Bad Mergentheim. „Die politischen Fehlentscheidungen aus Berlin sind ein Desaster für die Niedergelassenen, für die Praxisteams und auch für die zukünftige Patientenversorgung“, sagt der Medi-Verbund und ruft deshalb an diesem Mittwoch zur großen Protestkundgebung in Stuttgart auf.
Für den hausärztlichen Bereich der Kreisärzteschaft Bad Mergentheim sagt Dr. Carsten Köber, dass das „zentrale Problem die ohnehin schon an allen Ecken und Enden zu knappen Versorgungsstrukturen“ seien. „Bei aktuell bis zu sieben im Planungsbezirk Bad Mergentheim (Ahorn, Assamstadt, Bad Mergentheim, Creglingen, Igersheim, Weikersheim) verfügbaren Hausarztsitzen stehen hier eben keine Nachwuchsärzte Schlange und streiten sich um eine Zulassung. Vielmehr sehen wir zum Jahresende schon wieder eine ohne Nachfolge geschlossene Primärversogerpraxis“, beklagt Köber die aktuellen Probleme, die zu einer Dauer-Überlastung der übrigen Praxen führten.
Köber spricht auch von einer „fehlenden Attraktivität“ im Hausarzt-Bereich und dringend nötigen, finanziellen Anpassungen, die die Politik herbeiführen müsse. Ebenso gehöre „an den Organisationsstrukturen ordentlich geschraubt“ und müsse ein Bürokratieabbau betrieben werden.
Er fügt noch an: „Richtig gut Ressourcen sparen könnte man schon mit der weiteren Zulassung der telefonischen Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – auch hier stellt sich die Politik quer!“
„Trockenlegen vieler Kliniken“
Aktuell zählt die Kreisärzteschaft Bad Mergentheim mehr als 500 Ärztinnen und Ärzte als Mitglieder, davon rund zwei Drittel im stationären Umfeld, ca. ein Drittel im niedergelassenen Bereich. Vorsitzender ist Dr. med. Jochen Selbach. Er sagt: „Bezüglich der Kliniken erleben wir ein Trockenlegen vieler Kliniken im Land unter anderem durch massiv gestiegene Personal- und Sachkosten, den Mangel an ärztlichem und pflegerischen Personal, die zögerliche Digitalisierung und die kontinuierliche Zunahme bürokratischer Hürden.“
Selbach meint, dass allein schon durch den Fachkräftemangel etliche Kliniken geschlossen beziehungsweise medizinische Einrichtungen zusammengelegt werden müssen. „Die ambulante und stationäre Versorgung sollte durch eine verlässliche Finanzierung der Vorhaltekosten für Immobilien, medizinisches Gerät und Personal durch Land und Bund gewährleistet sein“, fordert Selbach und verlangt zudem den „effizienten Einsatz des verbleibenden Personal unter Berücksichtigung der Qualifikationen einer Klinik“.
Auch Nachfrage äußert sich auch der Bad Mergentheimer Kardiologe Dr. med. Ulrich Hahn zu den Problemen in der Medizinischen Versorgung vor Ort und allgemein: „Auch wir Fachärzte bemerken die rückläufige Zahl an Hausärzten. Natürlich haben wir auch in der Vergangenheit im Vertretungsfall und bei Erkrankung von Hausarztkollegen ausgeholfen und sind Rezeptwünschen nachgekommen – in den letzten Monaten nehmen diese Anfragen aber stark zu und blockieren Kapazitäten.“
Zu seinem eigenen Fachgebiet sagt er: „Die Herzmedizin unterliegt einem stetigen Wandel und die Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie nehmen ständig zu. Die Versorgung dieser oft schwer kranken Patienten funktioniert aber nur in einer engen Zusammenarbeit zwischen stationärem Versorger, Haus- und Fachärzten. Fällt einer dieser Leistungserbringer aus, wird die Versorgung schwierig.“ Um Herzpatienten leitliniengerecht und auf hohem Niveau zu versorgen, benötige es ausreichend Personal und moderne Gerätschaften. „Das kollektive Vergütungssystem – Abrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung, für jeden Patienten gibt es gleich viel Geld – ermöglicht die gewünschte Versorgungsqualität für viele Patienten nicht mehr“, so Dr. Hahn. „Als niedergelassener und selbstständiger Arzt haben Sie das Risiko und die betriebswirtschaftlichen Aufgaben eines Unternehmers zu stemmen, bei jährlich wechselnden Vorgaben und Korrekturen seitens der Gesundheitspolitik, ohne Planungssicherheit“, das könne nicht sein, sagt Hahn und fordert wie viele seiner Kollegen auch einen echten Abbau von Bürokratie: „Ärztinnen und Ärzte wollen in ihrem erlernten Beruf arbeiten und sich nicht um anderen Dinge kümmern müssen.“
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