Interview

Baut das GKM in Mannheim ein neues Gaskraftwerk?

Seit sieben Monaten leiten Kerstin Böcker und Thomas Hörtinger gemeinsam das Grosskraftwerk Mannheim (GKM). Die Doppelspitze will das GKM zukunftsfest machen.

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Walter Serif
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Die neue GKM-Führung in der E-Warte des Mannheimer Grosskraftwerks: Kerstin Böcker und Thomas Hörtinger. © Christoph Blüthner

Mannheim. Frau Böcker, Herr Hörtinger, Sie haben mit dem GKM bei einem Unternehmen angeheuert, das vor einer ungewissen Zukunft steht. Haben Sie sich da auf ein Himmelfahrtskommando eingelassen?

Thomas Hörtinger: Definitiv nicht. Wir haben uns auf die Transformation des GKM eingelassen. Das ist die Herausforderung, die wir beide gesucht haben. Außerdem gibt es hier sehr viele tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen wir die Zukunft gestalten wollen.

Müssen die 500 Beschäftigten fürchten, dass sie der Transformation zum Opfer fallen und auf der Straße stehen, wenn das GKM keine Steinkohle mehr verbrennen darf?

Kerstin Böcker: Nein, da haben Sie eine falsche Vorstellung von der Transformation, wie sie bei uns ablaufen soll. Wir malen ein Zukunftsbild, das dem Betrachter zeigen soll, wie es bei uns auch nach dem Kohleausstieg weitergehen kann.

Und wie sieht dieses Bild aus?

Böcker: Wir entwerfen es gerade gemeinsam in unserem Transformationsprojekt „NextHorizon“ in verschiedenen Arbeitsgruppen. Übrigens zusammen mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir wollen die Tätigkeitsfelder definieren, die wir parallel oder nach dem Ausstieg aus der Steinkohle am Standort aufbauen wollen.

Kommentar Hat das GKM in Mannheim eine Zukunft?

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Hörtinger: Wir sehen zum Beispiel am GKM auch eine Chance für ein wasserstofffähiges Gas-und-Dampf-Kraftwerk. Wir könnten aber auch einen großen Batterie-Speicher hier errichten.

Oder auch beides zusammen?

Hörtinger: Auch das ist möglich. Wir sind da jetzt noch an der Projektbearbeitung, natürlich auch in Abstimmung mit unseren drei Anteilseignern. Ich habe den Eindruck, dass wir da bereits auf einem guten Weg sind.

Der Mannheimer Energiekonzern MVV hat sich in der Vergangenheit eher skeptisch über ein Gas-und-Dampf-Kraftwerk am Standort GKM gezeigt.

Hörtinger: Das mag früher der Fall gewesen sein. Ich kann nur sagen, dass die Zusammenarbeit mit der MVV gegenwärtig gut läuft. Das zeigt sich schon daran, dass nach der ersten Flusswärmepumpe, die wir ja schon im Auftrag der MVV betreiben, gegenwärtig die Ausschreibung für eine zweite, wesentlich größere läuft, die voraussichtlich Ende 2028 in Betrieb genommen werden soll. Außerdem arbeiten wir mit der MVV bereits an einer dritten Flusswärmepumpe. Da ist allerdings noch nichts entschieden. Im Idealfall könnte diese dann 2029 auf dem Gelände stehen. Außerdem arbeiten wir zusammen ja auch noch für die MVV an einem wasserstofffähigen Nachheizdampfer-Erzeuger für Wärme, den wir ebenfalls auf unserem Gelände betreiben werden.

Böcker: Sie sehen also: Das Zukunftsbild des GKM entwickelt sich langsam in allen drei Geschäftsfeldern, also dem klassischen Geschäft, den Dienstleistungen und den neuen Technologien. Auch unser klassisches Geschäft mit der Steinkohle wickeln wir nicht nur einfach ab, sondern optimieren es weiter, wie das ja jedes Unternehmen tun muss. Und dann verfügen wir im angrenzenden Geschäftsfeld über Kompetenzen und Technologien, die es uns ermöglichen, Dienstleistungen wie zum Beispiel die Flusswärmepumpen anzubieten.

Die Schaltzentrale im Grosskraftwerk Mannheim (GKM). © Christoph Blüthner

Für die Zukunft des GKM entscheidend dürfte das dritte Geschäftsfeld sein.

Böcker: Ja, das ist richtig. Bei den neuen Technologien sind wir aber auch abhängig von der Kraftwerksstrategie und dem Kraftwerkssicherheitsgesetz und den Entscheidungen der Anteilseigner, die zustimmen müssen. Denn Technologien wie ein Gas-und-Dampf-Kraftwerk oder große Speicher-Batterien erfordern hohe Investitionen.

Sie haben ja extra in Ihrer Satzung „Dienstleistungen“ als neuen Geschäftsbereich aufgenommen. Warum?

Hörtinger: Weil wir in diesem Bereich eine sehr wichtige Perspektive haben, denn das GKM verfügt über ein hohes Know-how bei der Instandhaltung und Betriebsführung. Deshalb haben wir die Satzung geändert. Natürlich sind Speicherthemen ebenfalls mögliche Geschäftsfelder, in die wir neben der konventionellen Erzeugung von Energie mit Steinkohle dann aber mit wasserstofffähigen Gaskraftwerken hineingehen wollen und können. Aber wir sind da, wie Frau Böcker angemerkt hat, auf die Eigner angewiesen, mit denen wir uns abstimmen müssen.

Gegenwärtig steht das GKM aber noch eher am Beginn des Transformationsprozesses.

Hörtinger: Ich würde das nicht so negativ formulieren. Das GKM ist kein Betrieb in Abwicklung, sondern ist gegenwärtig in Süddeutschland ein Riesengarant für die Versorgungssicherheit. Mit unseren zwei Reserveblöcken 7 und 8 tragen wir zur Netzstabilität der TransnetBW bei. Außerdem produzieren wir mit den Blöcken 6 und 9 Strom für unsere Eigentümer und beliefern die MVV mit Wärme. Aber ganz wichtig für die Bewertung der Leistung des GKM ist: Gegenwärtig werden alle vier Blöcke benötigt. Zum Beispiel, wenn in den Dunkelflauten kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Oder wenn es Engpässe in den Übertragungsnetzen gibt.

Es gibt natürlich auch Stimmen in der Stadt, vor allem aus dem Bereich der Umweltschützer, die meinen, dass das GKM keine Zukunft hat, sondern ihr im Wege steht.

Böcker: Ich nehme das nicht so wahr. Im Gegenteil, das GKM wird von den Menschen sehr geschätzt, nach dem Motto: Wir können uns Mannheim ohne das GKM nicht vorstellen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr loyal und es gibt da auch keine Fluktuation, weil sie eben wissen, dass wir jetzt gemeinschaftlich die Zukunft für die Zeit nach dem Kohleausstieg gestalten wollen. Das ist unsere positive Message. Ich glaube allerdings schon, dass durch die Kommunikation der MVV vielleicht bei dem einen oder anderen der falsche Eindruck entstanden ist.

Sie meinen, weil die MVV ihre Energie vergrünen will, bleibt an Ihnen das Image der fossilen Schmuddelkinder hängen? Und außerdem sendet die MVV ja auch die Botschaft, dass sie das GKM schon bald nicht mehr benötigt.

Böcker: Ja, aber das bezieht sich halt auf die Fernwärme und den Kohlestrom. Nachhaltige Projekte wie die Flusswärmepumpen betreiben wir mit der MVV weiter gemeinsam.

Hörtinger: Ich bin zwar erst ein halbes Jahr in Mannheim, nehme aber auch eine positive Stimmung wahr, auch im Aufsichtsrat ist der Spirit positiv. Wir machen unseren Job im Rahmen der Gesetzgebung. Energie ist unsere DNA und wird es auch bleiben. Wir streben deshalb hier am GKM die Transformation zu einer nachhaltigen Energieerzeugung an. Wir verhaften deshalb auch nicht an dem Alten, sondern wollen etwas Neues schaffen, damit auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Zukunft haben.

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Wie weit sind denn die Pläne für ein wasserstofffähiges Gaskraftwerk gediehen?

Hörtinger: Wir haben jetzt erst begonnen, darüber nachzudenken.

Allein oder zusammen mit den Anteilseignern?

Hörtinger: So etwas geht nur zusammen.

Böcker: Aber klar ist natürlich, dass die Anteilseigner allein so eine große Investition nicht stemmen können. Wir wären da auf eine staatliche Förderung angewiesen, deshalb muss der politische Rahmen für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz stimmen. Aber man kann da nicht einfach abwarten, sondern muss sich schon vorher Gedanken machen.

Wie viel würde denn so ein Kraftwerk kosten?

Hörtinger: Da reden wird schon von einer Investition von rund 850 Millionen Euro. Als staatliche Förderung sind gegenwärtig rund 70 Prozent im Gespräch.

Da müssten die Anteilseigner aber noch immer einen Haufen Geld nachschießen.

Hörtinger: Das stimmt, deshalb herrscht da natürlich noch ein großer Redebedarf. Aber unter die genannte Summe fallen ja nur die Investitionen. Hinzukommen ja auch noch die Betriebskosten. Klar ist aber unabhängig von der Entscheidung am Standort GKM: Wir brauchen als Überbrückungstechnologie viele wasserstofffähige Gaskraftwerke in Deutschland. Diese rechnen sich aber betriebswirtschaftlich für die Unternehmen nicht, weil sie eben nicht auf Volllast laufen, sondern immer nur für ein paar Stunden. Deshalb geht es nicht ohne staatliche Förderung.

Sie haben gerade den guten Spirit im Aufsichtsrat angesprochen. Der Aufsichtsrat hat ja im September 2023 sowohl die damaligen zwei Vorstände als auch den Betriebsratschef ausgetauscht, weil diese untereinander völlig zerstritten waren. Hat sich das Klima am GKM wieder verbessert?

Böcker: Ich denke schon, wir arbeiten gut mit dem Betriebsrat zusammen. Da musste allerdings auch gegenseitig nach und nach Vertrauen, das in den Jahren davor verloren gegangen war, wieder aufgebaut werden. Deshalb ist es natürlich wichtig, dass wir unser Transformationsprojekt NewHorizon gemeinsam mit dem Betriebsrat und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestalten und nach vorn bringen. Auch die Rückmeldungen aus der Belegschaft sind positiv. Demnach hat sich das Klima deutlich verbessert, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die schlechte Stimmung damals natürlich gespürt und auch darunter gelitten haben.

Hörtinger: Es ist wie überall im Leben: Zwischenmenschliche Beziehungen muss man aufbauen und pflegen, und ich glaube, da sind Frau Böcker und ich auf einem guten Weg. Die Vergangenheit haben wir jedenfalls abgeschlossen, wir beschäftigen uns nur noch mit der Zukunft.

Und wie kommen Sie beide zusammen miteinander aus?

Hörtinger: Sehr gut. Wir ergänzen uns super.

Böcker: Wir sind ein gutes Team und arbeiten sehr eng zusammen.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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