Jubiläum „175 Jahre Freiwillige Feuerwehr“ (Teil 1)

Bad Mergentheim: Weckeralarm rief die Helfer zum Einsatz

Die Bad Mergentheimer Feuerwehrabteilung wurde 1850 nach französischem Vorbild gegründet. Wir schauen heute in die wechselvolle Geschichte bis 1945.

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Joachim W. Ilg
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Die pferdegezogene Landfahrspritze aus dem Jahr 1896 musste ihr Wasser direkt per Pumpe aus einem Bach oder See mit einer Ansaugvorrichtung holen, das dann gegen den Brandherd zum Einsatz kam. Gut sichtbar sind die Saug- und Druckschläuche. © Joachim W. Ilg

Bad Mergentheim. In diesem Jahr feiert die Freiwillige Feuerwehr Bad Mergentheim, Abteilung Stadt, ihr 175-jähriges Bestehen am Wochenende des 13. und 14. September mit Festbetrieb, Fahrzeugweihe und Festumzug. Grund genug, in der wechselvollen Geschichte der Wehr zu blättern.

Da bei Brandfällen die „Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit einer besonders organisierten und eingeübten Löschmannschaft schon so vielfach erprobt“ worden war, beschloss der Gemeinderat am 19. April 1849 auch in Mergentheim eine Freiwillige Feuerwehr nach französischem Vorbild (Pompier-Corps) einzuführen. In einer entsprechenden Zeitungsanzeige, die einige Tage später erschien, lud der Rat alle, insbesondere junge Männer, Bauhandwerker und Feuerarbeiter ein, „sich an der hochwichtigen Sache“ zu beteiligen.

Die „hochwichtige Sache“ fiel aber erst mal nur auf geringe Resonanz, denn es meldeten sich nur fünf Freiwillige bei der Stadt. Als sich aber der Gemeinderat bereit erklärte, die Ausrüstung der Feuerwehr aus städtischen Mitteln zu finanzieren, wurden im August 1850 immerhin 50 Anmeldungen registriert.

Am 19. November 1850, für manche der eigentliche Gründungstag der Freiwilligen Feuerwehr Bad Mergentheim, wurde im Rathaus der erste Hauptmann der Mannschaft gewählt, so dass die Wehr komplett war und ihre Arbeit hätte aufnehmen können. Aber der Gemeinderat weigerte sich 1851 das von der Feuerwehr geforderte Geld für die Ausrüstung zu genehmigen. Die Löschmannschaft war zwar gegründet worden, trat aber nicht in Erscheinung. Nicht einmal Übungen wurden abgehalten.

Nur dürftig ausgerüstet

Das war sicherlich ein enttäuschender Anfang. Erst einige Jahre später, am 24. März 1854 fand wieder eine Hauptversammlung der Wehr statt, die nur dürftig ausgerüstet war. Sie besaß eine aus dem 18. Jahrhundert stammende „Heidelberger Druckspritze“ für Pferdezug und eine tragbare Spritze. Es dauerte immerhin bis zum 7. Juli 1856, bis die erste richtige Übung abgehalten wurde.

In den 1860er Jahren erlebte die Feuerwehr einen gewissen Aufschwung. Übungen wurden abgehalten und die Ausrüstung wurde verbessert. Aber der deutsch-französische Krieg 1870/71 besiegelte das Ende der Freiwilligen Feuerwehr, denn durch die Einberufung zahlreicher Feuerwehrmänner zum Militärdienst löste sich die Wehr zusehends auf.

Zwei Feuerwehrleute aus verschiedenen Zeiten. Links ein Beispiel aus der Zeit um 1900, rechts ein Feuerwehrmann mit Stahlhelm aus der Zeit um 1945/50. © Joachim W. Ilg
Das war eine schweißtreibende Arbeit, denn das Wasser im Behälter dieser Feuerspritze aus dem Jahr 1830 musste mit Hilfe des gekrümmten Balkens, der von mehreren Männern nach oben und unten gedrückt wurde, gegen das Feuer gepumpt werden. Schlauch und Mundstück sind nicht mehr vorhanden. © Joachim W. Ilg

Ende der Freiwilligkeit

Dem damaligen Bürgermeister blieb daher nichts anderes übrig, als eine Pflichtfeuerwehr auf die Beine zu stellen, „ein für sich bestehendes Corps, welches aus allen persönlich tüchtigen unbescholtenen Bürgern und Einwohnern der Stadt, sowie deren Söhne vom 23. Lebensjahr an gebildet wird“. Austreten konnte man nach dem 60. Lebensjahr. Laut einer Statistik aus dem Jahre 1887 umfasste diese Pflichtfeuerwehr 307 Mann.

Mit dem 22. Oktober 1902 kam das Ende der Pflichtfeuerwehr, als der damalige Landesfeuerwehrlöschinspektor die Umwandlung der Pflichtfeuerwehr in eine Freiwillige Feuerwehr vorschlug. Die neue Feuerwehr war dann ein „Verein von Freiwilligen“, der die Aufgabe hatte, den gesamten Lösch- und Rettungsdienst in der Gemeinde und in den Nachbargemeinden zu übernehmen. Militärische Ordnung und regelmäßige Übungen waren Pflicht.

1913 gab es eine bemerkenswerte Neuerung im Alarmsystem der Feuerwehr. Bisher war sie durch Alarmsignale der Polizeidiener und Nachtwächter und auf Anordnung des Ortsvorstehers durch das Läuten der Feuerglocke alarmiert worden. Um einen schnelleren Einsatz der Löschkräfte zu erreichen, wurde eine Weckerlinie eingerichtet. Von der zentralen Rathauswache aus wurden zwei Weckerschleifen, also Elektrokabel mit insgesamt 27 Alarmweckern in die Wohnungen der Angehörigen der Weckerlinienmannschaft verlegt, die so ohne Zeitverzögerung rasch alarmiert werden konnten.

1914 brach der Erste Weltkrieg aus und sorgte für große Personallücken, denn die Hälfte der Feuerwehrleute wurde zum Militär abkommandiert.

Nach dem Krieg wurde in den 1920er Jahren aufgrund der vielen Neubauten die Hochdruckwasserleitung erweitert und damit auch die Versorgung der Stadt mit Löschwasser erheblich verbessert, denn die Zahl der Hydranten stieg auf 230, so dass auf 24 Einwohner ein Hydrant kam.

Das modernste Löschfahrzeug

Ein besonderer Tag für die Bad Mergentheimer Wehr war der 6. November 1931, denn an diesem Tag traf die neue Magirus-Kraftfahrmotorspritze mit 60 PS Benzinmotor und einer Hochdruckkreiselpumpe ein, die 1200 Liter Wasser pro Minute fördern konnte. Das Löschfahrzeug mit Luftreifen war das modernste Feuerwehrfahrzeug im weiten Umkreis. Schon ein paar Tage später musste das Fahrzeug sein Können unter Beweis stellen, denn am 11. November brach in den Süddeutschen Hammerwerken ein Brand aus, der sich zu einem Großfeuer ausbreitete, wie es die Stadt schon lange nicht mehr erlebt hatte. Die eingesetzten Feuerwehren konnten ein Übergreifen auf die Nachbargebäude und den Güterbahnhof verhindern.

Kameradschaft mit Führer

1936 erhielt die Feuerwehr eine Satzung, die an das nationalsozialistische System angepasst wurde. Die Wehr war nun „eine Kameradschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins“ und wurde nach dem Führerprinzip geleitet. An der Spitze stand an Stelle des Kommandanten ein „Führer“. Ab 1938 wurde die Wehr als Feuerschutzpolizei bezeichnet.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 kamen neue Aufgaben auf die Wehr zu. Sie wurde um eine Brand- und Luftschutzwache erweitert, die sich in ständiger Bereitschaft halten musste und sich aus Feuerwehrmännern zusammensetzte, die wegen ihres Alters oder wegen Krankheit keinen Kriegsdienst leisteten. Glücklicherweise blieb Bad Mergentheim bis zum Ende des Krieges weitgehend von Luftangriffen verschont. (Fortsetzung folgt)

Der 175. Geburtstag der Freiwilligen Feuerwehr Bad Mergentheim, Abteilung Stadt, wird am Wochenende, 13. und 14. September, gefeiert. Am Samstag, ist ab 16 Uhr der Bieranstich im Festzelt bei der Hauptfeuerwache. Es gibt einen kleinen Festakt, dann Festbetrieb und viel Live-Musik. Um 18 Uhr ist ein Wettbewerb im Lastwagen-Mannschaftsziehen geplant. Der Sonntag startet mit einem Festgottesdienst im Münster, danach ist um 11.30 Uhr eine große Fahrzeugweihe auf dem Marktplatz vorgesehen und im Anschluss ein Festumzug bis zur Feuerwache. Dort geht der Festbetrieb mit Mittagessen und Live-Musik weiter und klingt am späten Nachmittag aus.

Zu den Fotos

Unsere Aufnahmen entstanden im Feuerwehrmuseum Waldmannshofen. Es ist von April bis Ende Oktober jeden Samstag sowie jeden ersten und dritten Sonntag eines Monats von 14 bis 17 Uhr geöffnet, sowie nach Vereinbarung.

Die hölzernen, innen mit Blech beschlagenen Handdruckspritzen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden zur Brandstelle getragen und mit Wasser gefüllt, um dann die Spritze per Handpumpe in Gang zu setzen. © Joachim W. Ilg

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