Kolumne #mahlzeit

Ungeimpfter böser „Djoker“

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Auch wenn mir das keiner glaubt: Selbst Journalisten, diese getretenen, geschundenen und verhassten Volksversteher, genießen manches Privileg – und wenn es nur das Vorrecht ist, sich angesichts der vielen Beschimpfungen und Angriffe schnell eine Elefantenhaut zuzulegen, die sich, man weiß es, durch ständige Reibung mit der Außenwelt wie von selbst bildet. Wir dürfen mit Promis auf Tuchfühlung gehen, Politiker interviewen oder kostenlos Events besuchen, für die Hinz und Kunz (von mir aus auch Hanni und Nanni) viele Euros locker machen müssen. Ich habe schon mit Anna Netrebko Cappuccino getrunken, war bei Sonya Yoncheva in der Künstlergarderobe (nein, sie war nicht nackt) und hätte mir im Berliner Hotel Vier Jahreszeiten in einer Luxussuite fast von einem dieser Rüpelrapper das Nasenbein einschlagen lassen (wodurch ich heute republikweit bekannt wäre; hat leider nicht geklappt). Wir haben, wie andere, Privilegien, dürfen also vieles tun.

Ohne gültigen Impfpass oder Genesenennachweis nach Australien einreisen dürfen wir nicht. Verboten. Genauso wenig dürfen wir Behörden anlügen, Falschangaben machen und Verwirrspiele spielen und das alles dann mit einer imperialen Attitüde als harmlose Schusseligkeit weglächeln. Und schon gar nicht dürfen wir all das tun, gleichzeitig auf dem Tennisplatz stehen und eklige Top Spins und Slices schlagen. Wie Novak Djokovic, der ungeimpfte „Djoker“, der in der Affäre um seine Teilnahme am Grand Slam in Down Under langsam dem bösen Joker in „Batman“ Konkurrenz macht und sämtliche seiner nicht gerade üppig vorhandenen Restsympathien verspielt.

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Versteht mich nicht falsch: Der Typ ist ein Tennis-Genie. Ich bewundere seine Kunst. Auf dem Court ist er mit Roger Federer auch meistens der am besten gekleidete Aufschläger (was Bela, der Lacoste nicht mag, auf die Palme bringt). Der soll ruhig auch Privilegien haben. Wie fast alle von uns. Aber nicht, wenn sie gegen Gesetze verstoßen und die Sicherheit anderer gefährden.

In meiner Jugend kursierte – okay, besonders bei linken Zeitgenossen – der Satz: „Alle Menschen sind gleich, aber manche sind gleicher.“ Das ist eine Variation aus George Orwells „Farm der Tiere“. Natürlich sind nicht alle Menschen gleich, und das ist auch gut so, so lange sie vor dem Gesetz gleich behandelt werden.

Ich bin da wirklich wertkonservativ. Wenn etwas wirklich Sinn macht und nicht egoistisch motiviert ist, dann ist es okay. Wenn ein Polizist mit seinem Schlitten und Warnblinkanlage den ganzen Fahrradweg blockiert, während er beim letzten Grimminger der Stadt seine Stulle kauft, dann ist das zum Schutze der Allgemeinheit (nicht auszudenken, wenn der mit Kohldampf fahnden oder Strafzettel verteilen müsste). Und wenn der Welfenprinz Ernst August von Hannover oder die angeheiratete Postlerin Gloria Fürstin von Thurn und Taxis bei der Dialyse irgendwann blaues Blut bekommen – kein Problem, sollen sie haben, damit kann ich gut leben. Ist das böse? Sehe ich das alles falsch? Ich will doch auch nur spielen. Wie der „Djoker“.

Schreiben Sie mir: mahlzeit@mamo.de 

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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