Es läuft bei Freudenberg. Zum 175. Geburtstag verkündet Vorstandschef Mohsen Sohi neue Umsatz- und Gewinnrekorde - und verrät, warum der Weinheimer Konzern auch in den Krisen-Jahren zugelegt hat.
Herr Sohi, vor 175 Jahren wurde Freudenberg gegründet. Was hat die einstige Ledergerberei mit dem heute hochkomplexen Konzern gemeinsam, der ein riesiges Produktportfolio von Dichtungen über Wischmopps bis Brennstoffzellen hat?
Mohsen Sohi: Der rote Faden bei Freudenberg ist Unternehmertum, Wandelbarkeit und Innovation. Das war schon bei unserem Gründer Carl Johann Freudenberg so und das zeichnet uns auch heute noch aus.
Sie lassen sich Innovationen auch einiges kosten, geben viel Geld für Forschung aus.
Sohi: Aus meiner Sicht sind das keine Kosten, diese Investitionen zahlen sich mehrfach aus. Wir haben unsere Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Allein 2023 haben wir 604 Millionen Euro investiert, 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Drittel unserer Produkte ist jünger als vier Jahre. Das macht uns im Markt und bei unseren Kunden erfolgreich. Wir konnten deshalb in den Krisenjahren unsere Marktanteile erhöhen und unsere Preise auf einem guten Niveau halten.
Freudenberg mit neuen Rekordzahlen
- 2023 erzielte Freudenberg einen Rekordumsatz von 11,9 Milliarden Euro erzielt - das ist ein Plus von 1,3 Prozent gegenüber 2022.
- Das Betriebsergebnis lag mit 1,1 Milliarden Euro (+15 Prozent) zum ersten Mal über einer Milliarde Euro.
- 452,7 Millionen Euro (Vorjahr: 401,5) investierte Freudenberg im vergangenen Jahr, 174,1 Millionen Euro davon in Deutschland.
- Wichtigste Investition in Weinheim: Freudenberg Performance Materials nahm eine neue Fabrik für Gasdiffusionslagen, eine Schlüsselkomponente der Brennstoffzelle, in Betrieb.
- Die Unternehmensgruppe beschäftigt in 60 Ländern 52 241 Mitarbeitende aus 148 Nationen, in Deutschland sind es 12 875. Rund 4159 Beschäftigte arbeiten in Weinheim.
- Freudenberg wurde vor 175 Jahren in Weinheim gegründet und ist ein Familienunternehmen mit 374 Gesellschaftern.
- Mohsen Sohi ist seit 2012 Vorstandsvorsitzender.
- Er wurde 1959 im Iran geboren, studierte (Maschinenbau) und promovierte in den USA. Sohi ist US-Staatsbürger.
- Sohi startete seine Karriere bei Industriekonzernen in den USA und kam 2010 nach Weinheim.
Welche Innovationen aus der Vergangenheit sind heute noch für Freudenberg relevant?
Sohi: Wir bringen jedes Jahr Hunderte Innovationen auf den Markt - in 42 Marktsegmenten! Unser Simmerring zum Beispiel, ist ein spezieller Wellendichtring, der vor über 90 Jahren erfunden wurde. Er hat die Basis für unser Dichtungsgeschäft gelegt. Aber auch er muss immer wieder verbessert werden, damit es das beste Produkt im Markt bleibt. Gleichzeitig investieren wir in Produkte der Zukunft, zum Beispiel in die Entwicklung von Brennstoffzellen und Lithium-Ionen-Batterien für Lkw, Schiffe oder Busse. Das wird sich erst in drei, vier Jahren auszahlen.
Bei der Brennstoffzelle planen Sie in diesem Jahr einen Meilenstein, Freudenberg-Brennstoffzellen werden erstmals in ein Schiff eingebaut.
Sohi: Bisher haben wir Prototypen im Labor entwickelt, jetzt muss sich zeigen, wie diese in der Praxis funktionieren. Wir haben mit der Montage von zwei 500-kW-Methanolsystemen für eine Superjacht begonnen, die von unserem Partner Lürssen Werft für einen privaten Auftraggeber gebaut wird. Die Auslieferung der Brennstoffzellen ist für die zweite Jahreshälfte geplant.
Wie ist 2023 gelaufen, sind Sie zufrieden?
Sohi: 2023 war ein überraschend starkes Jahr für uns. Umsatz, Ergebnis, Cashflow - bei allen Kennzahlen haben wir zugelegt. Und dass trotz all der Herausforderungen in der Welt und insbesondere in Deutschland. In fast allen unseren Geschäftsgruppen lief es gut. Und nicht nur 2023: In den vergangenen zehn Jahren haben wir den Umsatz und das Betriebsergebnis in etwa verdoppelt, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sogar nahezu verdreifacht.
In welchen Geschäftsfeldern lief es besonders gut?
Sohi: Die Bereiche Medizintechnik und Schwingungstechnik waren sehr stark. Dagegen entwickelte sich das Filtrationsgeschäft etwas schwächer, vor allem wegen der gesunkenen Nachfrage in China. Wenn wir auf die Regionen schauen, waren wir in den USA besonders erfolgreich, das ist ein sehr wichtiger Markt für Freudenberg. Fast ein Drittel unseres Umsatzes kommt aus Nordamerika.
Wie sehr haben Sie 2023 die hohen Energiepreise belastet?
Sohi: Die Energiekosten haben sich zwar stabilisiert, sind aber immer noch sehr hoch. Das macht uns weiter Sorgen, vor allem weil einige unserer Geschäfte sehr energieintensiv sind. 2023 hat uns geholfen, dass wir langfristige Lieferverträge haben und große Fortschritte bei der Umstellung auf erneuerbare Energien gemacht haben: 36 Prozent unseres Strombedarfs kommen jetzt aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenenergie.
Vor einem Jahr hatten Sie angekündigt, dass Sie sich von Ihrem Russland-Geschäft trennen wollen. Ist das gelungen?
Sohi: Nicht komplett, weil das wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen in Russland nicht einfach ist. Von unserer Seite haben wir alles getan, was möglich ist. Bei sieben von neun Geschäften haben wir mittlerweile den Betrieb eingestellt. Wir sind auf einem guten Weg. Wir arbeiten weiter am kompletten Rückzug. Der Umsatz in Russland hat sich aber schon um 60 Prozent reduziert.
Zurück in die Heimat: In Weinheim wollen Sie 100 Stellen bei Vibracoustic nach Indien verlagern, bei Freudenberg Performance Materials wandern Arbeitsplätze nach Rumänien. Und Martin Wentzler, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses, hat angedeutet, dass der Vorstand nicht in Weinheim sitzen müsse. Verliert der Standort seine Bedeutung?
Sohi: Überhaupt nicht. Weinheim ist seit 175 Jahren unser Hauptsitz. Viele unserer Geschäftsgruppen haben ihre Zentrale hier. Bei Forschung und Entwicklung ist der Standort führend. Schauen Sie, 2023 haben wir hier 70 Millionen Euro investiert. Und in den letzten zehn Jahren haben wir mehr in Weinheim als in allen anderen Standorten zusammen investiert. Das spricht doch für sich.
Trotzdem werden Produktionen verlagert.
Sohi: Jede Geschäftsgruppe für sich muss wettbewerbsfähig sein. Eine Quersubventionierung darf es nicht geben. Deshalb gehört manchmal auch die Verlagerung von Produktionen dazu. Fast 70 Prozent unseres Ergebnisses kommt von außerhalb Deutschlands. Natürlich investieren wir auch in anderen Regionen. Aber das ändert nichts an der Rolle Weinheims für Freudenberg. Wir investieren hier in Zukunftstechnologien. Weinheim wird auch in Zukunft wichtig bleiben. Und die Zahl der Beschäftigten hat 2023 auf rund 4000 Mitarbeitende leicht zugelegt.
Was sind ihre Erwartungen für 2024?
Sohi: Das Jahr hat gut begonnen, aber wir sind vorsichtig. Die Weltwirtschaft und die geopolitische Lage sind immer noch angespannt.
Sie sind Jahrgang 1959 - ein Alter, in dem viele Spitzenmanager in Ruhestand gehen. Sie machen weiter?
Sohi: Bis auf weiteres, ja.
Verraten Sie wie lange?
Sohi: Das werden wir zur richtigen Zeit bekanntgeben. Aber Freudenberg ist sehr gut vorbereitet. Alle Neu-Besetzungen bei Spitzenpositionen sind Eigengewächse. Mein Nachfolger wird sehr wahrscheinlich auch von intern kommen.
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