Porträt

Vom Heddesheimer Schrebergarten mit OG Keemo in die Charts

Dominic Salvatore D’Amato alias Funkvater Frank ist zweifacher Hip-Hop-Produzent des Jahres und bekennender Heddesheimer. Mit Rapper OG Keemo erwartet er am 15. Juni beim Zeltfestival erstmals 5000 Fans

Von 
Jörg-Peter Klotz
Lesedauer: 
Direkt aus Heddesheim: Funkvater Frank baut seine Beats für OG Keemo und andere in Handarbeit im eigenen Studio im Rhein-Neckar-Kreis. © Niclas Lenhard

Eine der wichtigsten Deutsch-Rap-Platten heißt „Direkt aus Rödelheim“, produziert von Moses Pelham. Einer der direkten Nachfolger des Frankfurter Hartreimers kommt direkt aus Heddesheim: Dominic Salvatore D’Amato, seines Zeichens zweimal hintereinander Produzent des Jahres bei den HipHop.de-Awards. Besser bekannt ist der 30-Jährige unter seinem Künstlernamen Funkvater Frank – und als Schöpfer des hochgelobten Sounds, der ihm und seinem Jugendfreund OG Keemo Anfang des Jahres für das Mixtape-Album „Fieber“ zum ersten Mal Platz eins in den deutschen Charts eingebracht hat. Am 15. Juni erlebt das Erfolgsduo den nächsten Karriere-Meilenstein: Zu ihrem „Süd:Süd Fest“ im Rahmen des Zeltfestivals in Mannheim kommen erstmals 5000 Fans – das bisher größte Publikum für ihr eigenes Festival. Die SAP Arena ist also in vielerlei Hinsicht in Sichtweite.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Funkvater Frank ist wohl der prominenteste Heddesheimer der Gegenwart – neben Basketball-Star Paul Zipser und Handballer Jochen Grupe. Star-Allüren sucht man bei dem Produzenten vergeblich, genretypisches Protzgehabe auch. Der Familienvater fährt mit Freude einen speziellen Oldtimer – den guten, alten VW Scirocco GT II. Ansonsten sieht man beim Besuch im Studio im Rhein-Neckar-Kreis, dass dieser Mann voll auf seine Arbeit fokussiert ist, auf Technik und Musik. Selbst auf Konzerte zieht es den auf der Bühne explosiven Künstler nicht: „Das einzige Konzert, das ich besucht habe, war von Herbert Grönemeyer 2019 in der SAP Arena – auch da war ich eigentlich nur, weil mich Brkn eingeladen hat, der im Vorprogramm aufgetreten ist“, erzählt er lachend.

Vorschau (aktualisiert)

Das ist 2024 beim Zeltfestival Rhein-Neckar in Mannheim geboten

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren
Pop

Mannheimer OG Keemo mit „Fieber“ erstmals an der Charts-Spitze

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren
Zeltfestival

OG Keemo reißt beim Süd Süd Fest fast das Zelt ein

Veröffentlicht
Von
Anna Suckow
Mehr erfahren

Bodenständig wie viele Musiker aus der Region von Joy Fleming bis Apache 207

D’Amato ist ein typischer Kurpfälzer: Handfest-herzlich, fröhlich, bodenständig, zupackend, aufgeschlossen und interessiert. Eigenschaften, die sich bei Musikern aus der Region immer wieder finden – von Joy Fleming bis Apache 207. Man könnte mit ihm stundenlang über Musik sprechen – aus der avisierten Stunde werden fast drei. Klar wird dabei schnell: Funkvater Franks Persönlichkeit steht fast ein wenig im Kontrast zum Sound, den er seinem Kreativpartner OG Keemo auf den Leib produziert.

Der ist passend zur betonharten Realität der Texte düster und melancholisch, mitunter aggressiv. Micky-Maus-Effekte auf der Stimme via Autotune hört man nie. Obwohl „richtige Musiker“ und Instrumente dabei kaum eine Rolle spielen, klingen seine Produktionen organisch. Und kunstvoll. Gebaut auch aus Jazz, altem Soul, Funk oder Psychedelic Rock. Speziell die Platten „Geist“ und „Mann beißt Hund“ wirken durchdacht und wie aus einem Guss – wie Konzeptalben.

Kultur regional

OG Keemo rappt in der Alten Feuerwache

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
13
Mehr erfahren

Dabei fällt immer wieder das Wort Gefühl, wenn er über seine Arbeitsweise spricht. Auch OG Keemo berichtet, dass er eher intuitiv textet. Man gewinnt das Gefühl, mit „naiven Genies“ zu sprechen – nicht im Sinne von unbedarft, sondern frei nach Friedrich Schiller. Sie kreieren den derzeit wohl anspruchsvollsten Deutsch-Rap – ohne Masterplan, Zielgruppen-Orientierung oder Blick auf Verkaufszahlen. Obwohl sie sich als Band verstehen, arbeiten sie oft autark – also erstmal getrennt voneinander und unabhängig von allen erdenklichen Szenen. Aber es entstehen teilweise Gesamtkunstwerke, als hätten sie einen Kompass eingebaut.

Die Schaffer-Mentalität hat D’Amato quasi im Blut: „Mein Vater kommt aus einer Selbstständigen-Familie und ist halber Italiener. Mein Nono, also mein Großvater, stammt aus Sizilien. Er hat in Mannheim als einer der ersten einen Stand mit heißen Maronen gehabt und später eine Eisdiele eröffnet.“ Sein Vater, groß geworden im Mannheimer Jungbusch, habe in Heddesheim lange eine Eisdiele und Pizzeria betrieben.

Mit „Fieber“ 2024 erstmals auf Platz eins der Album-Charts

  • Dominic Salvatore „Franky“ D’Amato alias Funkvater Frank wurde am 9. Oktober 1993 in Viernheim geboren und ist in Heddesheim aufgewachsen. Nach der Realschule in Mannheim-Vogelstanf machte er ab 2012 in Ladenburg eine Ausbildung zum Speditionskaufmann und arbeitete auf Wunsch der Eltern ein Jahr in dem Beruf. Dann belegte er einen Tontechnik-Kurs bei der SAE Stuttgart, den er unterfordert abbrach.
  • Den Rapper OG Keemo lernte er kennen, als dieser in Ladenburg zur Schule ging. Das Duo veröffentlichte 2016 den ersten Song „Daimajin“. 2017 nahm sie das Stuttgarter Label Chimperator (Cro, Orsons, Tua) von Popakademiker Sebastian Andrej Schweizer unter Vertrag.
  • Auf die viel beachteten EP- und Mixtape-Veröffentlichungen „Neptun“ (2017), „Skalp“ (2018) und „Otello“ 2019 folgte im selben Jahr das Debütalbum „Geist“. Es platzierte sich auf Platz 14 der Charts. Der Nachfolger „Mann beißt Hund“ kam 2022 auf Rang zwei.
  • Dafür erreichte das aktuelle Mixtape „Fieber“ mit Gästen wie RIN, Shindy, Sumpa, Levin Liam, Souly oder Zwölf im Januar 2024 den Charts-Gipfel.
  • Bei den jüngsten Auflagen der Hiphop.de Awards wurde er 2022 und 2023 als „Bester Produzent national“ ausgezeichnet.
  • Am 15. Juni läuft beim Zeltfestival zum dritten Mal das von OG Keemo und Funkvater Frank kuratierte „Süd:Süd Fest“ mit Gästen wie den Heidelberger Stieber Twins auf dem Maimarktgelände, das erstmals mit 5000 Fans ausverkauft ist.

Interesse für Musik regte sich schon früh und brachte ihm den Spitznamen Funkvater Frank ein. „Hip-Hop hat mich dann mit elf, zwölf angefixt. Eminems ,Without Me’ und Lil’ Jons ,Get Low’ haben mich richtig gekickt. Da war alles vorbei. Lil’ Jons Dirty-South-Sound hört man bei mir bis heute raus.“ Ein paar Jahre später kamen New Yorker Star-Produzenten wie DJ Premier oder Pete Rock als massiver Einfluss dazu.

Damals habe er zwar nicht gewusst, was Produzieren eigentlich ist, wünschte sich aber zum ersten Mal einen MPC-Sampler. Woraufhin der Vater sagte: „Lern’ doch erst mal ein Instrument!“ Für Keyboard-Spielen entwickelte der Teenager zwar keine Begeisterung. Er begann aber, darauf die ersten Beats zu bauen, auch mit Hilfe der Software Magix Music Maker, und aus Spaß zu rappen. Nach einer Musikpause packte es ihn mit 18 wieder voll: Die Internet-Datenbank DatPiff voller Mixtapes entwickelte unwiderstehliche Faszination. „Beim ersten Mal habe ich einfach Oldschool Hip-Hop eingegeben, ich weiß gar nicht mehr warum.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Von da an habe er systematisch Sound-Wissen aufgebaut von Genre-Urvater Afrika Baambaata über Public Enemy, Run DMC, Eric B Rakim bis Schooly D. Ich wollte eigentlich nur geile Mucke hören, die ich noch nicht kenne. Aber da habe ich erst entdeckt, was Sampling wirklich ist.“ Dass man von anderen Künstlern wie anfangs im Rap oft von James Brown wie „Funky Drummer“ etwas nehmen und daraus etwas Neues schaffen könne: „Da hat es Klick gemacht, und es ging richtig los.“

Sampling und Gefühl sind das Rückgrat seiner Kunst

Heute ist Sampling das Rückgrat seiner Kunst: „Fast alles ist Sample-basiert. Ab und zu setze ich mich aber auch mal an einen Synthesizer“, sagt er mit Blick auf ein paar schöne Exemplare im Dachstudio. Er nehme sich zwar manchmal vor, mit Instrumentalisten zu arbeiten. Aber bisher kam es nicht dazu – „aber nicht aus Faulheit oder Geldgründen“, betont D’Amato. „Ein Sample komplett zu ersetzen mit einer Band zum Beispiel, da hätte ich nicht das Gefühl, das zu machen, was ich mach’: Ich komme hier rein, lege eine Platte auf, irgendetwas gibt mir ein Gefühl und ich baue daraus etwas Neues. Das von einer Band nachspielen zu lassen, nimmt mir dieses klischeehafte Gefühl von echtem Hip-Hop.“

Im Gartenhäuschen baute der Großvater ein kleines Studio

Der Weg zur Karriere als Produzent war vorprogrammiert, ohne dass der bekennende Heddesheimer an die Popakademie oder die Vibra-School gedacht hätte: „Vom ersten Lehrlingsgehalt als Speditionskaufmann habe ich mir einen MPC gekauft, dann einen Plattenspieler und LPs – vorzugsweise im Mannheimer Comeback.“ Zuhause im Kinderzimmer entstand dann quasi das erste Studio. Im Heddesheimer Schrebergarten beim Kleintierzuchtverein baute der Großvater später in Handarbeit ein kleines Aufnahmestudio aus Holz für den Enkel und OG Keemo ins Gartenhäuschen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Als sich das mit Cro erfolgreiche Label Chimperator meldete, waren Funkvater Frank und OG Keemo erstmal verblüfft

An eine Musikkarriere dachten beide damals nicht. „Das war für mich gar nicht realistisch. Wir wollten nur Musik machen.“ Ernst wurde es ab 2017, als das Label Chimperator anklopfte, das vor allem mit dem Pandarapper Cro die Charts aufmischte. Das verblüffte die beiden erstmal kolossal. „Aber niemand redet uns rein. Und Chimperator ist das letzte Indie-Label im deutschen Rap.“

Kraftpaket auf der Bühne und in den Charts: Rapper OG Keemo beim Zeltfestival 2023. © Rudolf J. Uhrig

Sampling eröffnet intuitiven Künstlern ungeahnte, fast unendliche Möglichkeiten. Die Arbeit mit Künstlicher Intelligenz (KI) in der Musik kann das noch toppen – oder? „Um ehrlich zu sein, finde ich diese KI-Sache auf ganz anderen Ebenen gruselig, als dass ich es auf meinen Beruf beziehen würde“, antwortet er. „Da denke ich mehr daran, wie es meinen Kindern in zehn Jahren damit geht. Und weniger: Sind meine Beats dann noch cool?“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Er sehe KI nicht als Konkurrenz: „Gerade nicht in moderner Rap-Mucke, wo jeder 16-Jährige krasse Beats in ein paar Minuten machen kann. Aber darum geht es mir nicht. Ich will mit den Künstlern zusammen aufnehmen, das dann ausarbeiten, am liebsten ein ganzes Projekt und nicht den einzelnen Song.“ Er sehe sich als Produzenten im klassischen Sinn: „Ich bin in einem Studio, wir nehmen auf und ich sage: „Hey, wollen wir es noch mal anders probieren? Es fühlt sich noch nicht richtig an. Fast wie ein Coach“ – direkt aus Heddesheim.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke