Heidelberg. „Wir haben Herr von Achten schon mehrere Gesprächsangebote gemacht“, sagt Dorothee Hildebrandt von End Cement. „Doch in der Presse sagt der Konzern immer wieder, es habe keine Angebote gegeben.“ Da kommt es doch später gelegen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Scheifele sich im Protestcamp vor dem Firmensitz von Heidelberg Materials blicken lässt. Der übernimmt den Brief und verspricht, ihn an von Achten weiterzugeben. Mit der Presse will er allerdings nicht sprechen – die Anfragen werden von der Pressestelle beantwortet. Mit End Cement will der Konzern kein Gespräch: In einem offenen Brief lehnt der Konzern am Montagabend ein Gespräch mit den Aktivisten ab. „Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Vandalismus“ seien keine Grundlage für konstruktive Gespräche, sondern „schlicht Straftatbestände“. Daher sehe der Konzern keine Basis für einen Austausch.
Protestcamp von End Cement vor Heidelberg Materials in Heidelberg
Seit Donnerstag, 3. April, steht das Protestcamp von End Cement. Es steht noch bis zum 10. April. Gut zwei Dutzend Zelte stehen auf dem sattgrünen Gras und reflektieren die Sonnenstrahlen. Im Wind weht eine Wäscheleine, jemand spült einen riesigen Topf, aus dem kurz vorher noch das Essen ausgegeben wurde. Auf der Tischtennisplatte zwischen den Schlafplätzen spielen mehrere Leute Tischtennis, andere sitzen beisammen und unterhalten sich oder liegen im Gras und lesen.
Zirka 60 Personen seien insgesamt im Camp gewesen, erzählt Hildebrandt. Das Camp musste von der Stadt genehmigt werden. Nicht alle hätten auch in den Zelten übernachtet, sondern seien zum Beispiel bei Freunden oder Bekannten in Heidelberg untergekommen. Aus ganz Deutschland waren Gäste da; aus Berlin, Dresden, Hamburg, Köln, sogar aus Wien sei jemand angereist.
End Cement protestiert schon seit längerem gegen den Großkonzern Heidelberg Materials. Im August blockierten Aktivisten die Zentrale des Unternehmens in Heidelberg, im Mai 2021 das Werk in Leimen. Und auch am vergangenen Wochenende organisierte das Camp eine Demonstration: Unter dem Motto „Geil auf Beton“ forderten die Aktivisten ironisch „keine Grünflächen mehr“. Am Montag protestierten Aktivisten vor dem Heidelberg Materials Werk in Leimen und klebten sich dort unter anderem fest. Der Konzern spricht auf Anfrage von Umsatzeinbußen im sechsstelligen Bereich aufgrund der Proteste am Montag.
Kritik von End Cement an Heidelberg Materials
Die Liste der Kritikpunkte von End Cement an den Konzern sind lang und vielfältig. Ein „Klimakiller“ sei die Zementindustrie, Heidelberg Materials war nach einer Pressemitteilung der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY im Jahr 2023 der größte CO2-Emittent der DAX-Konzerne. Die Aktivisten werfen dem Konzern daher Umweltzerstörung vor. Außerdem führt End Cement auf ihrer Internetseite eine Reihe von Menschenrechts- und Völkerrechtsverstöße auf, die Heidelberg Materials angeblich begehe. Die Gruppe stellt zwei konkrete Forderungen an den Konzern: Heidelberg Materials solle einen Entschädigungsfonds einrichten und außerdem einen unabhängigen Bericht über die angeblichen Menschenrechts- und Völkerrechtsverstöße in Auftrag geben.
Heidelberg Materials selbst sei die Herausforderung in Bezug auf die CO₂-intensive Herstellung „seit langem bewusst“, betont der Konzern auf Anfrage dieser Redaktion. Als „Vorreiter“ der Industrie setze der Konzern alle Hebel in Bewegung, um die Emissionen zu reduzieren. Das Unternehmen habe sich für 2030 das „ehrgeizigste Dekarbonisierungsziel“ der Industrie gesetzt und wolle bis 2050 Net-Zero-Emissionen erreichen. Die Einhaltung von Menschenrechtsstandards sei „selbstverständlich ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil unserer Geschäftsstrategie“. Heidelberg Materials bekenne sich zu ihrer Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte und habe Managementprozesse eingerichtet, „die eine wirksame Ausübung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht ermöglichen.“
Mit ihren Forderungen seien sie ja noch moderat, sagt Hildebrandt. Ihre Mitstreiterin Lin Nagels nickt. Sie promoviert zum Thema der Samin, eine Gemeinschaft in Indonesien, die gegen die Tätigkeit des Unternehmens im Land protestiert. So sei sie zu End Cement gekommen, erzählt sie. Dorothee Hildebrandt ist dagegen mittlerweile im Ruhestand. Die 66-Jährige spricht engagiert über die Themen, die ihr wichtig sind. Aus ihrer Biografie ergibt sich praktisch zwangsläufig das Engagement bei End Cement. Sie sei Geografin, habe auch Umweltphysik studiert und auch promoviert. Lange sei sie in ihrem Beruf außerdem Betriebsrätin gewesen. „Das ist also alles mein Ding“, sagt Hildebrandt.
End Cement
End Cement ist eine Gruppe , der verschiedene Akteure angehören.
Mit dabei sind unter anderem Fridays for Future Heidelberg, Architects for Future Heidelberg, Watch Indonesia und Extinction Rebellion Heidelberg.
Die Gruppe finanziert sich über Spenden .
Zu den vergangenen Aktionen gehören zum Beispiel Demonstrationen , Kundgebungen und die Blockade des Firmensitzes in Heidelberg oder des Werks in Leimen.
Sie fordern von Heidelberg Materials die Einrichtung eines Entschädigungsfonds und die Beauftragung einer unabhängigen Untersuchung der von ihnen vorgeworfenen angeblichen Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen. rad
Doch auch gegen die Stadt Heidelberg richtet sich die Kritik von End Cement. In einem offenen Brief fordert die Gruppe, das Sponsoring durch Heidelberg Materials abzulehnen, das unter anderem die Konzertreihe Heidelberger Frühling unterstützt. Und die Aktivisten wollen einen „Bürger*innenrat zur Bauwende“. Sie fordern Renovierungen statt Neubau, mehr Umnutzung und gemeinschaftliche Wohnformen und Alternativen zur Betonnutzung. Die Stadt betont auf Anfrage, sie setze sich schon seit Jahrzehnten für Klimaschutz ein und habe als Vorreiter viele Erfolge erzielt. In der Bahnstadt seien die Gebäude nach dem strengen Energieeffizienz-Standard „Passivhaus“ errichtet. Außerdem sehe die Stadt bei Heidelberg Materials sehr intensive Anstrengungen, nachhaltig zu wirtschaften.
Der offene Brief von Heidelberg Materials
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter von End Cement,
vielen Dank für Ihre erstmalige Einladung zu einem Gespräch vom 3. April 2025. Wir finden es grundsätzlich gut, dass die Klimadebatte in breiten Teilen der Gesellschaft geführt wird und sind immer an einem offenen, fairen und konstruktiven Dialog, wie in Ihrem Schreiben vorgeschlagen, interessiert. Ebenso respektieren wir Kritik, solange sie friedlich und im Einklang mit den geltenden Gesetzen erfolgt.
Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Vandalismus sind jedoch keine Grundlage für konstruktive Gespräche, sondern schlicht Straftatbestände. Vor dem Hintergrund dieser nichtgesetzeskonformen Protestaktionen von End Cement an unseren Standorten in Heidelberg und Leimen am Freitag, den 28. März, Samstag, den 5. April und Montag, den 7. April sehen wir keine Basis für einen konstruktiven Austausch.
Anlässlich der anstehenden Konzerte des Heidelberger Frühling in unserer Hauptverwaltung rufen wir Sie dazu auf, jegliche störende Aktionen zu unterlassen. Gegenüber dem Heidelberger Frühling, seinen Künstlerinnen und Künstlern, die die Veranstaltung mit viel Herzblut vorbereiten und durchführen, sowie seinem Publikum sind diese Aktionen völlig unangemessen. Für den Heidelberger Kulturbetrieb muss eine störungsfreie Festivalerfahrung bei allen noch ausstehenden Konzerten möglich sein. Als Sponsor der ersten Stunde sind wir stolz darauf, dass wir seit 29 Jahren mit unserem Engagement ein Festival mit ermöglichen, das vielen Menschen den Zugang zur Musik öffnet und Freude in die Stadt bringt.
Unsere Mitarbeitenden sind stolz darauf, den Wandel in unserer Industrie aktiv voranzutreiben. Wie Sie wissen, haben wir uns für 2030 das ehrgeizigste Dekarbonisierungsziel unserer Industrie gesetzt und wollen bis spätestens 2050 Net-Zero-Emissionen erreichen. Unsere Ziele wurden von der Science Based Targets initiative (SBTi) als im Einklang mit der 1,5 ° C Roadmap für die Zementindustrie validiert. An der Erreichung dieser Ziele lassen wir uns gerne messen.
Mit freundlichen Grüßen
Heidelberg Materials
Das Camp nehmen beide Frauen als sehr belebt wahr, es sei eine „super Stimmung“ unter den Bewohnern. Auch wenn es international gerade schwierig aussieht – unter anderem im Hinblick auf die Situation in den USA, wo unter Trump rigoros der Klimaschutz zurückgefahren wird – bleiben die Beiden engagiert und hoffnungsvoll. „Man kann sagen, das ist ja nichts, was wir hier tun“, sagt Hildebrandt. „Aber wenn wir nicht hier im Kleinen und Lokalen etwas verändern können, wo können wir dann etwas verändern?“
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[3] https://www.ey.com/de_de/newsroom/2024/08/ey-dax-esg-analyse-august-2024
[4] https://end-cement.earth/
[5] https://www.heidelbergmaterials.de/de/nachhaltige-baustoffe
[6] https://end-cement.earth/bau-zukunft/
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Heidelberg Materials sollte das Gesprächsangebot annehmen