Interview

Tribute Collection als "fortlaufende Biografie" Edo Zankis

Produzent Vilko Zanki hat begonnen, die ersten Alben seines 2019 verstorbenen Bruders Edo Zanki wieder zu veröffentlichen. Im Interview erklärt der 77–Jährige das Langzeitprojekt, das mit „Wache Nächte“ startet

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Jörg-Peter Klotz
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Vilko (links) und Edo Zanki (1952-2019) bei der Arbeit im Kangaroo Studio in Karlsdorf. © Brother Records

Bruchsal-Karlsdorf. Fünf Jahre nach dem Tod von Deutsch-Soul-Pionier Edo Zanki (1952-2019)  hat sein Bruder und Kompagnon The Tribute Collection gestartet: die systematische Wiederveröffentlichung der ersten zehn Studioalben von 1972 und 1995. Über das Langzeitprojekt sprachen wir mit dem Produzenten und langjährigen Betreiber des Kangaroo Studios in Bruchsal-Karlsdorf.

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Herr Zanki, schon kurz nach dem Tod Ihres Bruders Edo im Jahr 2019 sprachen Sie davon, das gemeinsame musikalische Erbe aufzubereiten. Jetzt ist als erster Teil von The Tribute Collection das 1983er Album „Wache Nächte“ erschienen. Hat es so lange gedauert, den Rechte-Dschungel zwischen Musikverlagen und heute halb vergessenen Plattenfirmen zu lichten?
Vilko Zanki: Wenn man bedenkt, dass die ersten Aufnahmen 1972 entstanden sind, kann man sich vorstellen, welcher Umfang am Material gesichtet, gehört und überspielt werden musste. Dies allein hat circa zwei bis drei Jahre gedauert. Ich habe mich entschieden die Tribute Collection mit „Wache Nächte zu beginnen, da bei den älteren Alben teilweise die rechtliche Situation noch nicht endgültig geklärt ist. Das hat u. a. damit zu tun, dass die damalige Plattenfirma mehrmals verkauft wurden und man erst mal rausfinden musste, bei wem die Rechte nun tatsächlich gelandet sind.

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„Wache Nächte“ markiert für mich den Punkt, an dem Sie Ihren Sound endgültig gefunden und gezeigt haben, dass Soul und deutsche Sprache zusammenfinden können. Haben Sie es auch deshalb als erste Wiederveröffentlichung ausgewählt?

Zanki: Nach den Alben „Jump Back“ (1979) und „Here Comes The Night“ (1980), die beide noch englischsprachig waren, haben Edo und ich uns entschieden ab „Wache Nächte“ ausschließlich deutschsprachig Musik zu machen. Daher war „Wache Nächte“ ein guter Startpunkt für die Tribute Collection. Außerdem lagen alle Rechte schon bei uns.

Damit ist erstmals ein Edo-Zanki-Album bei den Streaming-Plattformen verfügbar. Ich stelle es mir schwer vor, jetzt noch dort durchzudringen - bei der Masse von Musik. Wie läuft es?

Zanki: Bereits in der Vergangenheit wurden einige Alben schon für Streaming freigegeben. Es war jedoch schon immer ein großes Diskussionsthema intern. Die Technologie ist klasse, die Bezahlung der Künstlerinnen und Künstler jedoch lässt zu Wünschen übrig. Das ist ein großes Missverhältnis, dass leider von den Musikkonsumenten und Musikkonsumentinnen nicht immer so wahrgenommen wird. Die Realität ist jedoch, dass man sich dem Thema kaum noch entziehen kann, daher der Schritt die Alben der Tribute Collection auch für Streaming Dienste freizugeben. Allerdings nur der physische Tonträger – das Zusatzmaterial wie das 36-seitige Booklet ist nicht enthalten. Wir empfehlen beides zu kaufen/ zu nutzen.

Bis ins Detail liebevoll gestaltet: die erste Folge von Edo Zankis „Tribute Collection“. © Klotz

Sie haben die CD in der Tat sehr wertig und liebevoll mit umfangreichem Booklet, einem Pin und Polaroid-Foto in einer Metallbox veröffentlicht – mit begleitendem Podcast von Udo Lindenbergs Manager Arno Köster. Wenn Sie das wie geplant mit allen Platten von 1972 bis 1995 so machen, entsteht als Nebeneffekt eine durchaus tiefschürfende Biografie mit vielen Stimmen und Quellen. Ist das das Ziel des Projekts?

Zanki: Ja, das ist Absicht. Es war mir/uns wichtig, im Booklet den Menschen, Bruder und Künstler Edo Zanki zu würdigen und den Musikliebhaberinnen und -liebhabern einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen. Wir haben uns daher nicht für eine typische Biografie in Buchform entschieden, sondern wollten etwas ganz Besonderes in Zusammenhang mit Musik und dem damaligen Zeitgeschehen kreieren. Es war uns wichtig hierfür Kollegen/Kolleginnen, Freunde und Wegbegleitenden von Edo mit einzubeziehen und haben mit vielen von ihnen Interviews geführt, die man u.a im Booklet nachlesen kann. Jedes Album der Tribute Collection wird sein eigenes Booklet bekommen. Im Gesamten ist es dann so etwas wie eine fortlaufende Biografie von Edo und mir, aber auch ein spannender Blick auf die damaligen Popmusikgeschichte. Geschrieben wurden die Texte von Arno Köster. Er hat auch alle Interviews geführt. Arno Köster ist Journalist und ein langjähriger Freund und Wegbegleiter. Viele kennen ihn aus dem Umfeld von Udo Lindenberg. Mit Arno gemeinsam entstand auch die Idee, den Spirit von Edo und seinem Schaffen in Form eines Podcast einzufangen. Treffend trägt der Podcast den Namen „Komplizen“, denn schon immer war das Studio hier in Karlsdorf ein Treffpunkt von Musikerinnen und Musikern und Ort der Vernetzung. Natürlich sprechen wir im Podcast über unsere Geschichte, aber auch über den Einfluss von Edo auf andere Künstlerinnen und Künstler und deren Musik. Geplant ist eine Reihe passend zu den jeweiligen Alben.

Zur Person und zur Tribute Collection

Vilko Zanki wurde am 29. Mai 1947 im heute kroatischen Zadar geboren. 1957 kam die Familie als politische Asylsuchende zunächst nach Nürnberg. Ein Jobangebot für den Vater führte die Familie 1959 ins badische Bruchsal (Nähe Karlsruhe). Sie bauten sich dort eine Existenz auf.

Vilko Zanki wurde nach seiner Lehrzeit schnell Profimusiker und spielte in amerikanischen Clubs, bevor er im Alter von 17 mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Edo Zanki (1952-2019) die erste Band mit eigener Musik gründete. Über die Jahre wurden sie zu einem prägenden Teil der deutschen Musikszene.

Beide waren jedoch nicht nur als Musiker, sondern auch als Produzenten tätig, was sie dazu veranlasste im Jahr 1976 ein eigenes Studio zu gründen. Im Kangaroo Studio in Karlsdorf trafen sich über die Jahrzehnte viele Talente der deutschlandweiten Musikszene. U.a. ging aus der ursprünglichen Edo Zanki Liveband die heutige Herbert Grönemeyer Band hervor.

Das Produzenten-Duo arbeitet u.a. mit Joy Fleming, Ina Deter, Ulla Meinecke, Reinhard Mey, Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheim, Sasha, Milva, Reinhard Fendrich oder André Heller. Kompositionen von Edo und Vilko Zanki wurden u.a. von Tina Turner, Ulla Meinecke oder Herbert Grönemeyer interpretiert.

Edo Zanki: „The Tribute Collection – Wache Nächte“, exklusiv bei best-around-sound-and-media-online-tra.de. 24.99 Euro.

Gleichzeitig blickt man tief in die Geschichte deutschsprachiger Popmusik, die sich nach den Erfolgen von Udo Lindenberg, BAP und Westernhagen immer selbstbewusster manifestierte. Und in die Entwicklung der starken Musikszene zwischen Karlsruhe und Mannheim - war Ihnen das wichtig?

Zanki: Mein Bruder Edo ist definitiv ein Teil der deutschen Popmusikgeschichte. Er gilt als Wegbereiter der deutschsprachigen Soulmusik. Gerade die Region Karlsruhe/ Mannheim / Heidelberg war in den 60er und 70er Jahren stark beeinflusst von den Amerikanern. Edo und ich haben in unseren Anfangsjahren immer den amerikanischen Radiosender AFN gehört. Ich habe auch viele Jahre als Gitarrist in amerikanischen Clubs gespielt. Man könnte sagen, von dieser Musik kamen wir.

Warum machen Sie mit dem zehnten Album „10“ von 1995 Schluss? Für die Geschichtsschreibung sind die neueren Alben auch wichtig, speziell „Die ganze Zeit“ von 2001.

Zanki: Die Alben von 1972 und 1995, die die Tribute Collection umfassen, waren viele Jahren nicht mehr auf dem Markt käuflich zu erwerben. Daher haben wir und hauptsächlich auf diese Zeitspanne konzentriert. Es war uns wichtig das Material, das überwiegend noch analog war, mit Hilfe von Remastering an heutige Hörgewohnheiten anzupassen. Die Alben ab 2001 („Die ganze Zeit“), die bereits digital vorliegen, haben in ihrer Wichtigkeit dadurch nicht verloren, sie sind und waren jederzeit käuflich erhältlich. Durch die Tribute Collection sollte dies komplettiert werden.

Was hat es mit dem Button mit der Zeichnung des „Stern“-Cartoonisten ´“Tetsche“ auf sich? Und gibt es so etwas in jeder weiteren Ausgabe?

Zanki: Der „Stern“-Zeichner „Tetsche“ hat früher in seinen Cartoons hier und da Edo Zanki „untergebracht“. Dadurch ist dann Mitte der 80er Jahre ein persönlicher Kontakt entstanden. Dabei hat sich herausgestellt, dass er und seine Frau Madeleine große Fans von Edos Musik sind. Speziell für das Album „Und wir kriegen uns doch“ hat Tetsche ein Plakat entworfen. Ein Ausschnitt daraus ist auf dem Button zu finden, der in der aktuellen Tribute Collection „Wache Nächte“ beiliegt. Jede CD wird ein spezielles Give-away haben.

Ein weiteres Bild aus dem privaten Fundus von "Brother Records", also von Vilko und Edo Zanki. © Brother Records

Speziell der Sound von „Wache Nächte“ und der zweiten Folge „Ruhig Blut“, die im Frühjahr erscheinen soll, war sehr zeitlos, ohne die Manierismen der 80er (speziell beim Schlagzeug). Was haben sie beim Remastering verändert? Die Leute hören heute ja mit ganz anderen Geräten Musik.

Zanki: Ziel beim Remastern war es, am Inhalt der Musik nichts zu verändern, außer zu berücksichtigen, dass die Alben noch in der Analogzeit entstanden sind und dadurch den heutigen Hörgewohnheiten nicht mehr entsprechen. Wir haben uns beim Remastering daher hauptsächlich auf die Möglichkeiten der Digitaltechnik konzentriert, ohne den „alten“ Charme zu verlieren. Der zeitlose Spirit sollte erhalten bleiben.

Im Bonus-Material von „Wache Nächte“ gibt es eine wunderbare Live-Version von „Come On“ und ein Interview mit Edo. In dem betont er, die Bedeutung der Konzert-Performance für Musik. Ist dementsprechend das Live-Album „Gib mir Musik“ auch Teil des Projekts? Ich würde mir zum Beispiel das komplette Konzert in der Alten Feuerwache wünschen.

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Zanki: Beim Durchhören des Archivmaterials bin ich immer wieder auf so genannte „Perlen“ gestoßen. Aufnahmen und Songs, die ich gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Diese sollten nicht im Archiv versauern, sondern einen Platz als Bonustrack auf der Tribute Collection erhalten. Passend dazu gab es noch ungenutzte Interviewauszüge von Edo als Audio, die die Musik der Bonustracks noch unterstreichen. Es wird von Album zu Album variieren, mal ist es eine Liveversion wie bei „Come On II“, mal aber auch ein unveröffentlichter Song oder ein Probemitschnitt aus dem Studio. Eine Live-CD ist bisher nicht geplant, wir haben ja mit der Tribute Collection noch jede Menge zu tun. Ausschließen würde ich es aber nicht, Material wäre vorhanden. Ob das Konzert in der Alten Feuerwache damals komplett mitgeschnitten wurde, weiß ich allerdings nicht.

Wie bewerten Sie denn aus heutiger Sicht das Frühwerk aus den 1970ern? Und erscheinen die ersten beiden Alben in der Tribute Collection wie im Original unter dem Namen Don Anderson?

Zanki: Der Name „Don Anderson“ war eine Idee der damaligen Plattenfirma. Sie dachten „Zanki“ würde zu sehr an Streit erinnern und verpassten Edo somit diesen unsäglichen Künstlernamen. Er war nicht wirklich glücklich damit und hat ihn recht schnell wieder abgelegt. Lediglich zwei Alben sind darunter erschienen. Ich habe beschlossen die beiden Alben „The Eagle Flies“ und „Feeling Alright“ nun unter Edos Namen zu veröffentlichen. Ich glaube, es wäre auch in seinem Sinne. Aus heutiger Sicht zeigt unsere Musik der 70er Jahre die verschiedenen Stilrichtungen aus aller Welt. Es spiegelt die Zeit wider. Ich denke, für viele Edo-Fans wird es spannend dies zu entdecken.

In welchem zeitlichen Rhythmus sollen die Tribute-Editions erscheinen?

Zanki: Einen festgelegten Veröffentlichungsplan gibt es nicht. Wir sind ganz frei zu entscheiden, da wir die Tribute Collection in Eigenregie über unser Label „Brother Records“ veröffentlichen. Das Label habe ich 1988 gemeinsam mit Edo gegründet und wird nun von mir fortgeführt. Sicherlich werden die Veröffentlichungen mal fortlaufend sein, aber auch hier und da werden wir in den Jahren mal springen. Das hat u.a. auch mit der bereits erwähnten Rechteklärung zu tun.

Immer von großartigen Musikern umgeben: Edo Zanki. © Ivo Klujce

Edo Zanki und Sie haben die Tür für deutschsprachigen Soul geöffnet, die Xavier Naidoo - anfangs auch mit Ihrer Hilfe - weit wie ein Scheunentor gemacht hat. Nun gibt es die verschiedensten Spielarten dieser Stilistik - von Söhne Mannheims über Flo Mega und Jan Delay bis zu jungen Acts wie LEA, Nina Chuba, Apache 207. Welche Acts gefallen Ihnen, wo läuft die Entwicklung in eine falsche Richtung?

Zanki: Edo und ich waren ja Wegbereiter der deutschsprachigen Musik. Er wird oft auch als „Pate des Deutschen Souls“ bezeichnet. Ich beobachte natürlich die Entwicklung der heutigen deutschsprachigen Musikszene. Es ist deutlich vielfältiger geworden, was ich gut finde. Jede Generation muss sich ja selbst neu erfinden. Und das ist auch richtig so.

Ich verstehe zum Beispiel nicht immer, warum starke Stimmen wie die von LEA oder Apache 207 flächendeckend Autotune benötigen...außer vielleicht zur geschmacklichen Abgrenzung zu den Vorgängergenerationen. Was sagen Sie als Produzent dazu?

Zanki: Es gibt heutzutage durch die digitale Entwicklung so viele technische Effekt-Möglichkeiten und die Spielwiese ist deutlich größer und breiter als früher. Die Stilrichtungen sind daher abhängig von den Interpreten selbst. Im Generellen finde ich die junge Generation, deren Musik und Produktion, sowie ihre Arbeitsweise nicht nur zeitgemäß, sondern auch hier und da richtig spannend und gut.

Edo Zanki: „The Tribute Collection – Wache Nächte“, exklusiv bei best-around-sound-and-media-online-tra.de. 24.99 Euro.

 

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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