Am Landgericht Mosbach

Waffenlager, Grasplantage und ein Hakenkreuz-Toaster: Reichsbürger-Prozess fortgesetzt

Am zweiten Verhandlungstag geht es auch um die Ideologie der Angeklagten. Für die Waffenfunde hat ein Anwalt eine simple Erklärung parat.

Von 
Simon Retzbach
Lesedauer: 
Ein Teil der Funde auf dem Anwesen, die auch der angeklagten Eigentümerfamilie zugerechnet werden: Waffen, aber auch Nazi-Devotionalien. © picture alliance/dpa

Boxberg/Mosbach. „Zufallsfunde“ und „eine Überraschung“ sei das Waffenlager gewesen, berichtet eine Beamtin des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg. Man habe nach dem Schusswechsel von Polizeibeamten mit dem Reichsbürger Ingo K. das gesamte Anwesen durchsucht. Dieses besteht aus mehreren Gebäuden und gehört der Familie, die nun vor Gericht steht. Im Zuge dieser Durchsuchung habe man zwei Waffenlager gefunden – das Oberlandesgericht Stuttgart rechnete im Prozess gegen Ingo K. jedoch nur eines der Lager dem verurteilten Schützen zu.

Ein weiteres Lager sei „etwas versteckt“ in einem Nebengebäude gefunden worden, in dem Teile der Eigentümerfamilie wohnten. Unweit davon und ebenfalls etwas versteckt eine stattliche Grasplantage mit 38 Cannabispflanzen, 40 Setzlingen und entsprechendem Zubehör wie Lampen, einer Belüftungsanlage und Waagen.

Die Angeklagten vor Prozessbeginn am Landgericht Mosbach mit ihren Verteidigern. © picture alliance/dpa

Doch nicht nur Waffen und Drogen fanden die Ermittler bei der Durchsuchung im April 2022. „Reichsbürgertypische Gegenstände“ und NS-Devotionalien habe man in den Räumen entdeckt. „Mehrere Flaggen mit Schwarzer Sonne [einem bedeutenden Symbol der rechtsextremen Szene; Anm. d. Red.] oder die Reichskriegsflagge, dazu Rechtsrock-CDs von Bands wie Landser oder Sturmwehr“, listet die Zeugin auf Nachfrage Fundstücke auf. Doch damit nicht genug: Eine Dose mit Hakenkreuz-Orden und ein Toaster, der ein Hakenkreuz und Runen einbrennen könne, fand sich in den Räumlichkeiten der Familie.

Nun kam also zur Sprache, was bereits im Vorfeld des jetzigen Prozesses thematisiert wurde: Die politische Einstellung der Familie, die freundschaftliche Verbindungen mit ihrem damaligen Mitbewohner Ingo K. pflegen soll. Im Prozess gegen Ingo K. solidarisierten sie sich mit ihm, sprachen unter anderem von einem „Überfall“ der Polizei gegen den aus ihrer Sicht unschuldigen Mann.

Mehr zum Thema

Landgericht Mosbach

Boxberg: Waffensammler müssen auch nach Prozessauftakt in Haft bleiben

Veröffentlicht
Von
Simon Retzbach
Mehr erfahren
Hintergrund

Boxberg: Darum gab es einen großen SEK-Einsatz in Bobstadt

Veröffentlicht
Von
Simon Retzbach
Mehr erfahren
Landgericht Mosbach

Boxberg: Prozess nach Waffenfund erstmal geplatzt

Veröffentlicht
Von
Simon Retzbach
Mehr erfahren

Jetzt, wo die Familie selbst vor Gericht steht, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Die Funde der Gegenstände mit Nazi-Bezug kommentieren sie überhaupt nicht, allgemein sprechen die Angeklagten – wie bereits zum Auftakt – nur wenig und geben höchstens kurze Antworten auf Nachfragen. Über ihr Weltbild sprechen sie selbst nicht, nur andere.

So wird auch deutlich, dass sie der Verschwörungstheorie rund um „Shaef“ anhängen. Bei dieser für Reichsbürger typischen Argumentation geht es im Kern darum, dass die Bundesrepublik noch immer durch die Alliierten besetzt und damit nicht souverän sei. Ein ‚Fundament‘, um in der Folge bundesrepublikanische Gesetze nicht anzuerkennen. Entsprechende Schreiben, in denen sie zum Beispiel Bußgeldbescheine ‚ablehnen‘, finden sich sowohl mit Signatur von Ingo K. als auch mit der eines Angeklagten.

Anwalt: Waffen allesamt Ingo K. zuzurechnen?

Als es wieder um die Waffenfunde geht, zeigt sich, dass die Freundschaft zu Ingo K. wohl nicht grenzenlos zu sein scheint. Denn die Verteidigung, hier in Person von Werner Meisenbach, versucht wiederholt, die Waffenfunde Ingo K. in die Schuhe zu schieben. Auch die zweite Waffenkammer sei „von Ingo K. errichtet worden“, er habe die Waffen dort deponiert.

Sowohl die LKA-Beamtin als auch das Gericht sind davon nicht überzeugt. Man rechne die zweite gefundene Waffenkammer den Angeklagten und nicht Ingo K. zu, weil sich diese Kammer nicht in dessen Räumlichkeiten befunden habe, erklärte die Zeugin. Richterin Barbara Scheuble verweist zudem auf Feststellungen aus dem Prozess in Stuttgart. In dem rechtskräftigen Urteil stellten die Richter fest, dass eben nur ein Teil der Waffen dem Verurteilten zuzurechnen sei. Die Theorie, wonach letztlich alle Waffen auf dem Anwesen von Ingo K. stammen, wäre so nicht zu halten.

Doch Meisenbach bleibt hartnäckig: Auch der im Büro seines Mandanten gefundene Revolver sei dem verurteilten Reichsbürger zuzuordnen, da dieser und sein Mandant den Raum gemeinsam genutzt hätten. Dass auf der Waffe selbst keine Fingerabdrücke vom Angeklagten festzustellen waren, bestärkt den Anwalt in dieser Sichtweise. Zweifelhaft seien „wesentliche Belastungspunkte“, fasst er später zusammen.

Angeklagte räumen einen Teil der Vorwürfe ein

Recht eindeutig wird es hingegen bei der Grasplantage. Zwei Angeklagte räumen die Vorwürfe diesbezüglich ein. Es gehe jedoch „ausschließlich um Eigenkonsum“, wie es Anwalt Philipp Gehrig in einer Erklärung formuliert. Durch einen Unfall habe sein Mandant seit Jahren anhaltende Schmerzen und Cannabis erst nach erfolglosen Medikationsversuchen probiert. Ein Handel soll demnach nicht stattgefunden haben. Wie es allerdings ein Pistolenmagazin in den Kleiderschrank des Ehepaars geschafft hat, können sie sich nicht erklären. „Ich habe nichts mit Waffen zu tun. Die erste Waffe, die ich in meinem Leben gesehen habe, war die vom Sondereinsatzkommando 2022“, schildert die Angeklagte.

Alle Anwälte stellen abschließend den Antrag, die Haftbefehle außer Vollzug zu setzen. „Mein Mandant ist keine Gefahr für die Gesellschaft“, erklärt ein Anwalt. Auf eine sehr frische Vaterschaft verweist dessen Kollege für seinen Mandanten. Bei allen bestehe keine Fluchtgefahr, waren sich die fünf Verteidiger einig. „Nicht zu kommen war falsch, das sehe ich ein“, so eine Angeklagte. Doch wie beim Prozessauftakt bleibt die Kammer auch dieses Mal hart: Die fünf Familienmitglieder müssen in Haft bleiben. „Sie sind halt nicht gekommen, wir können sie nicht freilassen“, erklärt Landtagsvizepräsidentin Barbara Scheuble das Nein mit dem geplatzten Prozessbeginn Anfang Mai, als die Angeklagten dem Prozess ferngeblieben waren. Außerdem seien die Termine eng gesteckt, die Haft demnach möglichst kurz. Der nächste Termin findet bereits am Montag, 4. August, statt.

Redaktion

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke