Zum Abschluss unserer Gemeindereform-Serie, in der die Stadtteile vorgestellt wurden und zu Wort kamen, sprachen wir mit Oberbürgermeister Udo Glatthaar.
Bad Mergentheim. In den zurückliegenden Monaten haben wir über die Eingemeindungen im Raum Bad Mergentheim berichtet, die vor 50 Jahren begannen. 13 Dörfer wurden zwischen 1972 und 1975 in die Kurstadt als Stadtteil eingegliedert. Dass die mehr oder weniger freiwillige Aufgabe ihrer Selbstständigkeit den Dörfern nicht leicht fiel, ist verständlich. Aber im Laufe der Zeit sind die Wunden, dank der spürbaren Verbesserungen in den Ortschaften, geheilt worden. Heute gibt es unter den Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern niemand, der die Selbstständigkeit wie vor der Reform begrüßen würde.
Welche aktuelle Bilanz zieht der Bad Mergentheimer Oberbürgermeister Udo Glatthaar angesichts dieser „Ehe“ mit immerhin 13 Stadtteilen, die den Aufstieg Bad Mergentheims aufgrund der gestiegenen Einwohnerzahl zur Großen Kreisstadt ermöglichten? Fühlt sich Bad Mergentheim wohl in der Gemeinschaft mit den 13 Stadtteilen?
Udo Glatthaar: Ja, uneingeschränkt. Bad Mergentheim ist nicht nur stolz auf seine prosperierende Kernstadt, sondern auch auf alle 13 reizvollen Teilorte, die selbstbewusst diese Große Kreisstadt mitprägen. Viele von ihnen ebenfalls auf Wachstumskurs. Und dieses Selbstbewusstsein kommt auch aus eigener Stärke heraus, unsere Teilorte sind keine ‚Anhängsel’. Vom touristisch bedeutenden Wein-Erholungsort Markelsheim, der weltberühmten Stuppacher Madonna bis hin zum Bier aus Herbsthausen. Jeder Teilort hat seine Besonderheiten, seinen eigenen Charakter, und hier pulsiert ,Stadtleben’ im besten Sinne.
Welche Vorteile, welche Nachteile sehen Sie?
Glatthaar: Zunächst einmal gilt es anzuerkennen, dass die Gemeindereform eine große Kraftanstrengung war, auch für die politisch Handelnden auf Landesebene. Die damals regierende Große Koalition hat es sich nicht leicht gemacht, ein Thema anzufassen und durchzufechten, das derart emotional besetzt ist. Und das ja letztlich die ganz großen Fragen von Identität, Selbstbestimmung und Lokalpatriotismus aufwirft.
Einen guten Eindruck von all diesen Emotionen hat Ihre Serie mit den Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern in den FN uns noch einmal vermittelt. Trotzdem sage ich heute, gerade als Leiter der Verwaltungseinheit: Der Grundgedanke, dass die komplexer gewordenen Anforderungen an eine funktionierende Kommunalverwaltung größere und professionalisierte Behörden und Gebietseinheiten brauchte, war richtig. Wobei damit nicht gesagt ist, dass nun jede Grenz-Ziehung und Detailfrage immer im besten Sinne gelöst worden ist. Das wäre bei der Dimension dieser Reform auch verwunderlich.
Gibt es Reibungspunkte?
Glatthaar: Der manchmal immer noch im Raum stehende Klassiker ist wenig überraschend der, wonach die Kernstadt die Stadtteile ‚abhängt’, in der Wahrnehmung dominiert oder anderweitig bevorzugt würde. Solche Diskussionen spielen aber in Bad Mergentheim keine so große Rolle mehr, auch weil es objektiv widerlegt werden kann. Wir haben in allen Teilorten Baugebiete entwickelt und damit Wachstumschancen eröffnet, die auch ergriffen werden.
Wir haben eine starke Repräsentanz mit der Unechten Teilortswahl und den festgelegten Wohnbezirken; Ortschaftsräte und Ortsvorsteher haben eine starke Stellung. Wir investieren kräftig in den Teilorten, vom neuen Bildungscampus in Edelfingen über das neue Orts-Entree mit Kreisverkehr in Löffelstelzen bis hin zum Feuerwehrgerätehaus-Neubau in Wachbach – um nur einige aktuelle Schlaglichter zu werfen. Gerade haben wir für Althausen den Förderantrag für die Sanierung und Weiterentwicklung des Freibades zum Naturbad gestellt.
Ich kann mich auch noch gut erinnern, als wir im Zuge des Stadtentwicklungskonzeptes mit den Fachleuten der ‚STEG’ Rundgänge in allen Teilorten gemacht haben und die Externen darüber staunten, wie attraktiv die Teilorte dastehen. Da fällt der eine oder andere Kernstadt-Bezirk deutlich ab.
Wir stecken gerade in den Haushaltsberatungen für den Etat 2023 und die Mitarbeitenden der Kämmerei und ich haben uns mit jedem Ortsvorsteher und jeder Ortsvorsteherin zusammengesetzt. Natürlich hat jede und jeder Wünsche, die dann am Ende vielleicht nicht machbar sind – das eint aber die Kernstadt mit allen Stadtteilen. Insgesamt werden wir auch weiterhin in den Teilorten viel bewegen.
Haben Sie Änderungsbedarf?
Glatthaar: Ich glaube nicht, dass eine neuerliche Gemeindereform derzeit Thema unserer Debatten sein sollte.
Ist die Kernstadt mit den Stadtteilen zusammengewachsen?
Glatthaar: Ja. Mir ist besonders die Reihe ‚Heimat vor Ort’ aus den Heimattagen 2016 in Erinnerung, als alle sich eingebracht und gegenseitig neu entdeckt haben. Da war trotz aller Unterschiede und Eigenständigkeit etwas Verbindendes spürbar.
Ich möchte an dieser Stelle aber bewusst auch derjenige sein, der sozusagen ‚eine Lanze für die Kernstadt bricht’. Sie ist Motor und Zugpferd unserer Entwicklung, sie muss bestimmte Leuchtturm-Funktionen abbilden, von denen alle profitieren.
Mein Appell lautet: Sehen wir die Kernstadt nicht als den Teilort der Kernstadt-Bewohnerinnen und -Bewohner, sehen wir sie als unser aller Zentrum! Und von einem starken Zentrum profitieren letztlich auch die Teilorte. Vom Ambiente der historischen Bausubstanz über Einkaufs- und Aufenthaltsmöglichkeiten bis zu Angeboten in Gesundheit, Bildung und Kultur. Erkennen wir an, was die Kernstadt leistet – beispielsweise eine im Verhältnis viel höhere Aufnahme von Geflüchteten. Oder die starke Wohnraum-Verdichtung, die die Ausdehnung in den Teilorten erst möglich macht. Auch das gehört zum Gesamt-Bild dazu.
Gibt es einen Grund zum Feiern?
Glatthaar: Natürlich gibt es den. Wir haben uns gemeinsam stark entwickelt – wenn das kein Grund zum Feiern ist. In der Verwaltung werden Überlegungen angestellt, wann und in welchem Rahmen das Jubiläum gefeiert werden könnte. Ein denkbares Datum wäre der 1. April 2025, dann jährt sich nämlich auch unsere Erhebung zur Großen Kreisstadt zum 50. Mal.
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