Es sind die ganz großen Kolosse, für die Freudenberg in München forscht und entwickelt. Kreuzfahrtschiffe, Lkw und Reisebusse - sie alle sollen künftig klimaneutral unterwegs sein. Gerade erst gab es für Reedereien wieder eins auf den Deckel von der Umweltorganisation Nabu, weil noch viele Kreuzfahrtschiffe mit dem besonders giftigen Schweröl unterwegs sind. Bei der Reduzierung der Emissionen geht es dem Nabu noch viel zu schleppend.
Nur: So einfach ist das nicht in diesen Dimensionen - die E-Mobilität vom Pkw lässt sich nicht einfach auf die Schwerlast-Dimensionen der Schiffe oder Trucks übertragen. Was sich zum Beispiel auf hoher See bewegt, ob Fracht- oder Kreuzfahrtschiff, hat enorme Anforderungen an die Reichweite. Da kann nicht einfach mal zwischendrin der Saft, die Energie, ausgehen.
Methanol statt Wasserstoff
Elektro-Batterien wie im Auto wären jedoch viel zu groß und zu schwer, um genug Strom für die langen Routen zu liefern. Genau hier kommt der Weinheimer Tech-Konzern Freudenberg ins Spiel. Genauer: die noch junge Tochter e-Power Systems (FEPS) mit Sitz in München. Die Münchner entwickeln und testen für die Hochseeschifffahrt eine Hybridlösung, sie kombiniert Batteriepacks mit Brennstoffzellen.
Das Brennstoffzellen-System wird nicht mit Wasserstoff, sondern mit klimaneutral hergestelltem Methanol oder LNG-basiert betrieben werden können, was den Einsatz wirtschaftlich und effizient machen soll. Freudenberg sieht sich damit als Vorreiter in der Branche: „Die Systeme der Wettbewerber sind weniger effizient“, sagt Manfred Stefener (kleines Bild). Er ist Geschäftsführer des Brennstoffzellen-Bereichs von FEPS.
Sein Start-up, das mehrere Patente für diese Technologie entwickelt hatte, wurde 2018 von der Freudenberg-Gruppe gekauft - jetzt leitet er diese Sparte bei Freudenberg. Und ist mächtig stolz, dass sie mit namhaften Kunden aus der Branche zusammenarbeitet: etwa mit dem Kreuzfahrt-Anbieter Carnival Maritime (Aida Cruises) oder dem Schiffsbauer Meyer Werft in Papenburg oder der Lürssen Werft, die Superjachten baut.
Dabei geht es sowohl um neue Schiffe als auch den Umbau von älteren. Gerade die Kreuzfahrt-Reedereien haben im maritimen Bereich laut Stefener momentan das größte Interesse an der neuen, nachhaltigeren Technologie. Schließlich wollen viele ihrer Passagiere gerne mit gutem Gewissen auf den Nobel-Schiffen Urlaub machen. Der Druck ist also höher als etwa bei Frachtschiffen, die den Haupt-Anteil an der globalen Schifffahrt stellen.
Brennstoffkosten, bislang häufig Schweröl, machen laut Stefener im Schwerlast-Sektor ein Drittel der Betriebskosten aus. „Die Brennstoffzelle ist im Schwerlast-Sektor deutlich effizienter als ein Verbrennungsmotor.“ Das heißt, für Reedereien ist die neue Technologie auch deshalb interessant, weil sie damit langfristig nicht nur den Schadstoff-Ausstoß, sondern auch Kosten reduzieren könnten.
Verbrauch einer Kleinstadt
Und warum wird bei Schiffen nicht wie sonst üblich Wasserstoff, sondern Methanol für die Brennstoffzelle eingesetzt? Weil Methanol eine noch höhere Energiedichte hat, erklärt Stefener, was wiederum für die größere Reichweite nötig ist. Ein Schiff mit 5000 Passagieren braucht ungefähr 60 Megawatt Leistung, das entspricht dem Verbrauch einer Kleinstadt.
Schiffe mit viel Aufholbedarf bei CO2-Ausstoß
- Freudenberg e-Power Systems (FEPS) entwickelt in München und an ihren Standorten im amerikanischen Michigan emissionsneutrale Energiesysteme für Lkw, Busse und Schiffe.
- Mit über 800 Mitarbeitenden bietet das Unternehmen Batterie- sowie Brennstoffzellensysteme an. So sind etwa in den USA bereits etliche Schulbusse mit Batteriesystemen von FEPS auf den Straßen unterwegs.
- Für ein Brennstoffzellen-System für Fernbusse arbeitet das Unternehmen zum Beispiel mit Flixbus zusammen.
- Der Freudenberg-Konzern investiert rund 100 Millionen Euro in den Ausbau der Sparte. In drei bis vier Jahren soll sie die Gewinnschwelle erreicht haben.
- Zu den ersten großen Kunden zählen Kreuzfahrt-Reedereien. Die Schifffahrt hat einigen Aufholbedarf. Containerschiffe etwa fahren überwiegend mit Schweröl oder Marinediesel, einige auch mit flüssigem Erdgas LNG - fossile Energieträger, bei deren Einsatz das Treibhausgas CO2 frei wird.
- Rund drei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes gehen auf das Konto der internationalen Schifffahrt. Wäre die Schifffahrt ein Staat, stünde sie laut Umweltorganisation Nabu bereits heute an sechster Stelle aller CO2-Emittenten weltweit, noch vor Deutschland.
- Die Weltschifffahrtsorganisation IMO will, dass die Schifffahrt bis 2030 ihre Emissionen um 20 bis 30 Prozent und bis 2040 um 70 bis 80 Prozent im Vergleich zu 2008 reduziert.
- Einzelne Reedereien wollen früher ganz klimaneutral sein, die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises und die dänische Containerreederei Maersk beispielsweise 2040; der Hamburger Maersk-Konkurrent Hapag-Lloyd hat sich 2045 als Zielmarke gesetzt.
Die Schiffsbrennstoffzellen werden in mehreren Modulen, so genannten Stacks, installiert. Durch diese Redundanz - die Module teilen sich die Energieerzeugung untereinander auf - lasse sich die gesamte installierte Leistung reduzieren. Sie brauchen also weniger Platz. Mehr Passagiere oder mehr Fracht können untergebracht werden. „Damit lässt sich das Thema Umweltschutz mit harten Wirtschaftsfaktoren kombinieren“, sagt Stefener.
Butlerservice mit Klima-Bonus
Freudenberg setzt auf langfristige Partnerschaften. Das heißt, die Brennstoffzellen-Systeme werden gemeinsam mit dem jeweiligen Kunden nach genau dessen Anforderungen entwickelt. Für die Betreiber ist Klimafreundlichkeit inzwischen ein Kriterium, um Kunden zu locken. So wirbt Anbieter Silver Sea nicht nur mit Butler-Service, Achtersuiten, die 270-Grad-Ausblick bieten, oder mehreren Nobelrestaurants. Die neuen Schiffe sollen „die umweltfreundlichsten Schiffe“ der eigenen Flotte werden. Mit „bahnbrechenden technologischen Lösungen“ werde man „eine neue Ära nachhaltiger Kreuzfahrten“ einläuten. Mit dem Adjektiv „bahnbrechend“ ist Stefener durchaus einverstanden. Vor allem, wenn 2024 ein vier Megawatt starkes System mit Brennstoffzellen und Batterien in das neue Flaggschiff Silver Ray eingesetzt werde. So könne die ganze Hotel-Last abgedeckt werden. „Damit lässt sich das Schiff im Hafen komplett ohne Motoren betreiben.“ Das heißt: ohne Emissionen und Rußfahnen - und ganz leise. „Das ist in dieser Industrie ein Riesendurchbruch.“ FEPS habe dabei einen deutlichen technologischen Vorsprung vor der Konkurrenz, so Stefener.
Erst Pilotanlage, dann Serienreife
Nach den ersten Prototypen sollen nach und nach die Schiffe immer stärker elektrifiziert werden - bis sie vollständig ohne fossile Brennstoffe auskommen. In zwei bis drei Jahren sollen die Prototypen es zur Serienreife schaffen. Dabei hilft, dass die breit aufgestellte Konzernmutter Freudenberg-Gruppe alle wesentlichen Komponenten produziert, die für die Brennstoffzelle nötig sind.
In München wurde inzwischen eine erste Pilotanlage fertiggestellt, die innerhalb eines Jahres ein Kreuzfahrtschiff komplett mit einem Energiesystem ausstatten könnte - also mit einer Kapazität von 60 Megawatt. Ein erster Schritt für eine große Industrieproduktion. „Die Ambitionen sind groß“, sagt Stefener - bei Freudenberg als auch bei der Kundschaft auf hoher See.
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