Tatort Tauber-Odenwald

Bad Mergentheim: Neue Erkenntnisse im Mordfall Adelheid Staab

Er war lange Zeit Thema im Raum Bad Mergentheim: Der Mordfall Adelheid Staab, der sich in einem Waldstück zwischen Edelfingen und Löffelstelzen ereignete, bleibt ungeklärt und ist immer noch Gegenstand von Ermittlungen.

Von 
Simon Retzbach
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Der Eingang zum Gewann Buchrain. Hier wurde vor knapp 40 Jahren der bis heute nicht aufgeklärte Mordfall begangen. © Retzbach

Löffelstelzen/Edelfingen. Man fühlt sich tatsächlich ein bisschen in der Zeit zurückversetzt, wenn man das Gewann Buchrain auf dem Geinhartsberg zwischen Löffelstelzen und Edelfingen betritt. Bei stürmisch-nasskaltem Wetter und (noch) kahlen Bäumen wirkt die Kulisse fast ein bisschen zu geeignet und klischeehaft als Schauplatz für ein schweres Verbrechen, das sich vor fast 40 Jahren tatsächlich dort ereignet hat.

Endgültig zurückversetzt wird man beim Anblick einer Frau, die ihr Auto am Waldrand parkt und mit einem Dackel an der Leine den Weg tiefer in den Wald hinein antritt. Denn es war ebenfalls ein ungemütlicher Dienstag, der 8. November 1983, als die 44-jährige Sekretärin Adelheid Staab mit ihrem kleinen Dackel am frühen Abend im Gewann Buchrain unterwegs ist.

Während die Sekretärin damals mit ihrem Hund alleine spazieren war, wird die Frau von ihrem Ehemann begleitet. Sie wohnen in Edelfingen und können sich noch gut an den Fall erinnern, nicht nur wegen der identischen Hunderasse: „Wir haben damals frisch gebaut, als sich die Tat ereignet hat. Das ist schon ein mulmiges Gefühl, wir dachten, man kann hier nicht rausgehen“, beschreiben sie ihre Eindrücke der damaligen Zeit.

Als Adelheid Staab damals von besagtem Spaziergang nicht wie gewohnt zurückkehrt, erkundigt sich ihre Tochter zunächst bei Bekannten nach ihrem Verbleib, bevor man sich gemeinsam auf eine erste, erfolglose Suche machte. Um 21 Uhr alarmierten sie schließlich die Polizei, die sich mit einem Streifenwagen auf die Suche machte und eine Stunde später das Auto und den Hund Staabs am Waldparkplatz zwischen Edelfingen und Löffelstelzen fand. In der Nacht dann nach ausgedehnter Suche die traurige Gewissheit: Die Leiche der Frau wird an einem Wegrand in besagtem Waldstück gefunden.

Ihr Leichnam wies Spuren von Gewalteinwirkung auf, viermal wurde sie mit einem stumpfen Gegenstand an Kopf und Nacken „mit starker Gewalt und sehr brutal“ getroffen, erlitt so tödliche Verletzungen. Ein Sexualdelikt oder Raubmord war nicht festzustellen.

Aufgrund der fast schon liebevoll zu nennenden „Aufbahrung“ des Opfers und fehlenden Spuren einer Gegenwehr am Körper Staabs gehen die Ermittler damals von einer vertrauten Beziehung zwischen Täter und Opfer aus. Ihre Körperhaltung bei Auffinden ließ auf völlige Überraschung im Moment des brutalen Angriffs schließen.

Eindeutiger Sachverhalt

Tatverdächtige gibt es in diesem Fall, schnell war der erste Verdacht der Ermittler auf Staabs Arbeitskollegen Otto T. gerichtet, der nur zwei Tage nach der Tat festgenommen wurde. Ein Zeuge will sein Auto zum Tatzeitpunkt auf dem Waldparkplatz gesehen haben.

Zunächst sah der Sachverhalt ziemlich eindeutig aus: Es wurde Blut an T.’s Hose gefunden, das mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Opfer stammt. Er kann sich das zunächst nicht erklären, doch dann fällt ihm ein, dass er den Dackel der Getöteten am Tatabend angeleint hatte, nachdem dieser bei seiner Frau auf den Schoß gesprungen war.

Da er anfangs ein Alibi vorweisen kann, wird er auf freien Fuß gesetzt und auch ein erneuter Versuch, ihn wegen des Mordes zu verurteilen, schlug fehl. Während der Gerichtsverhandlung fiel ein Anklage-Indiz nach dem anderen in sich zusammen. Das Gericht hörte 70 Zeugen, befragte zehn Sachverständige und kam nach 13 Prozesstagen mit über hundert Verhandlungsstunden zu der Überzeugung, „dass der Beschuldigte nicht der Täter sein kann“, sein Freispruch war die logische Folge.

Verdächtiger Zeuge

Vier Jahre später nimmt sich eine Polizeibeamtin des Falles erneut an und der Cold Case wird noch einmal heiß: Eine neue, zuvor nicht beachtete Spur führt zu ebenjenem Zeugen, der Jahre zuvor Otto T. mit seiner Aussage schwer belastet und in den Fokus polizeilicher Ermittlungen rückte.

Der 32-Jährige stammt aus Igersheim und will das Auto des damals Tatverdächtigen gesehen haben, obwohl es ein nebliger Abend war und die Sichtverhältnisse eine solche Beobachtung äußerst unwahrscheinlich machten. Das weckte das Misstrauen der nun ermittelnden Beamtin, woraufhin aus dem Zeugen nun ein Tatverdächtiger wurde. Noch dringender wird dieser Verdacht, als der Igersheimer den Mord an Adelheid Staab in der polizeilichen Befragung gesteht. Er tat dies so detailliert und in den Augen der Ermittler glaubwürdig, dass aus dem Anfangsverdacht ein dringender Tatverdacht wurde.

Bislang kein Täter

Als der zweite Tatverdächtige sein mehrfach geäußertes Geständnis widerrief und ein psychiatrisches Gutachten dieses Geständnis als „wahrscheinlich unglaubwürdig“ einstufte, kommt auch der 32-Jährige frei. So konnte bis heute kein Täter ermittelt werden.

Da Mord in Deutschland nicht verjährt, werden solche „Cold Cases“ auch nach langer Zeit noch von Ermittlungsbeamten bearbeitet. Dieses „Nachfassen“ ist zwar eher selten erfolgreich, manchmal kann jedoch auch nach Jahren oder Jahrzehnten noch ein Täter dank fortgeschrittener Methoden erfolgreich ausfindig gemacht werden.

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Prominentes Beispiel hierfür ist der Mordfall Carmen Kampa, der 2011 nach ziemlich genau 40 Jahren mithilfe aufwendiger Rekonstruktionsarbeiten und DNA-Analysen gelöst werden konnte.

Wiederholt ermittelt

Der bislang ungelöste Fall Adelheid Staab wird nach dem regulären Schema der baden-württembergischen Polizei bearbeitet (die FN berichteten). Nach dem ersten „Wiederaufrollen“ 1987, das zu der zweiten Spur mit einem konkret Tatverdächtigen aus Igersheim führte, fanden von 2005 bis 2008 erneut Ermittlungen statt.

Kriminaldirektor Michael Kraft ist als Leiter der Kriminalinspektion 1 in Heilbronn für den Fall zuständig. „Im Fall Staab wurden neuere technische Methoden molekulargenetischer Untersuchungen durchgeführt“, erklärt der Kriminaldirektor. Auch wenn die Polizei aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens keine Auskunft über die Art der untersuchten Spuren geben darf, so kann sie dank der Untersuchungen auf jeden Fall ein konkretes Ergebnis vermelden: „Ein tatverdächtiger Spurenverursacher konnte ausgeschlossen werden.“

Das bedeutet, dass der anfängliche Zeuge und spätere Tatverdächtige aus Igersheim nicht der Mörder von Adelheid Staab gewesen sein kann. Er galt nach dem Freispruch von Otto T. als einziger noch verbliebener Tatverdächtiger.

Diese Gewissheit auf der einen Seite bedeutet jedoch auch, dass auf der anderen Seite der Mordfall bis heute ungelöst bleibt. Denn außer den beiden ursprünglich medienbekannt gewordenen Verdächtigen, von denen einer vor Gericht freigesprochen und der andere nun im Rahmen der Ermittlungen entlastet wurde, fanden sich nach Auskünften des Polizeipräsidiums Heilbronn keine weiteren Tatverdächtigen mehr. Der Mord bleibt also ungesühnt.

Redaktion

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