Zimtsterne - die gehören in der Heidelberger Bäckerei Göbes eigentlich fest ins Vorweihnachtssortiment. Viele Kunden kommen deshalb im Advent in den Laden in der Plöck. Doch dieses Jahr weiß Inhaberin Jasmin Göbes nicht, ob sie den Weihnachtsklassiker überhaupt anbieten wird. „Ich müsste den Zimtstern für 2,50 Euro das Stück verkaufen, damit es sich rechnet. Aber das bezahlt mir ja keiner“, sagt sie. Allein der Puderzucker, eine der Hauptzutaten, habe sich um 70 Prozent verteuert. Dazu kommen, wie überall, explodierende Energiekosten.
„Unsere Öfen werden mit Gas betrieben. Bis Jahresende sind wir da zum Glück vertragsgebunden. Aber ab Januar sind die Aussichten verheerend“, sagt Göbes, die die kleine Heidelberger Familienbäckerei mit ihrem Mann Andreas führt. Der Energieversorger habe bereits angedeutet, dass sich der Gaspreis verzehnfachen werde - oder sogar mehr. Zudem müsse sie eine halbjährliche Vorauszahlung leisten. „Das wären im Januar also 50 000 statt bisher 5000 Euro.“
Wie viele in ihrer Branche hofft Jasmin Göbes deshalb, dass die von der Politik in Aussicht gestellten Hilfen nun zeitnah und vor allem auch unbürokratisch kommen. „Ich weiß von Kollegen, denen bricht es das Genick, wenn nicht ganz schnell was passiert“, so Göbes.
In Sorge um die Branche ist man auch bei der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald. „Die existenzielle Herausforderung spitzt sich für viele unserer Betriebe im Kammergebiet rapide zu“, warnte Präsident Klaus Hofmann kürzlich. Gerade im Nahrungsmittelhandwerk träfen die explodierenden Energiekosten Betriebe, die ohnehin einen schwierigen Stand hätten: Konkurrenz durch Discounter, Preissteigerungen bei Rohstoffen, Lieferengpässe beim Getreide und Vorgaben wie der gesetzliche Mindestlohn - das alles setze dem traditionellen Bäckerhandwerk zu.
„Wenn nun auch noch Energiekosten in unkalkulierbaren Höhen hinzukommen, ist dies für viele nicht mehr verkraftbar“, sagt Hofmann und verweist auf die Statistik: Demnach ist die Zahl der Bäckerbetriebe im Kammerbezirk schon in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen - seit 2006 um rund 43 Prozent. Im Rhein-Neckar-Kreis habe sich der Bestand mit minus 49,1 Prozent fast halbiert.
Der „Blindflug bei den Strom- und Gaspreisen“ ist auch für die Mannheimer Bäckerei Grimminger ein großes Thema - wenn auch kein existenzielles, wie Geschäftsführer Michael Ruppert bekräftigt. Mit mehr als 600 Vollzeitkräften gehört das Familienunternehmen zu den großen Handwerksbetrieben der Branche. Die meiste Energie wird bei Grimminger in den insgesamt 86 Filialen verbraucht, zwei Drittel der Kosten fallen laut Ruppert hier an: für Spül- und Kaffeemaschinen, Klimaanlagen, Öfen. „Allein hier haben wir im Moment 100 000 Euro Mehrkosten im Monat für Strom“, sagt Ruppert.
Bäckereien erhöhen die Preise
Dazu kommt der Energieverbrauch in der Bäckerei. Vor sieben Jahren hat Grimminger dort in neue Öfen investiert, mehr als 20 Stück, alle mit Gasbrenner. Jetzt hat das Unternehmen komplett auf Öl umgerüstet. „Das war natürlich nochmal eine größere Investition, aber der Ölpreis ist nicht ganz so volatil wie beim Gas.“
Um die höheren Kosten für Energie und Rohstoffe halbwegs auffangen zu können, hat die Mannheimer Bäckerei vor einiger Zeit die Preise erhöht - wie fast alle in der Branche. „Bis jetzt wird das gut akzeptiert. Wir haben weder Rückgänge bei der Zahl der Kunden noch bei den Umsätzen pro Kunde“, sagt Ruppert. Sein Eindruck sei, dass sich die Menschen in der Krise auf Qualität besinnen würden. „Wie das nächstes Jahr ist, wenn viele weniger Geld übrig haben, weiß man natürlich nicht.“
Auch bei der fränkischen Bäckerei Webers gibt es im Oktober eine Preiserhöhung um 5 bis 8 Prozent - die dritte innerhalb eines Jahres. „Und ich gehe mal davon aus, dass wir im Frühjahr 2023 nochmal anheben müssen“, sagt Tilmann Weber, Mitglied der Geschäftsführung im Familienbetrieb. Das Unternehmen mit rund 360 Mitarbeitenden hat zwar das Glück, dass es bis Ende 2023 einen „relativ günstigen“ Gasvertrag hat. Dafür seien andere Posten explodiert: Für Mehl zahle man inzwischen 490 Euro pro Tonne - vor drei Jahren seien es 180 Euro gewesen. Butter, Strom, Diesel für die 16 Firmentransporter: All das sei teilweise um ein vielfaches teurer geworden.
Weber beliefert Discounter-SB-Stationen
Bei den Energiekosten will Weber nun mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach der Bäckerei in Lauda-Königshofen gegensteuern. Von dem Standort aus werden die 31 Filialen im Main-Tauber-Kreis und im Würzburger Raum beliefert. Dazu kommen 40 SB-Stationen in Supermärkten und Discountern: allein bei Aldi ist Webers in zehn Märkten mit Produkten im Regal vertreten. „Für uns ist das ein zusätzlicher Vertriebsweg“, sagt Weber. Viele Kunden wollten heute beim Einkaufen nur noch einen Stopp machen - und wüssten es zu schätzen, wenn sie dann auch beim Discounter ein handwerkliches Produkt aus der Bäckerei fänden. Um zu sparen, hat der fränkische Betrieb unterdessen schon während Corona Prozesse umgestellt und das Sortiment verkleinert: So würden die Filialen inzwischen nur noch einmal statt früher mehrmals am Tag beliefert. Die Auswahl an belegten Brötchen wurde von neun auf sechs Varianten reduziert, beim Feingebäck von elf auf acht. „Das wir hier früh reagiert haben, hilft uns jetzt“, sagt Weber.
Auch bei der Bäckerei Göbes in Heidelberg wird im Moment immer wieder geprüft, welche Schritte wirtschaftlich noch Sinn machen. „Bei den Energiepreisen muss man zum Beispiel überlegen, ob man die Öfen am Mittag nochmal anschmeißt, um Nachschub für den restlichen Tag zu backen. Da ist es teilweise sinnvoller, auf den Umsatz zu verzichten. Und wenn ein Produkt ausverkauft ist, dann ist es eben so“, sagt Jasmin Göbes. Zimtsterne werde sie in diesem Jahr vielleicht nur auf Bestellung anbieten - „und nur, wenn genügend Personal da ist.“
Bei der Mannheimer Bäckerei Grimminger sind unterdessen keine Einschränkungen im Sortiment - unter anderem 16 Brot- und 14 Brötchensorten - geplant. „Unsere große Auswahl ist eine der Stärken, mit denen wir uns von Supermärkten und Discountern abheben. An dem Ast wollen wir nicht sägen“, sagt Geschäftsführer Ruppert.
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