Mannheim. Herr Bachert, Weihnachten ist die Zeit der Besinnung. Ruhig ging es 2024 aber nicht bei den Löwen zu. Noch nicht einmal kurz vor dem Fest, als der Abschied von Trainer Sebastian Hinze bekannt wurde. Warum wird das Jahr 2025 weniger turbulent?
Holger Bachert: Vorab: Wir hätten natürlich sehr gerne eine ruhigere Vorweihnachtszeit gehabt. Und man muss sagen, dass aktuell sowohl der Trainer- als auch der Spielermarkt im Handball ungewöhnlich volatil und teils auch schwer einzuschätzen sind. Es gab hier selten so viel Bewegung, so viele Gerüchte. Damit müssen wir leben und arbeiten – und entsprechend gibt es aktuell wenig Zeit für Besinnlichkeit. Ich bin aber auch zuversichtlich, dass wir die wichtigsten Weichenstellungen zeitnah abschließen können und dann das Jahr 2025 deutlich entspannter werden kann.
Wenn wir schon vorausschauen. Bleiben Sie den Löwen über die Saison hinaus als Geschäftsführer erhalten?
Bachert: Mit dem Start im Juni dieses Jahres hatte ich auf die Schnelle meine Hilfe angeboten. Mittlerweile stelle ich fest, dass es sinnvoll wäre, wenn speziell auf dieser Position Kontinuität einkehren würde. Vor einigen Wochen hat mich der Aufsichtsrat gefragt, ob ich mir das über meinen jetzigen Vertrag hinaus vorstellen könnte. Mit dieser Frage werde ich mich im Januar nochmals intensiv beschäftigen und dann meine Entscheidung mitteilen.
Wie sehr hat die offene Trainerfrage den Personalplanungen der Löwen zuletzt geschadet?
Bachert: Natürlich ist es förderlich, einen fertigen Personalrahmen zu haben, mit dem man auch in Gespräche und/oder Verhandlungen mit Spielern gehen kann. Aber in unserer Branche ist es auch an der Tagesordnung, dass Dinge in der Schwebe sind und man teilweise mit offenen Planstellen und verschiedenen Szenarien arbeiten muss. Für uns – und das hat Uwe Gensheimer (Löwen-Sportchef, Anmerkung der Redaktion) immer wieder betont – ist der Handball, den wir spielen wollen, wichtiger als die konkrete Person, die diesen Handball dann verkörpert. Mit dieser Vorstellung von Löwen-Handball gehen wir auf Spielersuche. Da wissen die Jungs, mit denen wir sprechen, sehr genau, was sie hier erwarten würde.
Wie sicher ist es, dass die Löwen die Saison mit Trainer Hinze auch beenden?
Bachert: Es ist unser erklärtes Ziel, in der jetzigen Konstellation die Saison zu Ende zu spielen. Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass Sebastian weiterhin alles geben wird für die Löwen und wir entsprechend auch die Leistungen auf die Platte bringen, die wir uns alle erhoffen. Wir befinden uns immer noch im wöchentlichen Austausch und man sieht – nicht zuletzt mit dem Ergebnis im Pokal und dem erneuten Erreichen der Endrunde –, mit wie viel Energie er im Training zu Werke geht und dass er sehr akribisch und verlässlich seinen Arbeitsauftrag erfüllt.
Ein Thema des Jahres 2024 müssen wir noch ansprechen. Den Löwen machte im Frühling ein Finanzskandal zu schaffen. Wie stabil ist nun die Lage?
Bachert: Ich habe ab dem ersten Tag keinen Hehl daraus gemacht, dass wir im Sommer 2024 nicht gerade im Geld geschwommen sind. Durch eine erneute Einlage der Gesellschafter und die Unterstützung von Teilen des Aufsichtsrates konnten wir eine große Delle ausgleichen. Zusätzlich haben wir trotz schwieriger Rahmenbedingungen in Politik und Wirtschaft einige neue Partner gewinnen und vorhandene Partner teils stärker binden können. Dies alles gibt uns für den Fokus Sport mehr Budget für die nächsten Jahre und mehr Planungssicherheit als in dieser Saison.
Ist die Finanzlage auch so gut, um noch ein paar Toptransfers zu tätigen? Denn wenn man den Worten Ihrer Vorgängerin Jennifer Kettemann glauben schenken darf, sollten ab 2025 nur noch Toptransfers getätigt werden.
Bachert: Was in der Vergangenheit bei den Löwen war, möchte ich nicht bewerten. In der täglichen Arbeit stelle ich fest, dass Uwe sehr akribisch in der Planung ist. Er scoutet sehr viele Spieler, nimmt Kontakt mit ihnen und ihren Beratern auf. Ziel ist es, eine Mannschaft aufzubauen und zusammenzustellen, die in den nächsten Saisons weiter oben angreifen kann. Klar ist auch, dass wir einen solchen Anspruch auch mit entsprechenden Transfertätigkeiten bekräftigen sollten. Daran arbeiten wir sehr hart.
Die Spielergehälter im Handball steigen. Können die Löwen mit den deutschen Branchengrößen diesbezüglich noch mithalten?
Bachert: Jeder kann sehen, wie hoch die Dichte in der Handball-Bundesliga ist und dass sich Clubs wie Melsungen und Hannover in den vergangenen Jahren stark nach vorne entwickelt haben. Die Rhein-Neckar Löwen sind zu einer starken Marke geworden, mit guter Außendarstellung und dem Ruf einer Top-Adresse. Mit Uwe haben wir ein neues sportliches Herzstück. Sein Standing in der Handballwelt und seine Ausstrahlung werden uns auch dabei helfen, uns entsprechend attraktiv für mögliche Neuzugänge zu präsentieren. Auf der anderen Seite steigen Löhne und Nebenkosten, was es noch wichtiger macht, mit dem vorhandenen Budget vernünftig umzugehen. Schön ist, dass unsere Partner uns dabei unterstützen.
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Und wie wollen die Löwen potenzielle Neuzugänge überzeugen?
Bachert: Ein Verein braucht eine klare Identität. Und hier haben wir bei den Löwen in den vergangenen Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Jeder weiß, wofür wir stehen. Wir genießen, insbesondere auch außerhalb Deutschlands, einen exzellenten Ruf. Löwen-Handball steht für Tempo, Attraktivität und Power. Die Löwen sind ein moderner, bestens aufgestellter Club mit breiter Fan-Basis und vielen Standbeinen rund um das Handball-Kerngeschäft. Unser Internat sucht deutschlandweit seinesgleichen, die Trainingsbedingungen werden allerseits und allerorten gelobt. Wir können mit vielen Dingen punkten, die andere so nicht vorweisen können. Und in dieser Hinsicht sind wir nach wie vor absolut konkurrenzfähig.
Vor der Partie am Montag (19.30 Uhr) in Stuttgart stehen die Löwen in der Handball-Bundesliga bei 16:12 Punkten. Ist Ihr Verein noch ein Topclub?
Bachert: Wir sind ein Club mit hohen Ansprüchen, der daran arbeitet, möglichst bald wieder ein Topclub zu sein beziehungsweise die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Aktuell fehlt uns noch ein Stück zu den Topclubs, die für mich immer noch von Magdeburg, Flensburg, Kiel und Berlin verkörpert werden und zu denen aktuell auch Melsungen und Hannover den Anschluss herstellen. Wir sind nicht allzu weit davon entfernt und können es in absehbarer Zeit schaffen. Entscheidend ist aber nicht das Wollen, sondern das Können. Und hier müssen wir weiter hart arbeiten und viel investieren, um die Lücke zu schließen.
Nur mit Entwicklung von Spielern wird es vermutlich nicht zurück in die Bundesligaspitze gehen. Wie attraktiv ist der Verein überhaupt noch für Spitzenkräfte?
Bachert: Wie gesagt: Neben den harten Faktoren wie etwa der Tabellenplatz zählen immer mehr die weichen Faktoren. Was finde ich vor? Wie wohl kann ich mich fühlen? Wie sehr kümmern sich Trainerteam und Umfeld um meine individuelle Entwicklung? Damit können wir aktuell punkten. Perspektivisch werden wir aber natürlich auch die entsprechenden Erfolge brauchen, um absolute Topspieler von uns zu überzeugen, wobei die Beispiele Juri Knorr und Ivan Martinovic zeigen, dass es auch um die von mir beschriebenen Dinge geht. Keiner in der Handball-Bundesliga kann seinen Spielern einen Champions-League-Platz versprechen. Auch der Kampf um die Euro-League-Plätze wird immer enger. Kontinuität auf Schlüsselpositionen, das wird immer mehr zum Entscheidungskriterium – und da wollen wir künftig eines der besten Angebote machen.
Wenn man in die Spitzengruppe will, muss man ein Team nicht nur verstärken, sondern auch die Leistungsträger halten. Mit Juri Knorr gelingt das nicht. Wird das bei Ivan Martinovic klappen?
Bachert: Bei Juri gab es viele Gründe für seine Entscheidung, die keine gegen die Löwen war, sondern für eine größere Veränderung. Wir wissen darum, wie begehrt Ivan ist. Selbstverständlich befinden wir uns mit ihm im Austausch. Wenn man sich die Entwicklung des Jungen anschaut, dann weiß man auch, wie schwer es ist, einen solchen Spieler zu halten. Wir sind mit ihm schon lange im Gespräch. Ivan fühlt sich in der Region und im Verein wohl und wir versuchen, gemeinsam mit ihm die sportlichen Ziele zu erreichen, damit es möglichst viele sportliche Argumente für sein Bleiben gibt.
Hand aufs Herz: Glauben Sie wirklich daran, dass die Lücke zu Kiel, Berlin, Magdeburg, Melsungen und Flensburg dauerhaft geschlossen werden kann?
Bachert: Ja, ich glaube daran, weil ich schon länger die Löwen verfolge, in den zurückliegenden Monaten noch mehr Details gesehen habe und aus dieser Erfahrung weiß, was dieser Club alles bewegen kann. Die Aufgabe ist riesig, zweifellos. Und es gibt keine Garantie, dass wir das schaffen werden. Aber was ich garantieren kann, ist, dass jeder in diesem Club alles dafür gibt, wieder dorthin zu kommen. Man braucht hohe Ziele, um etwas erreichen zu können. Und wir alle haben große Lust und großen Ehrgeiz, dieses Ziel mit vollem Einsatz zu verfolgen. Mit dem Erreichen des Final Four im DHB-Pokal haben wir den nächsten sportlichen Meilenstein erreicht. Wir stehen jetzt zum dritten Mal in Folge in einem Finalturnier, zweimal im DHB-Pokal, einmal in der European League. Das zeigt doch sehr eindrucksvoll, was dieser Club erreichen kann.
Seit Jahren gilt: Für ganz oben reicht es bei den Löwen in der Tabelle nicht. Mit Mittelmaß lässt sich aber die Mannheimer SAP Arena nicht füllen, weshalb stets von der Rückkehr in die Spitze gesprochen wird. Machen die Löwen sich und ihren Fans etwas vor?
Bachert: Nein, das wäre komplett vorbei an der Realität. Wir haben 2023 den Pokal gewonnen und dabei die damals stärksten Teams Deutschlands geschlagen, sind außerdem Fünfter in der Liga geworden. In dieser Saison haben wir zuhause Kiel, Melsungen, Flensburg und Berlin geschlagen, stehen jetzt erneut im Final Four um den DHB-Pokal und haben die Chance, den fünften großen nationalen Titel in weniger als zehn Jahren einzufahren. Das kann sich angesichts der Konkurrenz in der stärksten Liga der Welt allemal sehen lassen. Jetzt geht es darum, dieses Leistungsvermögen konstant abzurufen. Und dafür gilt es, nun mit dem neuen Trainerteam und dem Kader die Voraussetzungen zu schaffen.
Wie lange wird es dauern, bis das genannte Leistungsvermögen konstant abgerufen wird?
Bachert: Ich sehe uns auf einem guten Weg, die Lücke perspektivisch zu schließen, aber Zeitangaben hierzu zu machen, wäre einfach unseriös. Wir geben alle jeden Tag alles. Wann wir damit durchschlagenden Erfolg haben werden, das kann ich nicht sagen. Aber davon, dass wir Erfolg haben werden, bin ich komplett überzeugt. Zusätzlich schaffen wir es immer mehr, unsere Fan-Gruppierungen, unsere Dauerkartenbesitzer und auch unsere ehrenamtlichen Teams noch besser zu integrieren und aktivieren. Dies wird sich auch langfristig in der Hallenauslastung zeigen, auch wenn wir wissen, dass das Geld bei den Leuten nicht mehr so locker sitzt und auch der regionale Sportwettbewerb nicht kleiner wird.
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