mergentheimer Polizeiwache ein Verkaufsgespräch mit einem verdeckten Ermittler begann. Beim Versuch, zehn Kilogramm Amphetamin am Gerlachsheimer Bahnhof zu verkaufen, klickten die Handschellen bei dem Mann und seinen drei Komplizen. Drei der Männer müssen ins Gefängnis, bis zu sechs Jahre Haft wegen bandenmäßigen Drogenhandels hielt das Landgericht in seinem Urteil 2024 für angemessen.

Verbindungen zu dieser Bande hatte auch ein Igersheimer, der separat verfolgt wurde. Durch mitgehörte Telefonate, GPS-Überwachung und Obserservierungen wiesen ihm die Ermittler ebenfalls den Drogenhandel im größeren Stil nach. Fangeisen, Wurfstern, Butterflymesser, Dolche, Luftpistolen und -gewehre sowie eine geladene halb automatische Kurzwaffe versteckte er zusammen mit tausenden Tabletten in seinem Schrebergarten zwischen Hühnern, Tauben, Hasen und Enten. Das Landgericht Ellwangen verurteilte im September 2024 zwar noch „am untersten Ende des Strafrahmens“, dennoch: Fünfeinhalb Jahre muss der Mann in Haft.

Im Falle eines Bad Mergentheimers waren zwar die Mengen an Rauschgift bei weitem nicht so groß wie in den vorangegangenen Fällen, dafür war sein Pech aber umso größer. In einem Zeitraum von nur acht Monaten zwischen Oktober 2022 und Mai 2023 verkaufte er gleich acht Mal an einen verdeckten Ermittler der Polizei. Erst kleine, dann größere Mengen Cannabis. Dann Kokain mit Mengen von bis zu 100 Gramm. Glaubt man der Anklage, habe er sogar „bis zu 200 Gramm“ angeboten. Eine stetige Steigerung des „umtriebigen“ Angeklagten, die ihm knappe drei Jahre Haft brachte.

Nicht nur dieser Prozess zeigt: In der Region gab es einen regen Handel mit Rauschgift, durchaus auch in größeren Mengen. Und da ein Handel ohne Konsumenten nicht funktioniert, gab es auch genügend Abnehmer. Die jüngste Razzia in Bad Mergentheim ist ein Beleg dafür, dass man hier durchaus auch in der Gegenwartsform sprechen kann. Die Szene ist auch nach den Polizeiaktionen der Vergangenheit weiter aktiv.

Redaktion

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