Bad Mergentheim. Alkohol ist eine der körperlich schädigendsten Drogen überhaupt. Der Fall eines 34-Jährigen zeigt: Auch der Weg in die Kriminalität ist leicht – die Rückkehr in ein normales Leben fast unmöglich. Einblicke gibt ein aktueller Strafprozess.
Der heute 34-jährige S. steht als Angeklagter vor dem Bad Mergentheimer Amtsgericht. Hereingeführt wird der schmächtige Mann von zwei Justizbeamten in Handschellen – er sitzt derzeit eine einjährige Haftstrafe ab.
Am Ende des Prozesstags wird sich die Haft um sieben Monate weiter verlängern, denn der Angeklagte ist schon seit seinem 14. Lebensjahr polizei- und gerichtsbekannt. Er hat 18 Einträge im Bundeszentralregister angesammelt.
Richterin Susanne Friedl: "Solange Sie trinken, verüben Sie Straftaten"
In den meisten Fällen stehen die Taten – vom Betrug über Beleidigungen und Fahrten ohne Führerschein bis hin zu Diebstählen – im Zusammenhang mit Alkohol. Als „traurig und bedauerlich“ bezeichnet Richterin Susanne Friedl die Karriere von S., der als „gescheiterte Existenz“ gelten könne. Dabei habe der Mann intellektuell durchaus Potenzial. Doch „solange Sie trinken, verüben Sie Straftaten“, so die Richterin.
Wie in jeder Stadt gibt es auch in Bad Mergentheim öffentliche soziale Brennpunkte. Der Bereich um die „Mall“ an der Johann-Hammer-Straße gehört dazu. Wer dort offenen Auges herumgeht, sieht die Gruppen von Alkohol trinkenden Menschen. Schnorr-Versuche und Pöbeleien (auch gegen Polizeibeamte) sind keine Seltenheit – aber auch Beschaffungskriminalität.
Bad Mergentheim: Einkauf mit fremder Bankkarte
Im Toilettenbereich des „Aktiv Centers“ hat sich laut Anklageschrift 2023 ein Diebstahl ereignet, in den der Angeklagte direkt verwickelt war. Die Umhängetasche eines Kunden wurde samt Inhalt entwendet, mit einer Bankkarte wurde umgehend versucht, Einkäufe zu tätigen. Mehr als ärgerlich für den Betroffenen, denn es entstand ihm ein Schaden von deutlich über 200 Euro – auch, weil bei der Tat seine Ausweise wegkamen. Auf den Videoaufnahmen eines Geschäfts in der Mall sind die „Einkaufsversuche“ des mutmaßlichen Täterduos – einer davon ist der Angeklagte S. – dokumentiert. An Details erinnert sich der Mann aber nicht. „Ich war betrunken“, sagt er vor Gericht.
Zwei weitere Fälle und eine Beleidigung werden von der Anklage im Prozess zusammengezogen: Einmal wurde S. Anfang 2024 von der Polizei erwischt, als er auf seinem Fahrrad in Schlangenlinien die Kapuzinerstraße in Bad Mergentheim entlangfuhr. In der Fußgängerzone wurde er dann von der Streife gestellt. Mit über zwei Promille Alkohol im Blut, wie sich bei der Blutprobe im Krankenhaus herausstellte. Anfang Februar dann ein alleinbeteiligter Unfall Richtung Löffelstelzen, ebenfalls mit dem Rad. Auch damals hatte der Mann mit weit über zwei Promille bereits das „Betäubungsstadium“ erreicht. Vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr ist strafbar.
Angeklagter wurde immer wieder von der Alkoholsucht eingeholt
Auf der Liste vergangener Taten des Angeklagten stehen Beleidigungen, das Erschleichen von Leistungen, Hausfriedensbruch, ab dem 13. Lebensjahr Drogendelikte – und immer wieder der Genuss von zuviel Alkohol. Beruflich ist seine Vita von Abbrüchen gekennzeichnet, eine Kochlehre beendete er nicht. Kurze Phasen von Abstinenz gab es – aber im Kreise „Gleichgesinnter“ unterlag er immer wieder seiner Sucht.
Aktuell befindet sich der Mann in einem Justizkrankenhaus, weil er am Würzburger Bahnhof zusammengeschlagen wurde. „Grundlos“, wie er selbst sagt. Folge: ein schwerer Kieferbruch. Der mutmaßliche Schläger konnte ermittelt werden.
Ratschlag der Richterin am Amtsgericht: Therapie und Ortswechsel nötig
Der Mann ist geständig. Das Urteil am Ende der vergleichsweise kurzen Verhandlung: ein Jahr und sieben Monate Haft.
„Bisherige Verurteilungen haben nichts am Verhalten des Angeklagten verändert“, so der Staatsanwalt. Der Verteidiger spricht in den konkreten Fällen von „geringem Schaden“ und einer gewissen „Läuterung“ seines Mandanten.
Richterin Friedl verweist in der Urteilsbegründung auf die rund 20 Jahre lange Karriere von S. als Straftäter. Eine Haftstrafe sei unumgänglich. Eindringlich legte sie dem Mann ans Herz, sich im Anschluss der Haft um eine Therapieplanung zu kümmern – mit einem Ortswechsel, um sich von seinem Milieu fernzuhalten. Weiter Alkohol zu trinken, vielleicht im Winter irgendwo im Gelände einen Unfall zu bauen und dann zu erfrieren, das sei die eine Möglichkeit. Abstinent leben zu lernen die andere – und für ihn wohl die einzig sinnvolle. Der Bereich zwischen Aldi und Mall, er müsse für ihn zur persönlichen Tabuzone werden.
Info: Das Urteil ist nocht nicht rechtskräftig. Binnen Wochenfrist sind Rechtsmittel möglich.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-alkoholfahrten-enden-im-gefaengnis-_arid,2243943.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html