Elf Gedenksteine verlegt

Stolpersteine erinnern an die Ermordung unschuldiger Menschen

Zu der Feierstunde in Creglingen und Archshofen kamen auch Nachfahren der jüdischen Familien aus der Schweiz und den USA

Von 
Arno Boas
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Creglingen/Archshofen. Zum zweiten Mal nach 2015 wurden in Creglingen „Stolpersteine“ verlegt – in Erinnerung und zum Gedenken an jene jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die vor der Deportation durch das NS-Regime dort gewohnt hatten. Erstmals wurden am Montag auch in Archshofen Stolpersteine verlegt. Dort hatte es bis zur Shoah ebenfalls eine große jüdische Gemeinde gegeben. Unter den Anwesenden waren auch Nachfahren der Familien. Für Creglingens Bürgermeister Uwe Hehn „keine Selbstverständlichkeit“, wie er bei der Begrüßung vor dem jüdischen Museum in Creglingen betonte.

Die Stolpersteine sind eine Initiative des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der damit an die Opfer des nationalsozialistischen Terror-Regimes erinnern möchte. 2015 war er noch selbst in Creglingen zum Verlegen von zwölf Stolpersteinen. Diesmal übernahm diese Aufgabe im Auftrag des Künstlers der städtische Bauhof. In über 20 Ländern gibt es die Aktion inzwischen, die zum größten dezentralen Mahnmal der Welt geworden ist.

Unsagbares wird wieder sagbar

Elf Stolpersteine in Archshofen und Creglingen verlegt

Für folgende elf Personen wurden am Montag in Creglingen und Archshofen Stolpersteine verlegt.

Creglingen: Emil Wolf. Er wurde 1877 in Creglingen geboren. Infolge einer Diffarmierungskampagne nahm er sich am 14. Dezember 1937 das Leben.

Miriam Wolf, geborene Heidelberger. Sie wurde 1883 in Markelsheim geboren. Am 1. Dezember 1941 wurde sie nach Riga deportiert, wo sie umgebracht wurde. Ihre Tochter Käthe ließ sie 1957 für tot erklären.

Käthe Wolf. Sie wurde 1909 in Creglingen geboren, floh 1933 in die Schweiz und überlebte den Nationalsozialismus. Sie hat ihre Erinnerungen in einem Beitrag im Buch „Lebenswege Creglinger Juden festgehalten“.

Justin Wolf. Er wurde 1917 geboren. Über die Konzentrationslager Riga und Stutthof wurde er im August 1944 nach Buchenwald deportiert. Justin wurde 1957 auf Antrag seiner Schwester Käthe für tot erklärt.

Ludwig Wolf. Er kam im Februar 1920 zur Welt und war das jüngste Kind der Familie Wolf. Im April 1942 wurde er in das Warschauer Ghetto deportiert. Ludwig wurde ebenfalls auf Antrag seiner Schwester Käthe 1957 für tot erklärt.

Archshofen: Lippmann Kohn. Er wurde im März 1885 in Archshofen geboren. Er wurde im November 1941 ins Ghetto Riga deportiert, wo er unter menschenunwürdigen Bedingungen starb.

Rosa Kohn, geborene Lindauer. Sie wurde 1898 in Esslingen geboren und teilte das tragische Schicksal ihres Mannes.

Hermann Güthermann. Er wurde im Februar 1870 in Archshofen geboren und 1942 nach Theresienstadt deportiert, von dort nach Treblinka, wo er ermordet wurde.

Klara Güthermann. Sie wurde zusammen mit ihrem Mann deportiert und ebenfalls im September 1942 in Treblinka ermordet.

Lene Güthermann. Sie war die Schwester von Hermann und starb nach der Ankunft in Theresienstadt Anfang 1942 unter unmenschlichen Bedingungen.

Justin Güthermann war der einzige Sohn der Güthermanns. Er verließ Deutschland 1937 und gründete in den USA eine Familie . abo

Die momentane Stimmung in Deutschland zeige, wie wichtig Erinnerung sei, sagte der Bürgermeister. Unsagbares werde wieder sagbar, es sei inzwischen salonfähig, Menschen den Tod zu wünschen, kritisierte Uwe Hehn. Umso wichtiger sei es, dass die Stolpersteine an die Grausamkeiten erinnerten, die an unschuldigen Menschen begangen worden seien: „Es waren Verbrechen an unseren Mitbürgern“. Er hoffe, dass die Menschen nicht nur „über die Stolpersteine laufen, sondern hinschauen und sich damit beschäftigen, was dahintersteht“. Uwe Hehn würdigte die Bereitschaft der Hausbesitzer in Creglingen und Archshofen, die der Verlegung der Gedenksteine bereitwillig zugestimmt hätten. Unter den Teilnehmern an der Feierstunde war auch die Direktorin des Amtsgerichts Bad Mergentheim, Susanne Friedl. Sie hatte auch schon mit Fällen von Hate Speech und Nazi-Parolen junger Menschen zu tun und begrüßte die Aktion Stolpersteine nachdrücklich.

„So wichtig wie nie“

Die Vorsitzende der Stiftung jüdisches Museum, Sabine Kutterolf-Ammon, bezeichnete das Stolperstein-Projekt als „wichtigen Teil einer Erinnerungskultur, wie sie in Deutschland und Europa vermutlich noch nie so wichtig war wie in diesen Tagen“. Man betrachte die Entwicklung der letzten Jahre mit Sorge. Umso wichtiger nannte sie es, ein Zeichen zu setzen gegen Menschenverachtung, Antisemitismus, Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit. Niemand könne sich den Massenmord an Millionen unschuldigen Menschen wirklich vorstellen. „Aber das Schicksal von Familien und Einzelpersonen, die einmal in unserer Nachbarschaft gelebt haben, ist gut nachvollziehbar“.

Sabine Kutterolf-Ammon zitierte den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, der angeregt habe, in der Erinnerungskultur neue Wege zu gehen und andere Formate zu suchen. Dessen ungeachtet gelte es, eine klare Haltung gegen Hass und Antisemitismus zu zeigen. Die Stiftungsvorsitzende drückte abschließend ihre Hoffnung aus, dass das jüdische Museum mit seinen Aktivitäten zu mehr Bildung, Empathie, zu mehr gegenseitigem Verständnis und Toleranz beitragen könne. Aus der Schweiz waren Dr. Simon und Daniel Erlanger angereist. Sie sind die Großenkel von Emil und Miriam Wolf. Dr. Simon Erlanger betonte, wie wichtig es sei, Erinnerung weiterzugeben. Die Stolpersteine ließen die Menschen über Geschichte, Personen und Ereignisse stolpern und würden dafür sorgen, dass sie nicht vergessen würden. „Wir sind froh, dass die Namen auf ewig bleiben“, betonte Dr. Simon Erlanger, der bereits mehrfach in Creglingen war. Zum ersten Mal in Creglingen und Archshofen war hingegen Howard Guthermann aus den Vereinigten Staaten. Er ist der Enkel von Hermann und Klara Güthermann aus Archshofen. Auch der Gast aus den USA begrüßte die Verlegung der Gedenksteine und würdigte das Engagement des jüdischen Museums und der Stadt Creglingen. Nach der Verlegung der Stolpersteine in der Hauptstraße fuhren die Teilnehmenden mit dem Bus nach Archshofen.

An beiden Orten erinnerten Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 der Realschule Creglingen an die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, zu deren Ehren die Steine verlegt wurden. „Die Stolpersteine sollen uns an das Leben und das Schicksal der Familie Wolf erinnern. Sie waren Nachbarn, Freunde und Bürger dieser Stadt“, sagten die Schüler in Creglingen. In Archshofen erinnerten die Neuntklässler, die von Deutschlehrer Manfred Litwitz unterrichtet werden, daran, wie fest die jüdische Gemeinde dort verwurzelt gewesen sei. Die Familien Kohn und Güthermann hätten eine zentrale Rolle im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge des Dorfes gespielt. Hinter den anonymen Zahlen der Shoah würden immer Menschen stehen, Menschen mit Namen, Geschichten und Familien. „Diese Stolpersteine sollen uns mahnen, die Vergangenheit niemals zu vergessen, damit solches Unrecht sich nie wiederholt“.

Redaktion Redakteur bei den FN

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