Im Sommer 2021 verbrachte Schauspieler Sebastian Bezzel, bekannt aus den „Eberhoferkrimis“ und dem früheren „Bodensee-Tatort“, für Dreharbeiten einige Wochen im „Lieblichen Taubertal“. Er wohnte in einem Hotel am Weikersheimer Marktplatz. Grund war seine Hauptrolle in einem ARD-Spielfilm von Regisseur und Produzent Daniel Harrich. „Bis zum letzten Tropfen“ wird am 16. März um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt, seit 9. März ist der Film in der Mediathek abrufbar.
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Sebastian Bezzel spielt Martin Sommer, den Bürgermeister der fiktiven Stadt „Lauterbronn“, gelegen in Tauberfranken. Sommer wird aufgrund guter kommunaler Wasservorkommen in trügerische Geschäfte mit dem Getränke-Produzenten „Pure Aqua“ verwickelt. Die Situation spitzt sich zu, und bald protestiert seine eigene Tochter Ava, gespielt von Hannah Schiller, öffentlich gegen ihn. Im Interview spricht Sebastian Bezzel über die angenehmen Dreharbeiten im Main-Tauber-Kreis und darüber, dass er nicht aufhört, an das Gute zu glauben.
Herr Bezzel, wie haben Sie die Zeit in Tauberfranken erlebt?
Sebastian Bezzel: Die fünf Wochen, die ich dort war, waren eine sehr schöne Zeit. Zum einen eine konzentrierte und präzise Arbeit im Kreise toller Kollegen. Außerdem fand ich die Region sehr schön, hatte ein tolles Hotelzimmer mit Balkon, wo ich öfters saß. Die Dreharbeiten fielen in eine Zeit, in der die Coronazahlen zurückgingen, es entspannter wurde. Ich weiß noch, dass ich den Aufenthalt insgesamt sehr genossen habe, auch wenn es durch die starke Hitze anstrengend war. Das darf es aber auch sein, kann trotzdem Spaß machen. Alle waren unglaublich freundlich, die Bevölkerung, die städtischen Mitarbeiter, aber auch die Leute auf dem Hof „Louisgarde“, wo wir viel gedreht haben. Tja, und guten Wein und gutes Essen gab es, das ist auch immer prima (lacht).
In diesem Fall haben Sie nicht, wie beispielsweise bei den „Eberhoferkrimis“, in einer Komödie agiert, sondern in einem brisanten, investigativen Spielfilm mitgewirkt. Unterscheidet sich Ihre schauspielerische Herangehensweise bei den unterschiedlichen Genres?
Bezzel: In einer Komödie kommt es noch mehr auf das Timing in den einzelnen Szenen an. Das ist, wenn man so will, eine Frage des Handwerks. Aber bei Vorbereitung und Produktion gibt es keine Unterschiede.
Sie spielen den Bürgermeister Martin Sommer, der im Sinne seiner Stadt handeln möchte, aber manipuliert und über den Tisch gezogen wird. Ist Martin Sommer naiv?
Bezzel: Ist die Frage, woher soll er’s denn wissen? Natürlich ist er nach dieser Definition naiv, er ist ein Idealist, der einige Schicksalsschläge erlebt hat. Er will das für seine Stadt tun und das macht es tragisch. Er will sich nicht bereichern, sondern vor allem der Jugend der Region eine Zukunftsperspektive basteln. Und dann kommt das Angebot, das er nicht ablehnen kann. Alles klingt zu schön, um wahr zu sein. Und er tritt ja auf die Bremse und will Rücksprache halten, doch das bei Leuten, die ihn total verarschen. Er weiß nicht, dass die auf der anderen Seite stehen. Und dann wenden sich die, für die er das macht, noch gegen ihn. Lehnen ihn ab.
In der Kommunikation mit seiner Tochter und anderen, die gegen das Vorhaben protestieren, läuft einiges schief. Die Aussagen und Handlungen werden aggressiv und persönlich. Was hätte er anders machen können, damit Dialog gelingt?
Bezzel: Innerhalb einer Familie passiert Emotionalität ganz schnell, und junge Menschen sind auch krass in ihrem Urteil. Aber das darf sein, diese Arroganz steht meiner Meinung nach für einen Mangel an Erfahrung, ist ein Ersatz dafür. Dazu kommt die Geschichte: Alleinerziehend, da ist viel Druck auf dem Kessel, und dann passiert sowas. Da finden von allen Seiten herbe Verletzungen statt. Sommer will sich befreien, er „haut“ dann auch mal auf den Tisch. Wenn sich die Motive zuspitzen, dann kommt es zum großen Crash.
Wie nähert man sich einander an? Auch mit dem Blick auf eine ganze Gesellschaft.
Bezzel: Ich denke, zuhören, reden, Abstand nehmen, wieder zuhören, reden, versuchen an einen Tisch zu kommen. Wir sehen in Deutschland am Beispiel Corona, wie sich eine Gesellschaft entzweit. Irgendwann wird das rum sein und man fragt sich, wie holt man Menschen zurück, wie entradikalisiert man? Das werden große Aufgaben sein für Politiker und Soziologen. Aber es ist denkbar: Es gibt Gruppen, die verfeindet waren, aber wieder zueinandergefunden haben. Man muss an das Gute glauben. Das tue ich.
„Bis zum letzten Tropfen“ wie auch andere Daniel Harrich-Filme zeigen eine korrupte, fiese Welt, in der Lobbyisten viel negativen und rücksichtslosen Einfluss haben. Ist die Darstellung überspitzt, dramatisiert?
Bezzel: Ich fürchte, das ist traurige Realität. Daran müssen Politik und Gesellschaft arbeiten. Und vielleicht drehen wir dann ja eine Fortsetzung von „Bis zum letzten Tropfen“ mit einem klaren Happy End. Das wäre schön.
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