Ein streitbarer Charakter war Sandro Wagner schon als Spieler. Vor neun Jahren stellte der jetzige Trainer des FC Augsburg beispielsweise die steile These auf, dass Fußballer „teilweise zu wenig“ verdienen würden. Es verwundert nicht, dass er damals eine Debatte auslöste – und zwar eine mit ganz unterschiedlichen Interpretationen. Manch einer freute sich über einen echten Typen mit Ecken und Kanten. Andere stellten ihm wiederum ein authentisches Armutszeugnis aus. Der Tenor: Wagner, der raffgierige Wohlstandsjüngling, der den Bezug zur Realität verloren hat.
Klar ist: Der gebürtige Münchner sagt, was er denkt. Oder wie es die „Bild“ einst treffend formulierte: „Bei ihm würde das Phrasenschwein verhungern.“ Diese Ehrlichkeit muss man ihm zwingend zugutehalten. Sie ist gepaart mit seinem XXL-Ego jedoch nicht immer förderlich. Das war es schon damals nicht, und das ist es auch heute nicht. Wenngleich die Wahrheit in der Beurteilung Wagners vermutlich irgendwo in der Mitte liegt.
Der Grat zwischen Arroganz und Selbstbewusstsein ist schmal.“
Ein bisschen freut man sich über einen leicht flegelhaften Typen, von dem es keine weichgespülten Interviews gibt. Genauso gerne echauffiert man sich aber über dessen teils rätselhaftes Benehmen, seine Sprüche und seinen Hang zur Inszenierung. Polarisieren, poltern, provozieren. Der Grat zwischen Arroganz und Selbstbewusstsein ist bisweilen schmal. Einige finden seine Interviews cool, andere belehrend.
Übrigens: Um nicht „zu wenig“ zu verdienen, ging Wagner 2019 nach China und machte sich dort die Taschen voll. Zuvor hatte der Stürmer bereits trotzig und bockig seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft verkündet, weil er nicht für die WM 2018 nominiert worden war. Unvergessen bleibt die durch und durch bescheidene Beschreibung seines eigenen Könnens: „Ich bin in meinen Augen seit einiger Zeit mit Abstand der beste deutsche Stürmer.“
An großem Stolz hat es Wagner nie gemangelt. Was nicht schlimm ist. All das muss ein Verein aber wissen, wenn er auf die Idee kommt, ihn als Trainer zu verpflichten. Erst recht ein Club wie der FC Augsburg, der in der Bundesliga jahrelang nichts anderes als das perfekte Synonym für den Begriff „graue Maus“ war – und nun als FC Wagner gilt. Seit dem ersten Tag dreht sich alles um den Trainer, der gefühlt größer als der Verein ist.
Nun kann Wagner natürlich nicht die Berichterstattung direkt beeinflussen. Und doch tut er eine Menge dafür, um im Mittelpunkt zu stehen. „Ich sehe es nicht, dass wir weniger Qualität haben als Bayern“, ließ er nach einer Niederlage gegen die Münchner Seriensieger verlauten. In der Partie beim FC St. Pauli warf der Trainer einen zweiten Ball aufs Feld. Dazu eine viel diskutierte Geste nach einem Sieg über Wolfsburg. Wagner, Wagner – immer wieder Wagner.
Keine Frage: Der 37-Jährige befeuert den Kult und damit auch die Debatten um seine eigene Person, was für die Augsburger zum großen Problem werden kann. Vielleicht ist es das sogar schon. Denn wenn sich bei Siegen all das Lob auf den Trainer konzentriert, kommt das nicht bei allen Profis gut an. Vor allem wissen die Spieler aber auch, um wen es besonders im Misserfolgsfall geht: nämlich ebenfalls nicht um sie. Für den FCA ist das eine ganz gefährliche Konstellation. Und eine logische Konsequenz der Sandro-Wagner-Show.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Personenkult um Wagner ist für Augsburg ein Problem
Beim FC Augsburg dreht sich alles um Trainer Sandro Wagner. Das könnte zum Problem werden, meint Marc Stevermüer.