Kommentar Kindermedizinische Versorgung: Entscheidung an den Menschen vorbei

Dass eine Kinderärztin in einem sozial schwachen Mannheimer Stadtteil arbeiten will und nicht darf, ist ein Skandal, findet Simone Kiß. Was jetzt passieren muss.

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Simone Kiß
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Mannheim. Die Ablehnung des Antrags einer Mannheimer Kinderärztin, ein kindermedizinisches Angebot im Stadtteil Hochstätt zu errichten, kann man getrost als Skandal bezeichnen. Der Verweis der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) auf zu hohe rechtliche Risiken, sollte einer der niedergelassenen Mediziner gegen die Entscheidung klagen, geht komplett an der Realität und vor allem an den Menschen vorbei.

Der Planungsbezirk Mannheim gilt formal als überversorgt mit Kinderärztinnen und Kinderärzten. Darum darf keine neue Praxis eröffnen. Die Zahlen, auf die sich diese Berechnungen stützen, sind allerdings alles andere als aktuell. Lebenswirklichkeiten haben sich mittlerweile verändert, Problemlagen sind komplexer geworden, oft brauchen Kinderärzte einfach mehr Zeit für ihre kleinen Patienten. Und auch für die Beratung ihrer Eltern. Dazu kommen Tausende Geflüchtete in den vergangenen Jahren, die so nie in einen Bedarf eingeplant waren. Wer schon versucht hat, einen Kinderarzt in Mannheim zu finden – von einem zeitnahen Termin ganz zu schweigen –, weiß, dass die Realität eine andere ist. Und dass von einer Überversorgung nicht die Rede sein kann.

Es ist keine Sozialromantik, für jeden Stadtteil mindestens ein kinderärztliches Angebot zu fordern

Die Kinder auf der Hochstätt wie auch in anderen Mannheimer Stadtteilen, die als sozialstrukturell auffällig definiert und ebenfalls ohne kinderärztliche Versorgung sind, fallen damit weiter schon von klein auf durchs Raster. Impflücken, fehlende Vorsorgeuntersuchungen, dadurch bedingte Entwicklungsverzögerungen und letztlich womöglich die Förderschule, wo durch frühzeitige Behandlung eine gute Bildungsbiografie hätte möglich sein können – die Ablehnung des Antrags ist schlicht zu kurz gedacht. Aber jeder Akteur in diesem Spiel verfolgt seine eigenen Interessen und zeigt mit dem Finger auf den anderen. Leidtragende sind vor allem die sozial schwachen Kinder und Familien.

Es ist keine Sozialromantik, für jeden Stadtteil mindestens ein kinderärztliches Angebot zu fordern: Deutschland kann es sich überhaupt nicht leisten, auf möglichst gut ausgebildete Menschen zu verzichten. Dazu kommt: Was früh versäumt wird, muss später teuer bezahlt werden.

Die kindermedizinische Versorgung bedarf dringend einer grundlegenden Reform. Sie ist nicht vergleichbar mit anderen ärztlichen Angeboten und muss sich endlich an den Menschen und ihrer Lebenswirklichkeit ausrichten. Ein Hoffnungsschimmer für Mannheim ist es, dass sich Stadt und Politik mit der aktuellen Entscheidung nicht zufriedengeben wollen.

Redaktion Reporterin Team Mannheim

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