FN-Interview

Bad Mergentheim: Erste Dellen im Haushalt und Bremsspuren in Neubaugebieten

Die städtischen Finanzen in der Wirtschaftskrise, dazu Steuern und Gebührensätze, Neubaugebiete und Einsparpotenziale waren Themen eines FN-Gesprächs mit Oberbürgermeister Udo Glatthaar.

Von 
Sascha Bickel
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Dunkle Wolken über dieser Baustelle: Energie- und Wirtschaftskrise, steigende Kosten und Zinsen sowie die Inflation sorgen für erste Spuren im Bausektor. © dpa

Bad Mergentheim. Im Interview nimmt Rathaus-Chef Udo Glatthaar Stellung zu ersten Bremsspuren in der Energie- und Wirtschaftskrise, aber auch zu wichtigen Projekten der Stadt und Plänen im Bausektor.

Energiekrise, Inflation und steigende Baukosten belasten auch den städtischen Haushalt. Wie steht die Stadt finanziell da und wie ist der Ausblick auf 2023?

Udo Glatthaar: Heute, mit Blick auf die Jahresabschlüsse 2021 und 2022, stehen wir noch sehr gut da, viel besser als geplant. Unsere Verschuldung ist weiter gesunken. Auch der Haushalt 2022 wird trotz Krise besser ausfallen, als wir es zu Jahresbeginn geplant hatten. Damit bewegen wir uns im Bereich der letzten zehn Jahre: Wir planen sehr wertkonservativ und solide – und freuen uns am Ende über das bessere Ergebnis.

Es werden also auch dieses Jahr keine Kredite benötigt?

Glatthaar: Nein, allerdings gibt es erste Dellen im Haushalt. Wir werden nicht die erhofften Mehreinnahmen insbesondere bei der Gewerbesteuer, dagegen aber Ausgabensteigerungen durch Verteuerung haben.

Die Energie- und Wirtschaftskrise mit dramatischen Preissteigerungen und nie gekannter Inflation wird uns in den Folgejahren treffen. Wir werden wegen der steigenden Kosten für 2023 trotz vorgesehener Sparmaßnahmen höhere Ausgaben anmelden müssen. Zudem wollen wir unsere notwendigen größeren Projekte, allen voran die neue Grundschule im Auenland, realisieren, denn wenn wir hier zögern, wird es nur noch teurer. Deshalb befürchte ich, 2023 wird es zum ersten Mal so sein, dass am Ende eben nicht alles wieder ins Positive umschlägt.

Zum Glück haben wir eine stabile Rücklage von knapp 30 Millionen Euro gebildet – das hilft für die kommenden Jahre und das hätte man uns vor zehn Jahren nicht zugetraut.

Zum angefragten Ausblick: Wir stehen in den kommenden Jahren vor immensen Investitionen. Ich kann vorwegnehmen, dass ein Schwerpunkt dabei weiterhin der Ausbau der Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur in Kernstadt und Teilorten sein wird: Neubauten, Sanierungen, Erweiterungen.

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Welche Großprojekte sind in den nächsten Jahren noch zu stemmen und wo muss die Stadt auf die Bremse treten?

Glatthaar: Wir fahren auf Sicht, denn eine langfristige exakte finanzielle Planung ist aufgrund der schnellen Veränderungen und ungewissen Entwicklungen nicht zuverlässig möglich. In der Krise müssen zur Not Projekte verschoben, wo es geht verkleinert und im schlimmsten Fall gestrichen werden. Die Haushaltsberatungen für 2023 sind angelaufen und ich möchte dem Gemeinderat und seinen Entscheidungen nicht vorgreifen. Sagen kann ich aber, dass wir Stand heute keine geplanten Projekte reduzieren wollen, denn sie sind nötig und die Stadt ist robust genug, diese zu stemmen – auch wenn dafür Kredite benötigt werden.

Trotz der Pandemie haben wir es übrigens geschafft, dass der Berg der nicht erledigten Vorhaben in unserer Kurstadt kleiner geworden ist. Dieser Weg soll weiter beschritten werden.

Das größte Projekt ist wie vorhin erwähnt der Bau der neuen Grundschule. Wir reden hier von Gesamt-Investitionen von rund 18 Millionen Euro. Den größten Teil müssen wir nächstes Jahr einplanen.

Ein Kreditvolumen von zehn bis 15 Millionen Euro und ein von mir derzeit erwartetes Minus von vier bis fünf Millionen in der Kalkulation des Ergebnishaushaltes lassen unseren Ansatz 2023 schlechter aussehen als die Etats der Vorjahre. Das Defizit kann man aufgrund bestehender Haushaltsgesetze auch nicht einfach aus der Rücklage holen.

Müssen die Bürger und Unternehmen damit rechnen, stärker zur Kasse gebeten zu werden?

Glatthaar: Aus meiner Sicht im kommunalen steuerlichen Bereich für das Jahr 2023 ganz klar: Nein. Zunächst sei daran erinnert, dass wir die Steuersätze für Grund- und Gewerbesteuern seit vielen Jahren nicht erhöht haben. Bei den Gebühren sind zudem einige anstehende Erhöhungen ausgesetzt worden, denn wir wollten die Bürger und Firmen während der Pandemie nicht noch mehr belasten.

Die Grundsteuerreform und ihre Folgen könnten jedoch in den Jahren nach 2023 eine Reaktion nötig machen.

Hier und da wird es aber weiterhin notwendig sein, die Gebühren anzupassen. Wir tun dies alle paar Jahre in vertretbaren Schritten und stets mit Blick auf die jeweils angestrebte Kostendeckungsquote. Die Einnahmenseite der Stadt muss zu den Ausgaben passen.

Statt Einnahmen zu erhöhen kann man auch Ausgaben reduzieren. Gibt es Pläne, aufgrund massiv gestiegener Baukosten, Abstand von Neubaugebieten zu nehmen oder anderes einzusparen?

Glatthaar: Laufende Projekte sollen nicht verschoben werden. Ich bin froh, dass wir kleinere und ein großes Baugebiet am Markt haben. „Auenland III“ am Rand des Weberdorfes ist mit allein über 80 Plätzen für Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften jetzt endlich in der Vermarktung. Bislang gab es ein Vielfaches an Vormerkungen. Durch die Krise sind leider schon einige Bauwillige abgesprungen, das ist mehr als bedauerlich. Dadurch ergeben sich zwar auch Chancen für andere, die bislang bei unserem Punkte-Vergabesystem keine Möglichkeit auf einen Bauplatz-Kauf erhalten hätten, dies ist aber kein Trost für diejenigen, die lange vom Eigenheim als neuem Lebensmittelpunkt im Auenland geträumt haben.

Mit Blick auf 2022 stelle ich zudem fest, dass die Baugebiete in Neunkirchen und Edelfingen bis auf ein paar Restplätze abverkauft sind. In Löffelstelzen merkt man die Bremsspuren der Krise und der deutlich höheren Bauzinsen stärker, hier sind noch 13 Bauplätze frei, einige davon waren reserviert, wurden aber zurückgegeben.

Meine Haltung war und ist, dass wir stark und stetig eine Innenverdichtung brauchen, auch in den Ortskernen – hier ist als positives Beispiel Rengershausen aufzuführen – aber auch weiterhin Neubauflächen anbieten müssen. Das Wachstum hat der Stadt gut getan.

Ich unterstütze deshalb auch Pläne für neue Baugebiete und ehrlich gesagt sind es nicht so viele, die wir noch kurzfristig anvisieren und entwickeln können. In der Kernstadt werden wir in den kommenden Jahren mit den Planungen zur Landesgartenschau neue Quartiere auf Konversionsflächen realisieren. In Apfelbach ist eine vom Land geförderte Innenentwicklung angestoßen. Das ist unser Ziel auch für weitere Teilorte. Grundsätzlich gilt: Wer ein Gebäude oder Grundstück veräußern möchte, sollte sich auch bei der Stadt melden, damit wir gegebenenfalls ein Angebot machen können.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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