Mannheim. Hohe Erwartungen sind ja immer so eine Sache. Kann gut gehen – oder eben auch nicht. Hochhaushoch waren die Erwartungen an OG Keemos Süd Süd Fest jedenfalls. „Deutschlands gefeierter Feuilleton Rapper“ und sein Produzent luden am Freitag zum zweiten Aufschlag nach der erfolgreichen Premiere 2022 – und rund 3000 Fans folgten. Das vom Hauptact kuratierte Programm des Ein-Tages-Festivals präsentierte erneut Künstler, die OG Keemo als geistesverwandt empfindet. Fünf Stunden Deutschrap am Puls der Zeit. Ohne einen Absturz.
Angefangen bei Ramzey (FFM), der mit seinem gerade erschienenen Album „Blut auf den Grillz“ und Tracks wie „Reißverschluss“ schon mal die Temperatur im Palastzelt ankurbelt. Flavio und der im Münsterland groß gewordene Souly liefern weiter. Spätestens bei dem Berliner 2Lade (ausgesprochen Blade; Ähnlichkeiten zu der ikonischen Comicfigur sind intentional) sind alle nass, die aus dem Zelt geströmt kommen, um zwischen den perfekt getakteten Slots kurz Luft zu holen.
Viele der Kids sind seit 17 Uhr vor Ort. Manche tragen am Oberkörper nur noch über die oft kleinteilig tätowierte Brust geschnallte Bauchtaschen. Ihre durchtränkten Shirts schwenken sie dafür in den ersten 30 Reihen über den Köpfen. Deutscher Rap ist hier nicht bling, sondern bam!
Daran nicht unbeteiligt sind auch die beiden Rapper Lugatti & 9ine. Sie starten pünktlich um 19:30 Uhr ihren „Checkin in“. Spätestens mit dem Best-off-Medley haben die beiden Kölner die Energie auf ihrer Seite. Bei Tracks wie „Break Da Law“ oder dem „Sürther Straßenfunk“ kocht die Stimmung ordentlich hoch. Unter tosendem Applaus stoppen sie jedoch ihre Vorstellung, als in den vorderen Reihen eine Person zu Boden fällt. „Passt gut auf euch auf und helft euch“ rufen sie dem –zumindest im vorderen Bereich der Bühne – durchweg jungen Publikum zu. Dazu fliegen Wasserflaschen ins Publikum. Denn es ist heiß. Sehr heiß. „Celebrate“ macht dem Titel alle Ehre, zur Abkühlung gibt’s eine Sektdusche von der Bühne. Vor allem 9ine brettert dabei über die Bühne, dass es fast unmöglich ist, sich der Euphorie nicht hinzugeben. „Jedes Mal“ setzt dem ganzen mit Party-Beats und Ballermann-Refrain noch die Krone auf. Zum Abschluss gibt es ganz viel „Liebe“. Inzwischen sind auch auf der Bühne bei steigenden Temperaturen die Hemden gewichen. Die Hände zeigen Herzchen in die Luft, von der Bühne ruft es „Ihr seid alle einzigartig, vergesst das nicht.“ Irgendwie süß.
Wer vor dem Zelt etwas verschnauft hat, musste bei den ersten Tönen von OG Keemos Set aufpassen, nicht überrannt zu werden. Zu „Malik“ (und Liebesgrüßen an die Polizei) eröffnet der Deutsch-Rap-Star und sein kongenialer Produzent Funkvater Frank den mit heiß ersehnten letzten Part des Abends. Wer die beiden etwa 2019 in der Alten Feuerwache erlebt hat, weiß, dass Energie kein Thema ist. Zwei Alben und einige EPs weiter, sind die beiden nicht weniger energetisch, dafür zeigen die Tracks aus sechs Jahren Zusammenarbeit die ganze Bandbreite auf.
Angefangen bei „Skalp“ arbeiten sie sich durch „Neptun“ bis hoch zum letzten Album „Mann beisst Hund“. Es bleibt bemerkenswert, wie Keemo mit fast schon unverschämter Lässigkeit auch schwere Parts beinahe nebensächlich flowt. Diese Präzision und Eleganz im Rapfluss suchen hier nach wie vor ihresgleichen. Mit „Henry Fonda“ gibt es sogar eine Premiere, der Track hatte es hier bislang noch auf keine Setlist geschafft. Bei „Civic“ übernimmt das Zelt, während Funkvater Frank auf seinem Pult-Aufbau herumtobt. Der in Mannheim, Ladenburg und Mainz aufgewachsene Karim Joel Martin alias OG Keemo vereint dabei kühne Satzstrukturen, bildgewaltige Szenen und Sozialdramen aus der Siedlung zu hochklassiger Raplyrik. Ohne Frage, es ist für die beiden so etwas wie ein Heimspiel.
Auch wenn jeder Song gefeiert wird, ist doch klar, worauf alle warten. Mit „Nebel“ lassen die beiden den letzten Teil des Abends und somit die Ära des Album „Geist“ anbrechen. Spätestens bei „Siedlung“ brechen dann alle Dämme.
Im Scheinwerferlicht stehend verabschiedet sich Keemo mit einer ergreifenden Darbietung von „Töle“.
Zur Zugabe werden dann noch mal alle Emotionen weggeblasen. Zu „Geist“ kommen alle Gäste und Supporter auf die Bühne, bei „Faust“ türmen sich die Publikumsmaße zu einer Wall of Death. Was ein Abriss für ein Rap-Konzert.
„Das war so absurd, schon nach 20 Minuten habt ihr letztes Jahr getoppt“, resümiert ein offensichtlich zufriedener OG Keemo am Ende. Und baut direkt die nächsten Erwartungen hoch auf: „Wir sehen uns nächstes Jahr wieder!“
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