Weikersheim. In blaues Licht getaucht war bereits am Spätnachmittag das Foyer der Tauberphilharmonie. Ein Abend wie in Klein-Berlin – ganz echt mit rotem Teppich vom Vorplatz bis zum Fotoplatz vorm Großplakat, perfekt gestaltet fürs Erinnerungsfoto. Niemals zuvor sah man im Foyer so viele Abend- und Cocktailkleider: Ein besonderer Abend eben, für den sich auch das Catering-Team gewaltig ins Zeug gelegt hatte.
Und dann: der Film – erstmals zu sehen auf der Großleinwand. Geladen waren natürlich alle, die hier, sei’s als Komparsen, Helfer, Gastgeber oder sonstwie Möglich-Macher ihr Teil und Teilchen beigesteuert hatten. Sie stellten bereits gut die Hälfte der Premierengäste im bis auf den letzten unter Corona-Auflagen zur Verfügung stehenden Plätze. Es ist ein großer Film, ein wichtiger – so wichtig, dass er an diesem Montag in der dann zweiten Aufführung im Bundestag präsentiert wird, ehe „Bis zum letzten Tropfen“ und die dazu gehörende Doku im Ersten ausgestrahlt wird.
Der Film wird für Gesprächsstoff sorgen, denn es ist, wie Daniel Harrich im Gespräch auf der Konzertsaal-Bühne deutlich machte, in Wirklichkeit noch schlimmer: Bekannt sind europäische Wasserstreitplätze wie Vittel, Treuchtlingen, Lüneburg und die Tesla-Gigafactory in Berlin-Brandenburg; seit Jahren bekannt sind Bilder des sich verlierenden Aral-Sees, seit kurzem gehen die des in Arizona austrocknenden Lake Powell um die Welt.
An Film und Doku angedockt ist die ARD Crowd-Science-Aktion „Wo verschwinden unsere Bäche und Teiche?“ Man wisse, dass viel Oberflächenwasser verschwinde, erläuterte im Bühnentalk Grundwasserökologe Hans Jürgen Hahn von der Universität Koblenz-Landau, der das Film-, Doku- und Mitmachprojekt „Unser Wasser“ beratend begleitete. Wo aber genau auf Karten noch eingezeichnete Bachläufe und Tümpel vielleicht schon verschwunden sind, soll nach dem Willen der Event-Organisatoren möglichst flächendeckend von Bürger-Dokumentatoren etwa mit Handy-Fotos belegt werden. Wissenschaftler werden die Ergebnisse der Bürger-Kartierung auswerten. Doch schon der Film geht unter die Haut. Ulrich Tukur agiert als auch kleinen Erpressungen nicht abgeneigter Manager eines Getränke-Multis, Sebastian Bezzel als der zwischen Vater- und Stadtvater-Rolle hin und her gerissene Lauterbronner Bürgermeister Martin Sommer; Hannah Schiller gibt Ava, die Fridays vor Future zugeneigte Tochter Sommers, Karoline Schuch die aufstrebende Wasser-Referentin im baden-württembergischen Landesumweltministerium, Neda Rahmanian die ebenfalls höchst karrierebewusste regionale Wasserwerks-Chefin.
Das regionale Premierenpublikum faszinierte neben der bezwingend realistischen, auf Effekthascherei verzichtenden, zwischen Heimatfilm, Love-Story und Krimispannung changierenden investigativ-fiktionalen Erzählung natürlich auch das Lokalkolorit. Mit neuer Aufmerksamkeit dürfte mancher jetzt die Weikersheimer Gässchen, den Marktplatz mit Rathaus, Kornbau, Schlosseingang, das Bronner Wasserwerk, Hof Louisgarde und den jüdischen Friedhof sehen, manche Landschaftsecken frisch entdecken. Und natürlich erkannten Weikersheimer manch bekanntes Gesicht etwa aus den Reihen von Doredräwer-Akteuren, TV-Aktiven, der Feuerwehr oder der Nachbarschaft. Und viele dürften sich erinnern an Veranstaltungen zu Themen des Klimaschutzes, die ganz real bereits am Drehort stattfanden.
Mit großem Beifall bedachten die Premierengäste den packenden, nachdenklich stimmenden Film, ehe auf der Bühne Regisseur Daniel Harrich und Thomas Reutter von der SWR-Doku-Abteilung und die WWF-Süßwasserexpertin Theresa Schiller über die Film-Genese und die vielfältigen Realitätsbezüge berichteten. Sebastian Bezzel, bekannt unter anderem als Kommissar Eberhofer aus „Dampfnudelblues“ oder „Sauerkrautkoma“, rief dringend dazu auf, die Wissenschaft anzuhören, statt dummen Verschwörungstheorien zu glauben. Dem schloss sich Anja Paolucci, bei Fridays for Future Deutschland aktive PR-Referentin an. Sie kam auf harter Faktenbasis zur Sache: Gerade erst belege eine Untersuchung, dass 42 bis 46 Prozent der Weltbevölkerung sehr stark vom Klimawandel betroffen sein werden. Volker Breitinger, der Hof Louisgarde für Dreharbeiten zur Verfügung stellte, handelt bereits entsprechend und passt seine Saaten an die sich ändernden Wetterzyklen an. Dringend, so der Appell aller, sei die Politik gefragt, an diesem Abend lokal und regional vertreten durch Weikersheims ehemaligen Bürgermeister Klaus Kornberger und Landrat Christoph Schauder. Aktuell, so beide, herrsche hier zwar noch kein gravierender Wassermangel. Wer aber, so Schauder, die Realität des Klimawandels leugne, der habe, „den Schuss nicht gehört.“
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