Bad Mergentheim. Die Freiwillige Feuerwehr Bad Mergentheim feiert ihr 175-jähriges Bestehen am Wochenende des 13. und 14. Septembers mit Festbetrieb, Fahrzeugweihe und Festumzug am Sonntag gegen Mittag. Im ersten Teil unserer Serie über die Geschichte der Wehr ließen wir die wichtigsten Ereignisse von 1850 bis 1945 Revue passieren. Nun wenden wir uns den Jahrzehnten nach dem Krieg bis in die Zeit um 2000 zu.
Mit dem Einmarsch der Amerikaner 1945 begann die Befreiung vom Nationalsozialismus und eine neue Zeit auch für die Feuerwehr. Die seit 1938 bestehende Feuerschutzpolizei wurde aufgelöst. Die Feuerwehrführer mussten ihre Waffen abgeben. Das Gerätehaus wurde wiederholt nach verstecktem Kriegsmaterial durchsucht, und Uniformen durften vorerst nicht mehr getragen werden.
Im Laufe des Jahres wurde die Freiwillige Feuerwehr von der Besatzungsmacht wieder zugelassen. Die Mitglieder bekamen weiße Armbinden mit der Aufschrift „Fire Depot“, die vom Bürgermeisteramt abgestempelt wurden als Zeichen dafür, dass es sich um politisch überprüfte Personen handelt. Da viele Männer im Krieg gefallen oder verwundet waren, fanden sich bei der Feuerwehr nur wenige Männer ein. 15 an der Zahl, meist ältere Feuerwehrkameraden, die sich bereit erklärten, weiterhin Dienst zu tun. Unter dem damaligen Bürgermeister Daiker, ehemals Kassier und Schriftführer der Wehr, fanden erste Übungen statt.
Wettlauf der Wehren
Die Amerikaner hatten für die hier stationierten Truppen und Familienangehörigen eine eigene Feuerwehr aufgestellt. Da bei jedem Brand auch die amerikanische Feuerwehr zum Einsatz kam, wurde die deutsche Wehr entlastet. Dabei soll es immer wieder zu einer Art Wettrennen zwischen den beiden Wehren gekommen sein. Die Bad Mergentheimer Wehr soll dabei fast nie auf dem zweiten Platz gestanden haben.
Um junge Männer für den Feuerwehrdienst zu gewinnen, wurde 1947 eine Werbeaktion gestartet, die ein voller Erfolg war. Die Wehr erreichte durch die Neuzugänge eine Stärke von 60 Mann, wobei die Neuen eine Schnellausbildung an allen Geräten durchliefen. Im Herbst konnten sie dann bei einer Feuerschutzwoche ihr Können unter Beweis stellen.
Die Wehr war nun mannschaftsmäßig wieder voll einsatzbereit und wurde immer wieder nachgerüstet und zu vielen Einsätzen gerufen: Zimmerbrand, Hochwasser, Großbrand. Sie wurde auch in zunehmendem Maße bei Ölschadensfällen und zu technischen Hilfeleistungen zum Beispiel bei Verkehrsunfällen eingesetzt, wobei entsprechende Ausrüstung angeschafft und die Alarmierungseinrichtung optimiert wurde. Auch eine Strahlenschutzgruppe wurde aufgebaut.
Jugendfeuerwehr gegründet
1977 wurde eine Jugendfeuerwehr gegründet, um Nachwuchsproblemen vorzubeugen, denn immer weniger junge Männer fanden den Weg zur Feuerwehr. Und in diesem Jahr wurde auch die Altersabteilung St. Florian gegründet, um den älteren Kameraden, die jahrzehntelang in der Feuerwehr aktiv waren, einen Ort der Zusammenkunft zu bieten, an dem sie sich austauschen und auch der „alten Zeiten“ erinnern können.
Als an Fronleichnam 1984 Teile des Main-Tauber-Kreises nach Unwettern und Dammbrüchen von einer schweren Flutkatastrophe heimgesucht wurden, wobei Königheim besonders betroffen war, waren auch Feuerwehrkräfte aus Bad Mergentheim eine Woche lang im Einsatz. Galt es in den ersten Stunden in zum Teil waghalsigen Aktionen mit Hubschraubern und Booten Menschen von Balkonen und Dächern zu retten, so mussten in den folgenden Tagen Keller leer gepumpt, Straßen geräumt, Tierkadaver geborgen und noch viele andere Rettungs- und Hilfsmaßnahmen durchgeführt werden.
Freunde aus Digne und Bregenz
Im Jahr darauf, im Mai 1985, gab es für die Feuerwehrleute ein erfreuliches Ereignis, denn nach eineinhalb Jahren Bauzeit wurde das neue Feuerwehrgerätehaus im Bereich „Zwischen den Bächen“ bei einer Einweihungsfeier seiner Bestimmung übergeben, wobei auch die Freunde der Feuerwehren von Digne-les-Bains (französische Partnerstadt) und Bregenz nicht fehlen durften.
Im Dezember 1987 wurde im Untergeschoss des Feuerwehrgerätehauses eine neue Atemschutzübungsanlage in Betrieb genommen. Nun mussten die Feuerwehrangehörigen aus dem gesamten Landkreis nicht mehr nach Bruchsal an die Landesfeuerwehrschule zum Atemschutzlehrgang fahren. Jetzt konnten sie in Bad Mergentheim geschult werden.
Auch das gehört zum Alltag der Feuerwehrleute, dass sie beispielsweise in der Nacht zum 1. März 1989 um 2.55 Uhr von ihren Funkmeldeempfängern aus dem Schlaf gerissen und zu einem Brandeinsatz zum Löffelstelzer Rathaus gerufen wurden, wobei sich die Löscharbeiten aufgrund des tobenden Sturms sehr schwierig gestalteten. Apropos Sturm, Unwetter und Überschwemmungen. Sie halten immer öfter die Feuerwehrleute auf Trab.
Was für jede Feuerwehr, für jeden einzelnen Feuerwehrangehörigen als besondere Schreckensmeldung gilt, wurde am 23. Juni 1994 um 9.05 Uhr zur Wirklichkeit: Großbrand im Bad Mergentheimer Caritas-Krankenhaus. Im Einsatz waren 168 Feuerwehrleute mit 26 Fahrzeugen, 25 Rettungskräfte des Roten Kreuzes mit fünf Fahrzeugen, ein Rettungshubschrauber, ein Polizeihubschrauber und 50 Polizeibeamte. 192 Patienten mussten evakuiert werden. Vier Feuerwehrleute wurden leicht verletzt.
Verdächtiges weiß-gelbes Pulver
Einen besonderen Einsatz gab es am 19. Oktober 2001, als Milzbrand-Alarm am Schellenhäuschen am Schlosspark gemeldet wurde, wo ein Passant weiß-gelbes Pulver auf einer Mauer entdeckt hatte. Ein Großaufgebot an Feuerwehr und Polizei war angerückt. Nur zwei Wehrmänner durften sich in hellgrünen Chemikalien-Vollschutzanzügen den vermuteten Milzbrand-Erregern nähern, um sie sicher zu stellen. Anschließend mussten die Feuerwehrmänner, die mit dem Pulver in Berührung kamen, eine mobile, extra aufgebaute Duscheinrichtung benutzen. Bei der anschließenden Untersuchung des Pulvers wurde festgestellt, dass es sich um einen ungefährlichen Stoff handelte.
Die Aufgabe, Feuer zu bekämpfen und Menschenleben zu retten, hat nach wie vor noch denselben Stellenwert. Aber darüber hinaus werden technische Hilfeleistungen gefordert, wobei immer mehr Spezial- und Sachwissen unerlässlich sind. Auch das für eine moderne Wehr notwendige technische Gerät stellt höchste Anforderungen an die Aus- und Fortbildung. Mut und Einsatzbereitschaft waren von Beginn an gefordert und sind bis heute unerlässlich. Aber keine Modernisierung und kein technischer Fortschritt können Menschen ersetzen. (Fortsetzung folgt)
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