Studie - ZEW stößt sich an langer Bezugsdauer / Corona-Hilfen in Deutschland außergewöhnlich hoch

Mannheimer ZEW kritisiert Corona-Hilfen

Von 
Walter Serif
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Das Kurzarbeitergeld war ein wichtiges Instrument in der Pandemie. © dpa

Die Ökonomen sind sich in einem Punkt alle einig: Der deutsche Staat hat mit seinem Corona-Krisenpaket verhindert, dass die Wirtschaft kollabiert. Vor allem das Instrument der Kurzarbeit wird auch international immer wieder gelobt. Eine aktuelle Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gießt allerdings ein wenig Wasser in den Wein: „Die Bundesregierung hat zu lange an den sehr großzügigen Kurzarbeiterregeln festgehalten“, kritisiert Friedrich Heinemann, der Autor der Studie, die im Auftrag des Europäischen Parlaments die Zielgenauigkeit der Corona-Hilfen in den EU-Mitgliedstaaten untersucht hat.

Heinemanns Fazit: Italien, Frankreich und Griechenland haben die Hilfen zu lange laufen lassen. Und: „Der Umfang der Unterstützung war außergewöhnlich hoch in Griechenland, Italien und Deutschland. Das gilt auch, wenn man den Umfang der Hilfen in Relation zur Schwere der Corona-Rezession setzt.“

Die Studie stuft die umfangreichen Corona-Hilfen zu Beginn der Pandemie 2020 in den EU-Staaten als im Prinzip angemessen ein, doch einige Mitglieder hätten trotz wirtschaftlicher Erholung zu lange den Krisenmodus beibehalten. Inzwischen - so eine weitere Schlussfolgerung - seien die Hilfen aber nicht mehr verhältnismäßig. Die Politik müsse daraus die Konsequenzen ziehen, damit sie bei wiederkehrenden Pandemiewellen zielgenauer seien. Die Staaten müssten die Vergeudung öffentlicher Mittel vermeiden, nur so könnten sie ihren finanziellen Handlungsspielraum erhalten.

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Die Analyse kritisiert die Förderung der Unternehmen nach dem Gießkannenprinzip: „Es ist nicht sachgerecht, Unternehmen über Jahre zu stützen, wenn ihr Geschäftsmodell durch die pandemiebedingten, dauerhaften Veränderungen hinfällig geworden ist. Dies würde auf eine Zombiefizierung der Wirtschaft hinauslaufen“, sagt ZEW-Forscher Heinemann.

Warnung vor Zombie-Betrieben

Während Italien, Frankreich und Griechenland ihre Corona-Hilfsmaßnahmen besonders langsam reduzieren, sind der Studie zufolge osteuropäische Staaten wie Estland schnell aus allen Krisenprogrammen ausgestiegen. Sie seien deshalb deutlich besser auf die neue aktuelle Ukraine-Krise vorbereitet.

Die ZEW-Studie vergleicht auch die Kredit- und Kurzarbeiterprogramme in der Pandemie. Heinemann stuft die Strategie Spaniens als besonders vielversprechend ein, weil es die Banken demnach stärker am Ausfallrisiko beteiligt und somit Anreize setzt, die Lebensfähigkeit von Geschäftsmodellen zu prüfen.

Bei den Kurzarbeiter-Regeln steche Deutschland besonders negativ heraus. „Kein anderes Land praktiziert wie Deutschland den problematischen Anstieg der Lohnersatzrate mit der Länge der Kurzarbeit. Hier ist mit weitreichenden Fehlanreizen und Behinderung von Strukturwandel zu rechnen“, sagt Heinemann. Er sieht deshalb die von der Bundesregierung beschlossene Verlängerung der maximalen Bezugsdauer auf 28 Monate kritisch.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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