Comedy-Kritik

So inspirierend war der Auftritt von "Fallschirmspringer" Tony Bauer in Mannheim

Tony Bauer zählt zurzeit zu den aufstrebendsten Comedy-Stars in Deutschland. Im ausverkauften Schatzkistl zeigt der chronisch kranke Duisburger eine inspirierende Show mit Tiefgang und Klamauk

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Jörg-Peter Klotz
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Sein Auftritt im Schatzkistl zeigt: Für Tony Bauer kann es noch hoch hinaus gehen. © Jörg-Peter Klotz

Mannheim. Dieser Tony Bauer ist ein Phänomen. Der 29-jährige Duisburger ist erst seit drei Jahren im Showgeschäft. Aber er hat nach zahlreichen TV-Auftritten schon eine Teilnahme bei „Let’s Dance“ hinter und eine Karriere in der Jury der Castingshow „Das Supertalent“ sowie Auftritte bei "Die besten Comedians Deutschlands" vor sich.

Live-Qualitäten beweist das angehende RTL-Gesicht mit seinem Programm „Fallschirmspringer“ auch. Es ist also nur folgerichtig, dass sich der Deutsch-Brasilianer bei seiner ersten Headliner-Show in Mannheim seit Monaten auf ein restlos ausverkauftes Schatzkistl freuen kann. Ebenso folgerichtig: Seine nächste Tour-Station in der Region fällt wesentlich größer aus. Am 19. Februar spielt Bauer in der Heidelberger Halle 02.

Auftritt mit Survial-Kit auf dem Rücken, das ihn künstlich ernährt

So weit ist das „Comedy-Business as usual“: Ein witziger, sympathischer Typ kann Pointen aus dem Alltag auf den Punkt bringen und hat Erfolg. Die junge, migrantisch geprägte Problemstadtteil-Perspektive ist auch nichts Neues. RebellComedy und Felix Lobrechts Berliner Gefolgschaft lassen grüßen.

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Bauers Karriere hat aber noch eine andere Dimension, der Titel „Fallschirmspringer“ deutet sie um zwei Ecken an: Der junge, nicht sehr große Mann kommt mit einem imposanten Rucksack auf die Bühne. Aus diesem führt ein Schlauch in seine Brust. Die Apparatur ernährt ihn dauerhaft künstlich, weil eine chronisch Krankheit seit Kindestagen verhindert, dass sein Darm Nährstoffe richtig verarbeitet.

Das macht Bauers Lebensgeschichte automatisch besonders. Besonders speziell ist die positive Ausstrahlung, die er nicht nur auf der Bühne verbreitet. Wenn er lacht, geht tatsächlich die Sonne auf im Schatzkistl. Es ist nicht ungewöhnlich, dass schwere Einschränkungen besser akzeptiert werden, wenn man früh mit ihnen umgehen muss. Aber Anlass zu etwas Verbitterung geben sie allemal.

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Jörg-Peter Klotz
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Aber Bauer strahlt nichts davon aus, auch wenn er über monatelanges Koma („Koma ist hart. Aber nich’ so hart, wie in Duisburg-Marxloh aufzuwachsen), beschränktes Wachstum („Ich bin ’nen Kopp größer als ’n Spiegelei“) oder Nahtoderlebnisse plaudert. Stattdessen demonstriert er permanent Selbstbewusstsein. Etwa mit dem Satz „Selbstbewussten Frauen ist es egal, wie klein ihr Mann ist.“ Aus jeder Pore strahlt er aus, wie sehr er es liebt auf dieser kleinen Bühne zu stehen.

Ich bin so häufig fast gestorben, jetzt darf ich meinen Traum leben“

Das ist inspirierend, man kann es nicht anders beschreiben. Dabei halten sich die salbungsvollen Momente à la „Ich bin so häufig fast gestorben, jetzt darf ich meinen Traum leben“ in Grenzen. Anrührendes gibt es hier und da. Etwa, wenn Bauer über eine neue Spritzenkur berichtet, die Heilung verspricht: „Wenn’s anschlägt, bin ich bald wie Pinocchio – ein richtiger Junge.“ In die ernsthaft mitleidigen Seufzer aus dem Publikum legt er im typischen Ruhrpott-Slang rustikal nach: „Aber ohne Rucksack und Schlauch – wer will denn dat?“

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Nun, da man Lustig-sein kaum lernen kann und Bauer in seinen (für diese Generation üblichen) 70 Live-Minuten permanent und souverän Lacher erntet, ist eins sicher: Das wollen Leute auch ohne Survival-Kit auf dem Rücken oder dem Stuhl neben dem Mikro sehen.

Ruhrpott-Junge mit Straßenabitur und abgebrochenem Studium der Ernährungswissenschaften

Denn der Ruhrpott-Junge mit Straßenabitur und abgebrochenem Studium der Ernährungswissenschaften kann alles, was Live-Comedy braucht: spontanes Improvisieren, rotzfreche Interaktion mit dem Publikum (ein Ehepaar aus Bensheim macht er quasi zu Nebendarstellern), gute Pointen und Timing. Wie er Erlebnisse mit seinen bodenständigen bis „intellektuell unbewaffneten“ Freunden einbindet, erinnert an einen Meister der Zunft wie Rolf Miller. Tony Bauer, der lieber Dos Santos heißen würde, wird es weit bringen. Mit oder ohne Rucksack.

Guter Auftritt von Fabian Lampert im Vorprogramm

Das gilt womöglich auch für seinen Kumpel Fabian Lampert, der im 15-minütigen Vorprogramm sehr amüsant auf drei Jahre als Kassierer bei Aldi zurückblickt. Hinterher habe er eine Kur gebraucht: „Vier Wochen Edeka.“ Für Firmenfeiern bei Edeka qualifiziert man sich so nicht, ansonsten funktioniert auch sein Humor prima.

 

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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