Lemgo. Die Niederlage nagt gewaltig an Maik Machulla. Es dauert eine Weile, bis der Trainer der Rhein-Neckar Löwen am Donnerstag in die Kabine zu seiner Mannschaft geht. Nach dem 22:25 (9:13) beim TBV Lemgo Lippe tauscht er sich im Anschluss an ein TV-Interview zunächst mit seinem Assistenten Michel Abt aus, anschließend läuft der 48-Jährige in einem Flur der sehr verwinkelten Phoenix-Contact-Arena nachdenklich und in sich versunken auf und ab. Er wirkt in diesem Moment der Enttäuschung wie ein leibhaftiger Löwe, der am liebsten losrennen würde, um seinen Ärger abzuschütteln.
Machulla: „Wieder die gleichen Worte“
Mehr noch als das Ergebnis nervt den Trainer des Handball-Bundesligisten, dass sich sein Team zuvor erneut selbst um den Lohn brachte. „Wütend“ sei er, gibt Machulla zu: „Es kotzt mich maximal an, dass ich wieder die gleichen Worte wählen muss.“ Nämlich Worte, die man von ihm in den vergangenen Wochen sehr oft hörte – und in denen es ständig um ein zentrales Thema geht: die Chancenverwertung.
Allein in der ersten Halbzeit vergaben die Mannheimer in Lemgo sechs, sieben klare Möglichkeiten. Wobei klar eben nicht heißt, dass sie aus der Distanz aufs Tor warfen. Sondern die Löwen tauchten reihenweise ganz frei aus der Nahwurfzone vor dem Lemgoer Tor auf, um dann regelmäßig zu scheitern. Kapitän Patrick Groetzki spricht nach dem Schlusspfiff von „10 bis 15 Würfen, die einfach genutzt werden müssen“.
Wurden sie aber nicht. Weshalb sich die Frage stellt: Liegt die Angst im Abschluss an der Qualität der Spieler oder haben die Löwen gerade einfach nur Pech? Da das Problem immer wieder auftritt, kann zumindest nicht mehr zwingend von Zufall gesprochen werden. Denn das Muster ist eindeutig erkennbar.
„Ich habe sehr, sehr viel Vertrauen in meine Spieler und ich sehe jeden Tag im Training, was die Jungs können. Aber natürlich ist das jetzt ein mentales Thema, die Sache steckt in den Köpfen“, weiß Machulla um die besondere Herausforderung, die jetzt auf ihn zukommt. Denn er hat erkannt, dass „wir nicht mehr mit einer breiten Brust zum Siebenmeter gehen oder auch im Gegenstoß nicht mehr die letzte Überzeugung haben. Das müssen wir ehrlich zugeben.“
Was aber tun gegen die wachsenden Zweifel? Ist Chancenverwertung trainierbar? Sportchef Uwe Gensheimer war einst selbst ein Weltklasse-Profi. Auch der frühere Linksaußen hat schwierige Phasen in seiner Karriere durchlaufen und kam dann nach jedem Rückschlag gestärkt zurück. Insbesondere nach der knapp verpassten Meisterschaft 2014, als den Badenern zwei Tore zum Titel fehlten. Mit ein wenig Abstand zu diesem Trauma verriet Gensheimer damals seine Lehre aus dem Erlebnis: „Es geht künftig darum, alles mit hundertprozentiger Konzentration anzugehen. Denn jedes Tor kann am Ende entscheidend sein.“ Zwei Saisons später wurde er Meister.
Im Herbst 2025 hofft er nun, dass seine Nachfolger auf dem Feld künftig „bewusster mit diesen Situationen“ – also mit dem Torabschluss – umgehen. Auch wenn Gensheimer um den „schmalen Grat“ weiß. Es dürfe nicht zu viel Druck aufgebaut werden, sonst fehle die Lockerheit und man verkrampfe: „Und dennoch müssen wir darüber sprechen.“
Im Kern geht es also um die richtige Balance zwischen Leichtigkeit und Fokussierung. „Viele Torabschlüsse“ werden in den nächsten Tagen im Training auf dem Plan stehen, kündigt Machulla an: „Wir müssen versuchen, uns so die Sicherheit zu holen. Auch wenn man Drucksituationen aus dem Spiel nicht eins zu eins simulieren kann.“
Kapitän Groetzki sieht jeden Löwen in der Pflicht
Lediglich 22 Treffer erzielte seine Mannschaft in Lemgo, der TBV wiederum kam auch nur auf 25 Tore und hatte nicht so „viele super Chancen wie die Löwen“, gibt Machullas Kollege Florian Kehrmann im Anschluss zu. Wenn man so will, verbirgt sich hinter diesen Worten ein Lob für die Spielanlage der Mannheimer. Doch für Komplimente werden keine Punkte vergeben.
„Es ist nicht so, dass wir keine Lösungen im Angriff finden. Aber wir bringen uns in schwierige Situationen. Es ist ein Wahnsinn, wie wenig Verantwortung wir für unsere Möglichkeiten haben. Wenn man in dieser Vielzahl klare Chancen vergibt, kann man nicht gewinnen. Erst recht nicht in Lemgo. Und das ist extrem bitter“, sagt Machulla, der bis zum Heimspiel gegen den TVB Stuttgart am 26. Oktober (15 Uhr) vor allem als Mentaltrainer gefragt sein wird.
Denn dass die Schwäche vorm gegnerischen Tor ein grundsätzliches Qualitätsproblem ist, glauben die Löwen nicht. „Wir haben es auch schon anders gezeigt“, sieht Groetzki in der mangelhaften Torausbeute eher eine Momentaufnahme – wenngleich ihm der Ernst der Lage bekannt ist. Er weiß, dass sich die Misere nicht von allein erledigt: „Es liegt jetzt an jedem Einzelnen.“
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