Bad Mergentheim. Seit mittlerweile 125 Jahren gibt es die Baufirma Leonhard Weiss. Immer wieder neu stellen sich die Mitarbeiter den Herausforderungen, den kleinen und ganz großen Projekten. Auch der Standort Bad Mergentheim trägt mit seinen 440 Beschäftigten seinen Teil zum Gesamterfolg des Unternehmens bei.
Mit über 7700 Mitarbeitern insgesamt und einem Jahresumsatz von mehr als 2,5 Milliarden Euro (2024) zeigt sich Leonhard Weiss als großer Player in der deutschen Baubranche. Doch was macht den Erfolg dieses Traditionsunternehmens aus und welche Herausforderungen und Chancen sieht es für die Zukunft? Die FN sprachen mit zwei Verantwortlichen.
Flexibilität und Vielfalt des Angebots als Kernstrategie
Michael Schneider, Technischer Leiter für den Straßenbau „Mitte“ in Deutschland, und Oliver Hofmann, Bereichsleiter in Bad Mergentheim, geben Einblicke in die facettenreiche Welt von Leonhard Weiss. Die Schlüssel zum Erfolg? Eine strategisch ausbalancierte Mischung aus regionalen und überregionalen Projekten, hohe Qualität sowie eine ständige Erweiterung des Leistungsspektrums. „Wir haben unsere Angebotspalette vergrößert. Der Weg in den Energiesektor und Großprojekte wie SuedLink helfen dabei, die Auftragsbücher zu füllen“, sagt Hofmann.
Der klassische Straßenbaumarkt steht unter Druck. Hohe Konkurrenz und ein gesamtwirtschaftlich schwieriges Umfeld machen es Bauunternehmen schwer, konstant Aufträge zu erhalten. Schneider betont: „Trotz vollmundiger Ankündigungen aus Berlin gab es im Juli aus Geldmangel einen Vergabestopp der Autobahn GmbH des Bundes – das bremst entgegen allen Erwartungen.“ Umso wichtiger seien große Infrastrukturprojekte und die Ausweitung in neue Marktsegmente.
Die Bauindustrie steht vor einem technologischen und strukturellen Umbruch. Laut Schneider eröffnen milliardenschwere Investitionen in Brücken, Straßen und Schienen im Rahmen der Modernisierung der Infrastruktur enorme Chancen. „Wir sind in der Lage, alle notwendigen Sparten und Geschäftsbereiche abzudecken“, erklären die Firmenvertreter stolz. Innovation wird großgeschrieben: „Heutzutage gehören 3D-Visualisierungen, E-Mobilität im Fahrzeug- und Gerätebereich und zahlreiche High-Tech-Geräte ebenso schon zum Alltag wie Drohnen zur Geländeaufnahme und Dokumentation.“
Digitalisierung und KI: Der nächste Schritt im Baubereich
Hofmann und Schneider sehen die Digitalisierung als Schlüsselfaktor für die Zukunft der Branche. „KI wird Baustellenprozesse grundlegend verändern. Autonomes Fahren und Sensorik werden effizientere Bauprozesse ermöglichen.“ Der Fokus liege darauf, Technologie sinnvoll zu integrieren, ohne den Menschen als wesentlichen Faktor in der Baubranche zu vernachlässigen. Denn trotz fortschreitender Technologie bleibe der Mitarbeiter im Mittelpunkt der Unternehmensphilosophie. Leonhard Weiss investiert kontinuierlich in die Ausbildung junger Fachkräfte. „Wir haben zahlreiche Auszubildende und bedienen viele Berufsbilder. Unsere interne LW-Akademie sorgt zudem für Entwicklungschancen innerhalb der Firma“, so Schneider, der noch hervorhebt: „Wir sind familiengeführt und bieten viele übertarifliche Leistungen – wir sind trotz aller Größe immer noch ein Handwerksbetrieb im besten Sinne.“
Das Unternehmen sieht in der lokalen Verankerung einen wesentlichen Anteil seines Erfolgs. „Die Größe von Bad Mergentheim ist gesund, die Mischung macht‘s“, betont Hofmann und er räumt auch gleich mit einem Vorurteil auf: „Wenn ich zu Leonhard Weiss gehe, muss ich sehr weite Wege zu meiner Baustelle in Kauf nehmen? Das stimmt nicht! Grundsätzlich ist es so, dass wir dort hingehen müssen wo die Arbeit ist, aber wir schauen auch auf persönliche Verpflichtungen zum Beispiel die Familie oder den gerade laufenden privaten Hausbau und setzen unsere drei Kolonnen entsprechend ein. Es braucht Gespräche und Flexibilität von beiden Seiten – und zum Glück haben wir auch regional Arbeit.“ Hofmann zählt dazu auf: den Bau der Stromtrasse bei Distelhausen, unter der B 290 hindurch; Straßen- und Tiefbau für die Firma Würth in Gaisbach oder die Stadt Künzelsau; dann in Osterburken und Bad Windsheim sowie vor der Haustüre die Modernisierung des Gänsmarktes in Bad Mergentheim oder Projekte für das Stadtwerk Tauberfranken.
Die Geschichte von Leonhard Weiss in Bad Mergentheim ist bemerkenswert. Was 1971 mit einem kleinen Büro am Gänsmarkt begann, hat sich über mehr als 50 Jahre und einen Zwischenstopp in der Buchener Straße zu einem modernen Standort mit heute 14.000 Quadratmetern in der Wilhelm-Frank-Straße entwickelt. Die kontinuierliche Expansion und der Umzug in größere Räumlichkeiten spiegeln den Wachstumskurs wider, den das Unternehmen genommen hat.
32 Standorte bundesweit
In einer Branche, die kontinuierlich Veränderung und Anpassungsfähigkeit erfordert, hat sich die Baufirma Leonhard Weiss etabliert. An 32 nationalen Standorten ist das Unternehmen mit seinen Hauptsitzen in Göppingen und Satteldorf tätig und in die drei Geschäftsbereiche Straßen- und Netzbau, Gleisinfrastrukturbau sowie Ingenieur- und Schlüsselfertigbau aufgeteilt. Zum Straßenbau „Mitte“ gehören vier Standorte, davon ist Bad Mergentheim der Größte vom Auftragsvolumen und von der Mitarbeiterzahl, die anderen Bereiche sind Plankstadt zwischen Mannheim und Heidelberg, dann Langen in Hessen, südlich vom Flughafen Frankfurt am Main gelegen, und der im Aufbau befindliche Standort in Dortmund. Geografisch dient firmenintern die A6 als Grenze zur Einheit „Süd“ und das Zuständigkeitsgebiet reicht im Norden bis Fulda/Kassel und Nordrhein-Westfalen.
Michael Schneider ist seit 25 Jahren bei Leonhard Weiss und er berichtet, dass die strategische Stoßrichtung eben gerade auch nach Nordrhein-Westfalen führt und auf eine verstärkte Marktdurchdringung im Raum Frankfurt am Main abzielt.
„Wir arbeiten mit unseren Standorten eng zusammen und bewältigen immer wieder eine Mischung aus regionalen und großen Projekten, die wir auch für unsere Zahl an Beschäftigten brauchen“, so Schneider: „Wir machen Straßen- und Tiefbau, arbeiten aber trotzdem innerhalb des Unternehmens mit den Einheiten Gleisinfrastrukturbau gut zusammen. Wir machen Entwässerung, Logistik und auch viel gemeinsam mit dem Ingenieur- und Schlüsselfertigbau. Wir heben die Baugrube aus, legen die Infrastruktur an und machen am Schluss noch die Außenanlage.“ Zu den Großbaustellen zählen der A49-Ausbau in Hessen und Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen für SuedLink, als nächstes zwischen Schweinfurt und Fulda. Auch deutschlandweit bekannte Großprojekte wie der Wiederaufbau des Ahrtals und die Ende 2024 abgeschlossene größte Gleisbaustelle in Deutschland, die Riedbahn, zeigen, wie man gefordert ist.
„Zu lange Planfeststellungsverfahren“
Oliver Hofmann freut sich, dass trotz aller Widrigkeiten in der Baubranche und dank der guten Mischung aus lokalem und überregionalem Geschäft die Auftragsbücher voll sind und die rund 50 großen Bagger allein in der Kurstadt nicht stillstehen. Als belastend beschreibt Hofmann die zu langen Planfeststellungsverfahren in Deutschland und Verzögerungen bei öffentlichen Aufträgen, wenn man quasi loslegen will, die Leute parat stehen und es dann noch klemmt.
Zur Bürokratie allgemein, meint er nüchtern, dass sie auch menschengeprägt sei: „Der eine sieht Probleme, der andere findet Lösungen.“ Schneider und Hofmann berichten, dass man gerade bei einem Großauftrag in Nordrhein-Westfalen, bei Amprion, schon per Beratervertrag von Beginn an in die Planungen mit eingebunden sei. Das mache vieles leichter. „Der Auftraggeber will das Knowhow der Bauindustrie in einem sehr frühen Stadium integrieren und das ist zum Wohl des Gesamtprojekts, wir sind damit zielgerichteter unterwegs“, erklärt Schneider und wünscht sich Gleiches auch für andere Baustellen. Mehr Nachhaltigkeit erhofft er sich für den Umgang mit Bodenmaterial, das man mehr recyceln und aufbereiten könnte: „Wir fahren noch zu weite Wege das Material weg, statt es aufzubrechen, zu sieben und dem Wirtschaftskreislauf wieder zuzuführen. Das Recycling des Bauaushubs vor Ort ist sinnig – dafür brauchen wir aber mehr Flächen im Bauumfeld und die Erlaubnis es tun zu dürfen.“
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